Jod in der Schwangerschaft: Wie viel brauchen Mutter und Kind?
Jod ist ein essenzielles Spurenelement und unentbehrlich für die Bildung der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3). In der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Jod durch mehrere Faktoren: den erhöhten Grundumsatz, die verstärkte Jodausscheidung der Mutter über den Urin und den Jodbedarf des Ungeborenen, dessen Schilddrüse ab der 12. Schwangerschaftswoche selbst Hormone produziert [1, 2]. Eine unzureichende Jodversorgung kann schwerwiegende Folgen für die geistige und körperliche Entwicklung des Kindes haben [3].
Zufuhrempfehlung und Versorgungssituation
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Schwangere eine tägliche Jodzufuhr von 220 µg/Tag und für nicht-schwangere Erwachsene 150 µg/Tag) [4]. Damit ergibt sich in der Schwangerschaft ein Mehrbedarf von rund 70 µg/Tag gegenüber nichtschwangeren Frauen.
Die Nationale Verzehrsstudie II zeigt eine Jod-Unterversorgung in Deutschland [4]. Ohne die Verwendung von jodiertem Speisesalz erreichen 97 % der Frauen die Zufuhrempfehlung nicht. Selbst wenn in allen Rezepturen jodiertes Speisesalz berücksichtigt wird, unterschreiten noch 28 % der Frauen die Referenzwerte [4]. Besonders schlecht versorgte Frauen nehmen dabei nur etwa 91 µg Jod pro Tag auf. Das entspricht einem Fehlbetrag von 59 µg/Tag (ca. 39 % unter dem Referenzwert von 150 µg) bei nichtschwangeren Frauen. Für Schwangere verschärft sich die Situation zusätzlich: Bei gleichem Aufnahmewert ergibt sich ein Defizit von 129 µg/Tag, was etwa 59 % unterhalb des Referenzwertes von 220 µg liegt [4, 5].
Versorgungsstatus in Zahlen:
- DGE-Empfehlung: 220 µg/Tag für Schwangere
- Unterversorgung ohne jodiertes Speisesalz: 97 % der Frauen erreichen die Empfehlung nicht
- Unterversorgung trotz jodiertem Salz: 53 % der Frauen erreichen die Empfehlung nicht
- Fehlbetrag bei am schlechtesten versorgten Frauen: 59 µg/Tag (ca. 39 % unter Referenz)
- Fehlbetrag bei am schlechtesten versorgten Schwangeren: 129 µg/Tag (ca. 59 % unter Referenz)
Die Top 10 Jodquellen für Schwangere
Um den täglichen Bedarf in der Schwangerschaft zu decken, lohnt sich ein Blick auf besonders jodhaltige Lebensmittel. Die folgende Übersicht zeigt die 10 jodreichsten Lebensmittel (pro 100 g, gerundet). Die angegebenen Werte können je nach Art, Fanggebiet, Fütterung und Verarbeitung variieren [6-8]:
- Kabeljau: 300 µg
- Schellfisch: 260 µg
- Seelachs: 200 µg
- Rotbarsch: 160 µg
- Hering (frisch): 70 µg
- Garnelen: 130 µg
- Miesmuscheln: 140 µg
- Lachs: 50 µg
- Milch (1,5 % Fett): 15 µg
Seefisch, Meeresfrüchte und Milchprodukte sind die wichtigsten Jodlieferanten. Besonders Seefischarten wie Kabeljau, Seelachs, Rotbarsch oder Lachs gelten in der Schwangerschaft als geeignete Jodquellen und können ein- bis zweimal pro Woche auf dem Speiseplan stehen.
Für Schwangere gelten dabei folgende Hinweise:
- Fische mit hoher Quecksilberbelastung (z. B. Schwertfisch, Hai, Thunfisch) sollten gemieden werden.
- Garnelen und Muscheln können viel Jod liefern, sollten aber nur gut durchgegart verzehrt werden (Infektionsschutz).
- Roh verarbeitete Fischprodukte wie Sushi oder Räucherfisch sind in der Schwangerschaft nicht empfehlenswert.
Funktionen von Jod in der Schwangerschaft
Jod ist entscheidend für die Synthese der Schilddrüsenhormone, die zahlreiche Stoffwechselprozesse steuern. In der Schwangerschaft sind diese Hormone besonders wichtig für [1, 2]:
- die Gehirnentwicklung und kognitive Leistungsfähigkeit des Kindes (besonders im 1. Trimenon),
- das normale Wachstum und die Reifung von Organen,
- die Regulierung des Energie- und Eiweißstoffwechsels.
Ab dem zweiten Trimenon ist die Plazenta für Schilddrüsenhormone nicht mehr durchlässig, sodass das Kind auf die eigene Hormonproduktion angewiesen ist. Dafür benötigt es rund 50 µg Jod pro Tag, das direkt aus den Vorräten der Mutter entzogen wird [2].
Ein Jodmangel kann eine Struma (Schilddrüsenvergrößerung) bei Mutter und Kind verursachen. In Deutschland war die Häufigkeit von Strumen bis in die 1990er-Jahre sehr hoch, ist durch die Einführung von Jodsalz und die insgesamt verbesserte Jodversorgung jedoch deutlich zurückgegangen. Bevölkerungsrepräsentative Untersuchungen zeigen dennoch, dass auch heute noch ein relevanter Anteil der Erwachsenen – darunter Frauen im gebärfähigen Alter – eine vergrößerte Schilddrüse aufweist. Die Prävalenz liegt, abhängig von Alter und Region, bei etwa 10-20 % [9-12]. Bei Neugeborenen tritt eine klinisch manifeste Struma in Deutschland nur noch sehr selten auf.
Fazit
Jod ist in der Schwangerschaft von zentraler Bedeutung für die Gesundheit von Mutter und Kind. In Deutschland besteht nach wie vor ein Jodmangel, der sich durch den erhöhten Bedarf in der Schwangerschaft verschärft. Eine gezielte Supplementation von 100-150 µg Jodid pro Tag, kombiniert mit jodreicher Ernährung (Seefisch, Milchprodukte, jodiertes Speisesalz), ist notwendig, um Entwicklungsstörungen beim Kind und Schilddrüsenerkrankungen bei der Mutter vorzubeugen.
Empfehlung zur Supplementation
Da die ausreichende Jodversorgung allein über die Ernährung in Deutschland kaum erreicht werden kann, wird Schwangeren eine zusätzliche Zufuhr empfohlen [13-15]:
- Tägliche Supplementation: 100-150 µg Jodid in Tablettenform zusätzlich zur Ernährung [14, 15].
- Zeitpunkt: Beginn möglichst bereits vor Eintritt der Schwangerschaft, spätestens im ersten Trimenon.
- Ziel: Schutz der Mutter vor Struma und Sicherstellung der gesunden körperlichen und geistigen Entwicklung des Kindes.
- Wichtig: Mehrfachsupplementation (z. B. durch Algenpräparate) vermeiden, da deren Jodgehalte stark schwanken und sehr hoch sein können.
- Besonderheiten: Bei Schilddrüsenerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow ist eine individuelle ärztliche Abstimmung notwendig.
Weitere Informationen zu Jod und dessen Funktionen erhalten Sie im DocMedicus Vitalstofflexikon.
Literatur
- Glinoer D. The regulation of thyroid function in pregnancy: pathways of endocrine adaptation from physiology to pathology. Endocr Rev. 1997 Jun;18(3):404-33. doi: 10.1210/edrv.18.3.0300
- Zimmermann MB. Iodine deficiency. Endocr Rev. 2009 Jun;30(4):376-408. doi: 10.1210/er.2009-0011
- Bath SC, Steer CD, Golding J, Emmett P, Rayman MP. Effect of inadequate iodine status in UK pregnant women on cognitive outcomes in their children: results from the Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC). Lancet. 2013 Jul 27;382(9889):331-7 doi: 10.1016/S0140-6736(13)60436-5
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 5. Auflage. Bonn: DGE; 2025.
- Max Rubner-Institut (MRI). Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht Teil 2. Karlsruhe: Max Rubner-Institut; 2008.
- Max Rubner-Institut. Bundeslebensmittelschlüssel (BLS), Version 3.02. Karlsruhe: MRI; 2021.
- U.S. Department of Agriculture, Agricultural Research Service. FoodData Central. Beltsville, MD: USDA; 2019.
- Souci SW, Fachmann W, Kraut H. Food Composition and Nutrition Tables. 9th rev. ed. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2024.
- Völzke H, Ittermann T, Albers M, Friedrich N, Nauck M, Below H, Kramer A. Five-year change in morphological and functional alterations of the thyroid gland: the Study of Health in Pomerania. Thyroid. 2012 Jul;22(7):737-46. doi: 10.1089/thy.2011.0525
- Thamm M, Ellert U, Thierfelder W, Liesenkötter K-P, Völzke H. Jodversorgung in Deutschland – Ergebnisse des Jodmonitorings im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS). Bundesgesundheitsbl. 2007;50:744-749. doi: 10.1007/s00103-007-0236-4
- Esche J, Thamm M, Remer T. Contribution of iodized salt to total iodine and total salt intake in Germany. Eur J Nutr. 2020 Oct;59(7):3163-3169. doi: 10.1007/s00394-019-02154-7
- Remer T, Hua Y, Esche J, Thamm M. The DONALD study as a longitudinal sensor of nutritional developments: iodine and salt intake over more than 30 years in German children. Eur J Nutr. 2022 Jun;61(4):2143-2151. doi: 10.1007/s00394-022-02801-6
- World Health Organization. Guideline: Fortification of food-grade salt with iodine for the prevention and control of iodine deficiency disorders. Geneva: WHO; 2014. NCBI Bookshelf
- Bundesinstitut für Risikobewertung: Jod, Folat/Folsäure und Schwangerschaft. BfR-Wissenschaft 2021, Berlin
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Einheitliche Handlungsempfehlungen für die Schwangerschaft aktualisiert und erweitert. DGEinfo (12/2018) 183-189