Biographische Ursachen inkl. genetischer Faktoren
Krebserkrankungen

Biographische Ursachen/Risikofaktoren inkl. genetischer Faktoren

  • Genetische Belastung
    • Krebs(prä)dispositionssyndrom (Krebsdisposition/Krebsveranlagung) in der pädiatrischen Onkologie [5]
      • ≥ 2 Krebserkrankungen bei Familienmitgliedern im Alter unter 18 Jahren, einschließlich Indexpatient
      • Elternteil oder Geschwister mit Krebserkrankung im Alter unter 45 Jahren
      • ≥ 2 erst- oder zweitgradige Verwandte in derselben parentalen Linie (väterlichen Linie) mit Krebserkrankungen vor dem 45. Lebensjahr
      • Konsanguinität (Blutsverwandtschaftder Eltern
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • SNP: rs2279744 im Gen MDM2
          • Allel-Konstellation: GT (Betroffene neigen eher zu einer frühen Tumorerkrankung*)
          • Allel-Konstellation: GG (Betroffene neigen eher zu einer frühen Tumorerkrankung*)
    • Hereditäre Tumorsyndrome mit erhöhtem Malignomrisiko (s. u.: bis zu 20 % aller Krebserkrankungen beruhen auf vererbte Mutationen)
    • Menschen mit chromosomalen Abweichungen oder schweren Fehlbildungen Geborene erkranken bis ins Erwachsenenleben häufiger an Krebs [7]: Kinder mit
      • nicht-chromosomalen Geburtsfehlern hatten ein 2,5-fach erhöhtes Risiko, wobei das Risiko mit der Zahl der Fehlbildungen anstieg. K
      • 4 oder mehr schweren Geburtsfehlern erkrankten 5,9-fach häufiger an Krebs
      • mit Chromosomenanomalien erkrankten am höchsten an Krebs (Odds Ratio 5,53). Menschen mit Down-Syndrom erkranken 6-mal häufiger bis zum Alter von 46 Jahren an Krebs. Das Risiko einer akuten myeloischen Leukämie war 88-fach erhöht.
  • Lebensalter – je höher das Alter, desto höher das Risiko für eine Tumorerkrankung, weil die genetischen Reparaturmechanismen im Alter nicht mehr so effektiv sind wie in jüngeren Jahren
  • Hormonelle Faktoren
    Die Anzahl der Jahre im Leben einer Frau, in denen sie unter dem Einfluss von Östrogenen und Gestagenen steht, insbesondere die Jahre vor der ersten ausgetragenen Schwangerschaft, sind von entscheidender Bedeutung für das Entstehungsrisiko eines Mammakarzinoms (Brustkrebs)!
  • Frühe erste Regelblutung (Menarche) – so ist das Mammakarzinomrisiko für Frauen, die bereits mit 12 Jahren ihre Menarche hatten, um 50 bis 60 % im Vergleich zu den Frauen erhöht, die erst mit 16 Jahren ihre erste Regelblutung hatten 
  • Späte erste Schwangerschaft – nach dem 30. Lebensjahr – circa 3-fach erhöhtes Risiko für ein Mammakarzinom (Brustkrebs) [4]
  • Kurze Stillphase – je kürzer die Stillphase, desto höher das Risiko, an einem Mammakarzinom zu erkranken. Dieses ergab eine Metastudie [3]
  • Kinderlosigkeit – 1,5-2,3-fach erhöhtes Mammakarzinomrisiko [1]

*Vor allem Weichteilsarkom, diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom, kolorektales Karzinom (bösartigen (malignen) Tumoren des Darmes und des Mastdarms), Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs), nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) der Frau, Melanom der Frau (Allel-Konstellation: GG) und eine erniedrigte Überlebensrate von Patienten mit Magen- und Nierenzellkarzinom

Erbliche Tumorsyndrome mit erhöhtem Malignomrisiko [2]

Erbliche Tumorsyndrome Gen Häufigkeit*1 Engeres Tumorspektrum
Autosomal-dominater Erbgang
Erblicher Darmkrebs ohne Polyposis (HNPCC) MSH2
MLH1
MSH6
PMS2
ca. 1 : 500*2 Kolon-, Endometrium-, Magen-, Dünndarm-, Urothelkarzinom u.a.
Familiärer Brust- und Eierstockkrebs BRCA1
BRCA2
1 : 500 bis 1 : 1.000 Mamma-, Ovarial- und Prostatakarzinom
Neurofibromatose Typ 1 NF1 1 : 3.000 Neurofibrom, Optikusgliom, Neurofibrosarkom
Familiäres Retinoblastom RB1 1 : 15.000 bis 1 : 20.000 oft beidseitiges Retinoblastom im Kindesalter, später Sekundärtumoren
Multiple endokrine Neoplasie Typ 2 (MEN2a) RET 1 : 30.000 medulläres Schilddrüsenkarzinom, Phäochromozytom, Hyperparathyreoidismus
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) APC 1 : 33.000 > 100 Kolonadenome, Tumoren im oberen Gastrointestinaltrakt, Desmoide
Von-Hippel-Lindau-Erkrankung VHL 1 : 36.000 klarzelliges Nierenzellkarzinom und andere, meist gutartige Tumoren
Li-Fraumeni-Syndrom TP53 selten*3 besonders breites Tumorspektrum, u. a. Sarkome, Mammakarzinom, Hirntumoren, Leukämien
Autosomal-rezessiver Erbgang
MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) MUTYH keine Angaben Kolonkarzinom, Kolonadenome
Ataxia teleangiectatica (AT) ATM 1 : 40.000 bis 1 : 100.000

Non-Hodgkin-Lymphom, Leukämie

Risiko, vor dem 18. Lebensjahr an Krebs zu erkranken, beträgt bei Kindern mit FA 11 % [8]

Fanconi-Anämie (FA) FANC
A-H
1 : 100.000 Hämatologische Neoplasien

Risiko, vor dem 18. Lebensjahr an Krebs zu erkranken, beträgt bei Kindern mit AT 14 % [8]

*1Die Häufigkeitsangaben beziehen sich auf die Zahl der Anlageträger in der Allgemeinbevölkerung.
*2Circa 2-3 % aller Kolonkarzinome, hieraus Abschätzung der Häufigkeit
*3 Weltweit weniger als 400 Familien beschrieben
Quelle: www.genereviews.org

Weitere Hinweise

  • Die Sequenzierung von mehr als 80 Genen, die an der Karzinogenese (Krebsentstehung) beteiligt sein können, führte zu einer hohen Trefferquote in Bezug auf  pathogene Keimbahnvarianten (PGV; vulgo Krebsgene): Bei 397 Patienten (13,3 %) wurde mindestens eine pathogene Keimbahnvariante (PGV) gefunden [6]:
    • Inzidenz der einzelnen PGV: 7,3 % bei Melanomen (schwarzer Hautkrebs), 20,6 % beim Ovarial­karzinom (Eierstockkrebs), 15,9 % beim Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs), 15,3 % beim Kolorektalkarzinom (Dickdarm -und Mastdarmkrebs), 13,7 % beim Prostatakarzinom (Prostatakrebs, 14,7 % beim Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) 14,5 % beim Cholangiokarzinom (Gallengangskrebs), 13,3 % beim Endometriumkarzinom (Gebärmutterkrebs bzw. Gebärmutterkörperkrebs) und 14,2 % bei Harnblasenkarzinom (Blasenkrebs)
    • Fazit: Die Vermutung, dass ca. 10 bis 25 % aller Krebserkrankungen beruhen auf vererbte Mutationen, ist damit bestätigt.

Literatur

  1. Stauber und Weyerstahl. In: Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme/MLP Verlag 2005
  2. Rahner N, Steinke V: Erbliche Krebserkrankungen. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 105, Heft 41, 10 Oktober 2008
  3. Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast Cancer.Breast cancer and breastfeeding: collaborative reanalysis of individual data from 47 epidemiological studies in 30 countries, including 50302 women with breast cancer and 96973 women without the disease. Lancet 2002 (20. Juli); 360: 187-95
  4. Stauber und Weyerstahl, In: Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme/MLP Verlag 2005
  5. Ripperger T, Bielack S, Borkhardt A et al.: Childhood cancer predisposition syndromes – A concise review and recommendations by the Cancer Predisposition Working Group of the Society for Pediatric Oncology and Hematology. Am J Med Genet 2017;173:1017-1037. https://​doi.​org/​10.​1002/​ajmg.​a.​
  6. Samadder NJ et al.: Comparison of Universal Genetic Testing vs Guideline-Directed Targeted Testing for Patients With Hereditary Cancer Syndrome JAMA Oncol. Published online October 30, 2020. doi:10.1001/jamaoncol.2020.6252
  7. Daltveit DS et al.: Cancer risk in individuals with major birth defects: large Nordic population based case-control study among children, adolescents, and adults. BMJ 2020; 371 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.m4060
  8. Dutzmann CM et al.: Cancer in Children With Fanconi Anemia and Ataxia-Telangiectasia—A Nationwide Register-Based Cohort Study in Germany J Clin Oncol . 2022 Jan 1;40(1):32-39. doi: 10.1200/JCO.21.01495.
     
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