Checkliste für die Überprüfung der Flugreisetauglichkeit
Während eines Linienflugs herrscht ein Kabinendruck wie in etwa 2 400 m Höhe. Dadurch sinkt der Sauerstoffgehalt der eingeatmeten Luft auf etwa 15 %, was insbesondere das Herz-Kreislauf-, Lungen- und Blutbildungssystem belastet. Für Schwangere, Neugeborene und Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen ergeben sich zusätzliche Risiken [1, 2].
Erkrankungen und Zustände, die eine Überprüfung der Flugreisetauglichkeit notwendig machen
- Atmungssystem
- Chronische Lungenerkrankungen wie COPD (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung; GOLD III-IV (= Schweregrade der COPD)), schweres Asthma bronchiale, interstitielle Lungenerkrankungen, pulmonale Hypertonie (Lungenhochdruck), Zustand nach Pneumothorax (kollabierte Lunge) oder größere thoraxchirurgische Eingriffe erfordern eine individuelle medizinische Bewertung, da sie das Risiko einer Hypoxie (Sauerstoffmangel) oder Gasausdehnung erhöhen [2, 3].
- Augen
- Nach bestimmten Augenoperationen wie einer Vitrektomie oder einer pneumatischen Retinopexie wird oft eine Gasblase ins Auge eingebracht, etwa bei Netzhautablösung oder Makulaloch. Diese Gasblase kann sich im Flugzeug stark ausdehnen und den Augeninnendruck gefährlich erhöhen. Solange sie noch vorhanden ist, gilt ein striktes Flugverbot.
- Blutbildende Organe/Immunsystem
- Relevante Zustände sind:
- schwere Anämie (Blutarmut) (Hb < 9-9,5 g/dl),
- Sichelzellenkrankheit (Risiko vaso-okklusiver Krisen bei Hypoxie/schmerzhafte Durchblutungsstörungen bei Sauerstoffmangel),
- Immunsuppression oder Immundefekte – ein erhöhtes Infektionsrisiko und mögliche Komplikationen durch Sauerstoffmangel müssen berücksichtigt werden [1].
- Relevante Zustände sind:
- Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten
- Hierzu gehören schlecht eingestellte Diabetes-mellitus-Erkrankungen, schwere Adipositas, erhebliche metabolische Entgleisungen oder Elektrolytstörungen.
- Infektiöse und parasitäre Erkrankungen
- Akut ansteckende Erkrankungen mit Fieber, Husten, Durchfall/Erbrechen oder Exanthemen schließen eine Flugreise grundsätzlich vorübergehend aus. Erst wenn keine Ansteckungsgefahr mehr besteht, ist die Flugtauglichkeit wieder gegeben [4].
- Herz-Kreislauf-System
- Relevante Erkrankungen sind koronare Herzkrankheit (KHK; Erkrankung der Herzkranzgefäße), Herzinsuffizienz (Herzschwäche), relevante Herzrhythmusstörungen und Klappenvitien (Herzklappenfehler).
- Unstabile Angina pectoris, dekompensierte Herzinsuffizienz oder hypertensive Entgleisungen sind Kontraindikationen.
- Eine individuelle kardiologische Einschätzung ist hier wesentlich [5].
- Nervensystem
- Flugreisen müssen geprüft werden bei:
- kürzlich erlittenem Apoplex (Schlaganfall)
- kürzlich aufgetretenen epileptischen Anfällen
- neuromuskulären Erkrankungen mit Atembeteiligung
- relevanten kognitiven Einschränkungen oder Delir (Verwirrtheitszustände)
- Flugreisen müssen geprüft werden bei:
- Ohren
- Akute Otitis media (Mittelohrentzündung), Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung), Tubenfunktionsstörungen und Operationen im HNO-Bereich erhöhen das Risiko schmerzhafter Barotraumata (Verletzung durch Druckunterschiede) durch Druckdifferenzen.
- Psychische und Verhaltensstörungen
- Akute Psychosen, schwere depressive Episoden, Substanzentzug oder Verhaltensauffälligkeiten können Sicherheitsrisiken im Flugzeug darstellen.
- Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett
- Most Airlines erlauben Flugreisen:
- bei Einlingsschwangerschaften bis 36. SSW,
- bei Mehrlingsschwangerschaften bis 32. SSW, häufig mit Attest ab 28. SSW. Komplizierte Schwangerschaften erfordern eine individuelle ärztliche Bewertung.
- Most Airlines erlauben Flugreisen:
- Neugeborene:
- In den ersten 7 Tagen besteht im Allgemeinen Fluguntauglichkeit; häufig wird empfohlen, Flüge erst ab 2-3 Monaten zu erwägen.
- Urogenitalsystem
- Zu berücksichtigen sind schwere Niereninsuffizienz (Nierenschwäche), Dialysepflicht, akute Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung) und Harntransportstörungen.
- Verdauungssystem
- Akute gastrointestinale Blutungen (Magen-Darm-Blutungen), schwere Entzündungen (z. B. Pankreatitis/Bauchspeicheldrüsenentzündung)), ausgeprägter Aszites (Bauchwassersucht) und Operationen mit Gasfüllungen bergen im Flug Risiken durch Druckveränderungen und eingeschränkte Mobilität.
- Zustand nach Operationen und Unfällen
- Größere operative Eingriffe (Thorax (Brustkorb), Abdomen (Bauch), Kopf), frische Traumata sowie gasgefüllte Körperhöhlen müssen zeitlich vor einer Flugreise ausreichend abgeheilt sein.
Besondere Konstellationen und übliche Wartezeiten
- Myokardinfarkt
- Unkomplizierter Verlauf: frühestens 7-10 Tage
- Komplizierter Verlauf: häufig 4-6 Wochen oder länger [5]
- Schlaganfall/TIA (transitorische ischämische Attacke) [8]
- nach TIA: frühestens nach 2 Tagen, wenn die Situation stabil ist und eine ärztliche Abklärung erfolgt ist.
- nach ischämischem Schlaganfall: in der Regel frühestens nach 10-14 Tagen, wenn der Zustand stabil oder rückläufig ist.
- nach intrazerebraler Blutung: meist erst nach 4-8 Wochen, da hier ein deutlich höheres Risiko für Komplikationen besteht.
- Pneumothorax/Thoraxchirurgie
- Aktiver Pneumothorax: absolute Kontraindikation
- Nach gesicherter radiologischer Ausheilung: frühestens 7-14 Tage [3]
- Postoperative Flugtauglichkeit
- Der Zeitraum hängt von der Art des Eingriffs ab. Häufig werden 7-10 Tage Wartezeit empfohlen, speziell bei abdominalen oder thorakalen Eingriffen oder Operationen mit gasgefüllten Körperhöhlen.
- Thrombose- und Embolierisiko
- Langstreckenflüge erhöhen das Risiko für venöse Thrombosen. Risikogruppen (z. B. frühere tiefe Venenthrombose/Lungenembolie, Thrombophilie (erhöhte Neigung zu Blutgerinnseln), Tumorerkrankungen, Schwangerschaft, Immobilität, Adipositas) sollten über:
- Kompressionsstrümpfe,
- regelmäßige Bewegung/Mobilisation,
- ausreichende Flüssigkeitszufuhr,
- ggf. medikamentöse Prophylaxe informiert werden [6].
- Langstreckenflüge erhöhen das Risiko für venöse Thrombosen. Risikogruppen (z. B. frühere tiefe Venenthrombose/Lungenembolie, Thrombophilie (erhöhte Neigung zu Blutgerinnseln), Tumorerkrankungen, Schwangerschaft, Immobilität, Adipositas) sollten über:
Organisation und Formalitäten vor der Flugreise
Anmeldung bei der Fluggesellschaft
Eine frühzeitige Kontaktaufnahme (meist mind. 48 Stunden vor Abflug) ist nötig für:
- kürzlich erlittenem Apoplex (Schlaganfall)
- schwere Verletzungen oder Verbrennungen
- Multiple Sklerose oder andere schwere neurologische Erkrankungen
- Myokardinfarkt (Herzinfarkt) in den letzten Wochen
- schwere psychische Erkrankungen
- Schädel-Hirn-Trauma
- spastische Lähmungen
- Nutzung spezieller Geräte, z. B.:
- Sauerstoffversorgung
- Beatmungsgeräte
- Infusionssysteme
- Brutkästen
- CPAP (Atemmaske mit konstantem Luftdruck), BiPAP (Atemmaske mit zwei unterschiedlichen Druckstufen)
Eine Krankenliege ist zu organisieren, wenn der Reisende nicht in einem Standardsitz sitzen kann [7].
Medizinische Formulare
MEDIF (Medical Information Form, IATA)
Erforderlich bei:
- Sauerstoffbedarf an Bord
- eingeschränkter Mobilität
- Krankenliegebedarf
- Risikoschwangerschaften
- vorangegangenen Krankenhausaufenthalten
- schweren psychischen Erkrankungen [7]
FREMEC (Frequent Traveller’s Medical Card)
Für chronisch erkrankte Vielflieger:
- erleichtert wiederholte Reisen
- ersetzt mehrfache MEDIF-Anforderungen
- wird durch die Airline ausgestellt
Reisende mit ansteckenden Infektionen
Personen mit akuten, übertragbaren Infektionen (z. B. Norovirus, Influenza (Grippe), Masern, Varizellen (Windpocken), Tuberkuloseverdacht) gelten als nicht flugtauglich, solange ein Infektionsrisiko besteht [4].
Körperfremde Gegenstände, Implantate und medizinische Hilfsmittel
Bei Herzschrittmachern, Gelenkprothesen, Cochlea-Implantaten (Hörimplantat), Ports, Insulinpumpen sowie medizinisch notwendigen Nadeln (z. B. Pens, Autoinjektoren) empfiehlt sich:
- ein ärztliches Attest
- Vorlage an der Sicherheitskontrolle
- ggf. Vorabinformation am Check-in [1]
Literatur
- Jelinek T: CRM Handbuch Reisemedizin 2024. CRM Centrum für Reisemedizin GmbH, Düsseldorf
- Coker RK et al.: BTS Clinical Statement on air travel for passengers with respiratory disease. Thorax. 2022 Apr;77(4):329-350. doi: 10.1136/thoraxjnl-2021-218110.
- British Thoracic Society: Air Travel. Clinical Statements. Quality Improvement.
- Löscher T, Burchard GD, Hörauf A (2025): Tropenmedizin – Reisemedizin, Globale Gesundheit. Stuttgart: Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH.
- Koh CH: Commercial Air Travel for Passengers With Cardiovascular Disease: Stressors of Flight and Aeromedical Impact. Curr Probl Cardiol. 2021 Mar;46(3):100746. doi: 10.1016/j.cpcardiol.2020.100746.
- Kahn SR, Lim W, Dunn AS, Cushman M, Dentali F, Akl EA et al. Prevention of VTE in nonsurgical patients – Antithrombotic Therapy and Prevention of Thrombosis, 9th ed: American College of Chest Physicians evidence-based clinical practice guidelines. Chest. 2012 Feb;141(2 Suppl):e195S-e226S. doi:10.1378/chest.11-2296.
- International Air Transport Association (IATA). Medical Manual for Aviation. IATA; 2024/2025.
- fly91: GUIDELINES FOR AIR TRAVEL MEDICAL CLEARANCE. Doc. No. FLY91/FS/MED/007. Issue: 01. Rev. 00. Date: 05 MAR 2024.