Allergieberatung
Allergien, Pseudoallergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten treten in der Praxis häufig auf und äußern sich durch unspezifische, teils organsystemübergreifende Beschwerden. Doch nicht alle Symptome, die mit dem Begriff „Allergie“ assoziiert werden, beruhen tatsächlich auf einer immunologisch vermittelten Reaktion. Eine strukturierte Allergieberatung ermöglicht die differenzialdiagnostische Einordnung der Beschwerden, die Abgrenzung zwischen echten Allergien und nicht-immunologischen Überempfindlichkeitsreaktionen (z. B. Histaminintoleranz, Fructosemalabsorption) sowie die Ableitung individueller diagnostischer und therapeutischer Strategien.
Ziel der Allergieberatung ist eine präzise Diagnosestellung, fundierte Patientenschulung sowie die Entwicklung alltagspraktischer Maßnahmen zur Allergenvermeidung, Symptombehandlung und Risikominimierung.
Die Beratung integriert laborchemische, apparative und anamnestische Befunde und schließt stets eine kritische Bewertung nicht-validierter Diagnostikverfahren ein. Sie stellt damit eine zentrale Schnittstelle zwischen Allergologie, Ernährungsmedizin und psychosomatischer Grundversorgung dar.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Die Allergieberatung richtet sich an Patienten mit folgenden Symptomen oder Verdachtsdiagnosen:
- V. a. allergische Erkrankungen der Haut, Atemwege oder des Gastrointestinaltrakts
- Unklare Beschwerden, z. B. Juckreiz, Durchfall, Meteorismus (Blähungen), Kopfschmerzen, Leistungsknick
- Bekannte oder vermutete Nahrungsmittelunverträglichkeiten
- Chronische Beschwerden mit möglichem pseudoallergischem oder immunologischem Hintergrund
Das Verfahren
- Benötigtes Material
- Keine direkte Materialentnahme – die Beratung basiert auf Anamnese, Diagnostik und Risikoeinschätzung.
- Vorbereitung des Patienten
- Vorliegende Befunde (z. B. IgE, Pricktest-Ergebnisse, Atemtest-Auswertungen) sollten mitgebracht werden. Ein Symptomtagebuch und ein Ernährungsprotokoll über 1-2 Wochen sind hilfreich.
Ablauf der Allergieberatung
- Anamnese und Beschwerdeanalyse
- Auswertung von Symptomen nach Organbeteiligung (Haut, Atemwege, Gastrointestinaltrakt, ZNS, Kreislauf)
- Einschätzung von Auslösern: Zeitpunkt, Dosisabhängigkeit, Umgebungsfaktoren
- Familienanamnese (atopische Diathese, bekannte Intoleranzen)
- Differenzierung der Überempfindlichkeitsformen
- Echte Allergien (IgE-vermittelt)
- Pseudoallergien (nicht-immunologische Reaktionen)
- Intoleranzen (z. B. Enzymdefekte, Transportstörungen)
- Risikoeinschätzung und Maßnahmenplanung
- Abschätzung des Schweregrads (z. B. anaphylaktisches Risiko)
- Verhaltensempfehlungen im Alltag und in Notfallsituationen
- Empfehlungen zur Allergenvermeidung bzw. diätetischen Umstellung
- Vorstellung etablierter Therapieoptionen inkl. Hyposensibilisierung (bei IgE-vermittelten Allergien)
- Beratung zu diagnostischen Verfahren
- Interpretation laborchemischer und testbasierter Befunde
- Hinweise zu validierten Verfahren und zur kritischen Einschätzung kommerzieller Testangebote
Validierte diagnostische Begleitverfahren
- Labordiagnostik
- Immunglobulin E: Gesamtes IgE und spezifisches IgE (RAST-Test) – zur Diagnostik echter Nahrungsmittelallergien
- Basophilenaktivierungstest (BAT) – zur Differenzierung bei unklaren allergischen Symptomen
- Histaminbestimmung im Plasma oder Stuhl – bei Verdacht auf Histaminintoleranz
- Bestimmung der Diaminoxidase (DAO) – zur Beurteilung der Histaminabbaurate
- H2-Atemtests – zur Diagnostik von Fructose-, Lactose- und Sorbitintoleranz
- Stuhlparameter – Analyse von Verdauungsenzymen, Entzündungsmarkern und Mikrobiomstatus
- Medizingerätediagnostik
- Prick-Test (Hauttest) – zur Allergiediagnostik
- Orale Provokationstests unter ärztlicher Aufsicht – zum Nachweis von Pseudoallergien oder Intoleranzen
Mögliche Inhalte der Beratung
- Aufklärung über das Krankheitsbild
- Abgrenzung zwischen Allergie, Pseudoallergie und Intoleranz
- Erklärung der immunologischen bzw. nicht-immunologischen Mechanismen
- Verhaltensmedizinische Aspekte
- Ernährungsoptimierung
- Einfluss von Genussmitteln, Stress, Schlaf, Bewegung
- Therapieoptionen
- Antihistaminika, Mastzellstabilisatoren, Kortikosteroide
- Enzymsubstitution (z. B. Lactase)
- Immuntherapien bei IgE-vermittelten Allergien
- Komplementärmedizinische Ansätze (nur bei vorhandener Evidenz)
- Notfallmanagement
- Schulung zur Anwendung eines Adrenalin-Autoinjektors
- Notfallkarte, Schulung von Angehörigen
Hinweis zu nicht validierten Verfahren
Von der Verwendung folgender Methoden wird abgeraten – sie gelten als wissenschaftlich nicht validiert und haben laut aktueller Stellungnahmen keine diagnostische Aussagekraft:
- Bestimmung von IgG- oder IgG4-Antikörpern auf Nahrungsmittelallergene
- ALCAT-Test (zytotoxischer Lebensmitteltest)
- TOP-Test („Tissue Oxygenation Provocation“)
- Elektroakupunktur nach Voll
- Bioresonanzmethoden
- Kinesiologie
Diese Verfahren können zu Fehldiagnosen führen und unnötige Diäten oder Ängste auslösen. Die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) sowie der Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA) warnen explizit davor.
Nutzen der Allergieberatung
- Differenzierte Zuordnung der Beschwerden – immunologisch oder nicht-immunologisch
- Individuelle Präventions- und Therapieplanung
- Aufklärung über echte vs. vermeintliche Allergien
- Empowerment durch Wissen, bessere Krankheitskontrolle und Lebensqualität
Literatur
- Kleine-Tebbe J, Lepp U, Niggemann B et al.: In-vitro-Diagnostik bei Nahrungsmittelallergien. Positionspapier der DGAKI und des AeDA. Allergo J. 2001;10:333-339.
- Niggemann B, Grüber C: Unproven diagnostic procedures in IgE-mediated allergic diseases. Allergy. 2004;59(8):806-808. doi: 10.1111/j.1398-9995.2004.00495.x.
- Senna G, Passalacqua G, Lombardi C, Antonicelli L: Position paper: controversial and unproven diagnostic procedures for food allergy. Allerg Immunol (Paris). 2004;36(4):139-145.