Omega-3-Fettsäuren in der Schwangerschaft: Wie viel brauchen Mutter und Kind?
Omega-3-Fettsäuren gehören zu den essentiellen (lebensnotwendigen) Fettsäuren, die der menschliche Körper nicht selbst bilden kann und die daher über die Nahrung aufgenommen werden müssen [1]. Während der Schwangerschaft und Stillzeit steigt der Bedarf deutlich an, da das ungeborene und gestillte Kind vollständig von der Versorgung der Mutter über die Nabelschnur und später die Muttermilch abhängig ist [2]. Besonders die langkettige Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) ist in dieser Phase entscheidend für die normale Entwicklung von Gehirn und Augen des Kindes.
Zufuhrempfehlung und Versorgungssituation
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt gesunden Erwachsenen zur allgemeinen Unterstützung der Herz-Kreislauf-Gesundheit eine tägliche Aufnahme von 250 mg EPA (Eicosapentaensäure) und DHA zusammen [3].
Für Schwangere und Stillende wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine Zufuhr von mindestens 200 mg DHA pro Tag empfohlen [4].
Hauptlieferanten für Omega-3-Fettsäuren sind fettreiche Fische aus Kaltseegewässern, wie Hering, Makrele, Lachs, Sardine oder Thunfisch. Der DGE zufolge sollten Erwachsene zwei Fischmahlzeiten pro Woche verzehren, was einer täglichen Aufnahme von etwa 30 g Fisch entspricht [4].
Tatsächlich liegt die durchschnittliche Fischaufnahme von Frauen im Alter von 19-50 Jahren laut Nationaler Verzehrsstudie II jedoch nur bei 16-22 g pro Tag [5]. Damit wird die empfohlene Zufuhr an Omega-3-Fettsäuren – insbesondere unter Berücksichtigung des zusätzlichen Mehrbedarfs während Schwangerschaft und Stillzeit – nicht erreicht.
Versorgungsstatus in Zahlen:
- EFSA-Empfehlung: 250 mg EPA + DHA/Tag für gesunde Erwachsene zur Unterstützung der Herz-Kreislauf-Gesundheit
- DGE-Empfehlung: mind. 200 mg DHA/Tag für Schwangere und Stillende zur normalen Gehirnreifung des Ungeborenen bzw. Unterstützung der Gehirnreifung des Neugeborenen
- Empfehlung: 2 Fischmahlzeiten/Woche (etwa 30 g Fisch/Tag) für Erwachsene
- Tatsächliche Aufnahme Frauen 19-50 J.: 16-22 g Fisch/Tag
Die Top 10 Omega-3-Quellen für Schwangere
Um den täglichen Bedarf an Omega-3-Fettsäuren in der Schwangerschaft zu decken, lohnt sich ein Blick auf besonders DHA- und EPA-haltige Lebensmittel. Die folgende Übersicht zeigt die 10 DHA/EPA-reichsten Lebensmittel (pro 100 g, gerundet). Die angegebenen Werte können je nach Art, Fanggebiet, Fütterung und Verarbeitung variieren [10-12]:
- Hering (Atlantik, gegart): 1.600 mg DHA/EPA – geeignet für Schwangere, wenn gut durchgegart.
- Makrele (Atlantik, gegart): 1.400 mg DHA/EPA – geeignet, bevorzugt Nordatlantik/kleinere Arten, durchgegart verzehren.
- Sardine (in Öl, abgetropft, konserviert): 1.200 mg DHA/EPA – in Konserven unbedenklich.
- Lachs (Atlantik, gezüchtet, gegart): 1.200 mg DHA/EPA – sicher, wenn vollständig gegart.
- Thunfisch (frisch, gegart): 1.000 mg DHA/EPA – wegen Quecksilberbelastung nur gelegentlich verzehren, rohe Produkte meiden.
- Forelle (Regenbogenforelle, gegart): 900 mg DHA/EPA – geeignet, wenn durchgegart.
- Aal (europäisch, gegart): 850 mg DHA/EPA – nur gegart geeignet; selten verzehren, da fettreich und potenziell schadstoffbelastet.
- Anchovis (in Öl, abgetropft, konserviert): 800 mg DHA/EPA – in Konserven unbedenklich.
- Kabeljau (Atlantik, gegart): 200 mg DHA/EPA – geeignet, jedoch geringere Omega-3-Mengen.
- Hühnerei (Eigelb, gegart): 80 mg DHA/EPA – sicher, wenn hart gekocht oder durchgebraten.
Wichtige Hinweise für Schwangere:
- Rohfisch und roh marinierte Fischprodukte (z. B. Sushi, Graved Lachs, Matjes) sollten wegen Infektionsrisiken (Listerien, Parasiten) vermieden werden.
- Große Raubfische (z. B. Schwertfisch, Hai, Königsmakrele) sind aufgrund erhöhter Quecksilberwerte nicht für Schwangere geeignet.
- Fettreiche Kaltwasserfische liefern die höchsten Mengen an langkettigen Omega-3-Fettsäuren und sind daher die wichtigste Quelle in der Schwangerschaft. Auch Eier können – abhängig von der Fütterung der Hennen – einen relevanten Beitrag leisten.
- Samen, Nüsse und Pflanzenöle (z. B. Leinöl, Walnussöl, Rapsöl) enthalten zwar vor allem α-Linolensäure (ALA), die Vorstufe von DHA und EPA, doch die Umwandlung im menschlichen Körper ist nur begrenzt möglich (unter 5 %). Daher sind Fisch und ggf. Algenöle die verlässlichsten Lieferanten für DHA in der Schwangerschaft.
Funktionen von DHA in der Schwangerschaft
Omega-3-Fettsäuren, insbesondere DHA, sind essenziell für den Aufbau von Zellmembranen. Hohe DHA-Konzentrationen finden sich im Nervengewebe und in den Photorezeptoren der Netzhaut. Während der zweiten Schwangerschaftshälfte und in den ersten Lebensmonaten werden große Mengen DHA in Gehirn und Netzhaut des Kindes eingelagert [6].
Die mütterliche DHA-Zufuhr trägt nachweislich zu einer normalen Gehirnentwicklung und zur normalen Entwicklung des Sehvermögens beim Ungeborenen und gestillten Kind bei [7]. Eine unzureichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren in der Schwangerschaft wird mit Entwicklungsverzögerungen, kognitiven Einschränkungen und Sehschwächen beim Kind in Verbindung gebracht [8].
Fazit
Omega-3-Fettsäuren, insbesondere DHA, sind in der Schwangerschaft von zentraler Bedeutung für die Entwicklung von Gehirn und Augen des Kindes. Da die Zufuhr über die Ernährung in Deutschland häufig unzureichend ist, sollte auf eine gezielte Aufnahme über Fisch oder Supplemente geachtet werden. Eine ausreichende Versorgung sichert nicht nur die Gesundheit der Mutter, sondern vor allem die optimale Entwicklung des Kindes.
Empfehlung zur Supplementation
Zur Sicherstellung einer adäquaten Omega-3-Versorgung in der Schwangerschaft und Stillzeit:
- Erhöhung des Fischkonsums: Zwei Fischmahlzeiten pro Woche, bevorzugt fettreicher Kaltwasserfisch (z. B. Lachs, Hering, Makrele, Sardine).
- Verwendung geprüfter Supplemente: Bei unzureichendem Fischverzehr Einnahme eines DHA-/EPA-Präparats, vorzugsweise aus gereinigtem Fischöl oder Algenöl.
- Dosierung: Tägliche Supplementation von mindestens 200 mg DHA/Tag.
- Stillzeit berücksichtigen: Auch nach der Geburt ist die Omega-3-Versorgung für die kindliche Gehirn- und Augenentwicklung relevant.
Weitere Informationen zu DHA und deren Funktionen erhalten Sie im DocMedicus Vitalstofflexikon.
Literatur
- Calder PC. Omega-3 fatty acids and inflammatory processes: from molecules to man. Biochem Soc Trans. 2017 Oct 15;45(5):1105-1115. doi: 10.1042/BST20160474
- Koletzko B, Cetin I, Brenna JT; Perinatal Lipid Intake Working Group; Child Health Foundation; Diabetic Pregnancy Study Group; European Association of Perinatal Medicine; European Association of Perinatal Medicine; European Society for Clinical Nutrition and Metabolism; European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition, Committee on Nutrition; International Federation of Placenta Associations; International Society for the Study of Fatty Acids and Lipids. Dietary fat intakes for pregnant and lactating women. Br J Nutr. 2007 Nov;98(5):873-7. doi: 10.1017/S0007114507764747
- EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA). Scientific Opinion on Dietary Reference Values for fats, including saturated fatty acids, polyunsaturated fatty acids, monounsaturated fatty acids, trans fatty acids, and cholesterol. EFSA J. 2010;8(3):1461. doi: 10.2903/j.efsa.2010.1461
- DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung), ÖGE (Österreichische Gesellschaft für Ernährung), SGE (Schweizer Gesellschaft für Ernährungsforschung), SVE (Schweizer Vereinigung für Ernährung) (Hrsg.); Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr; Umschau/Braus, Frankfurt a. M. 2000.
- Max Rubner-Institut. Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht Teil 2. Karlsruhe; 2008.
- Innis SM. Dietary omega 3 fatty acids and the developing brain. Brain Res. 2008 Oct 27;1237:35-43. doi: 10.1016/j.brainres.2008.08.078
- Campoy C, Escolano-Margarit MV, Anjos T, Szajewska H, Uauy R. Omega 3 fatty acids on child growth, visual acuity and neurodevelopment. Br J Nutr. 2012 Jun;107 Suppl 2:S85-106. doi: 10.1017/S0007114512001493
- Janssen CI, Kiliaan AJ. Long-chain polyunsaturated fatty acids (LCPUFA) from genesis to senescence: the influence of LCPUFA on neural development, aging, and neurodegeneration. Prog Lipid Res. 2014 Jan;53:1-17. doi: 10.1016/j.plipres.2013.10.002
- Max Rubner-Institut. Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht Teil 2. Karlsruhe; 2008.
- Max Rubner-Institut. Bundeslebensmittelschlüssel (BLS), Version 3.02. Karlsruhe: MRI; 2021.
- U.S. Department of Agriculture, Agricultural Research Service. FoodData Central. Beltsville, MD: USDA; 2019.
- Souci SW, Fachmann W, Kraut H. Food Compositions and Nutrition Tables. 9th revised and expanded edition. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2024.