Blutbildende Organe – Immunsystem

Erkrankungen des Blutes, der blutbildenden Organe und des Immunsystems können die Flugreisetauglichkeit deutlich beeinflussen. Die Bedingungen im Flugzeug – geringerer Sauerstoffpartialdruck (entspricht einer Höhe von rund 2 400 m), trockene Luft, eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten sowie potenziell hohes Infektionsaufkommen – können bestehende hämatologische oder immunologische Störungen verschlechtern.

Besonders betroffen sind Personen mit Anämien, hämolytischen Erkrankungen, Sichelzellkrankheit, Thalassämien, Koagulopathien, schweren Immundefekten sowie Patienten mit hämato-onkologischen Erkrankungen unter aktiver Therapie. Internationale Empfehlungen (u. a. CAA) nennen hierbei insbesondere Hämoglobin-Grenzwerte, Thrombozytenzahlen, Infektstatus und Thromboserisiken als zentrale Entscheidungskriterien.

Flugreisetauglichkeit bei relevanten Erkrankungen des Blutes und des Immunsystems

Krankheit Passagier ist flugreisetauglich (Voraussetzungen, Zeiträume, Hinweise)
Anämie (Blutarmut) (alle Formen)
  • Hb ≥ 8,0-8,5 g/dl: meist flugreisetauglich bei stabiler Kompensation und ohne relevante Herz- oder Lungenerkrankung
  • Hb 7,5-8,0 g/dl: Einzelfallentscheidung; Langstrecken ggf. mit medizinischem Sauerstoff
  • Hb < 7,5 g/dl oder akute Blutungsanämie: nicht flugreisetauglich; erst Stabilisierung/Transfusion
  • Chronische Anämien können geringere Werte tolerieren; akute Anämie, koronare Herzkrankheit (KHK; Erkrankung der Herzkranzgefäße)), Herzinsuffizienz (Herzschwäche), Lungenkrankheiten → strengere Bewertung (meist flugfähig erst ≥ 9 g/dl)
Sichelzellkrankheit
  • Flug nur bei stabiler Krankheitsphase, ohne akute Krise, guter Hydrierung
  • Nach vaso-okklusiver Krise: frühestens nach 10 Tagen stabiler Phase
  • Häufig empfohlen: Sauerstoff an Bord, Kälteexposition vermeiden, viel trinken
  • Sichelzelltrait: in der Regel unproblematisch
  • Extremhöhen oder starke Komorbiditäten beachten
Andere hämolytische Anämien
  • Flug möglich bei Hb ≥ 8 g/dl, stabiler Hämolyse und ohne Organbeteiligung
  • Bei instabiler Hämolyse, Ikterus (Gelbsucht) oder hämolytischer Krise: Flug verschieben
Thalassämien (mittel-schwere, transfusionspflichtige Formen)
  • Flug möglich bei stabiler Situation, nach Transfusion meist Hb ≥ 8-9 g/dl, ohne kardiale Dekompensation oder akute Eisenüberladung
  • Nach Transfusion: 24 h warten
  • Bei instabiler Herzfunktion: nicht flugreisetauglich!
Polycythaemia vera/Myeloproliferative Neoplasien
  • Flugreisetauglich bei stabiler Erkrankung, Hämatokrit im Zielbereich (PV meist < 0,45), keine akute Thrombose
  • Langstrecke: Thromboserisiko ↑ → regelmäßige Bewegung, Flüssigkeit, Kompressionsstrümpfe; ggf. medikamentöse Prophylaxe
Aplastische Anämie/schwere Knochenmarkinsuffizienz
  • Flugtauglichkeit nur bei stabilem Blutbild, keiner schweren Infektion und guter klinischer Belastbarkeit
  • Bei schwerer Panzytopenie oder febriler Neutropenie: nicht flugreisetauglich!
Akute Leukämien unter Induktions- oder Konsolidierungstherapie
  • In der Regel nicht flugreisetauglich (Neutropenie, Blutungsrisiko, Infektrisiko)
  • Reisen erst bei stabiler Remission, ausreichendem Blutbild und fehlender Infektion
Chronische Leukämien, stabile Lymphome, Multiples Myelom
  • Flug möglich bei stabiler Lage, kein Fieber, keine schwere Anämie/Thrombozytopenie/Neutropenie
  • Unter Chemo-/Immuntherapie: Einzelfallbeurteilung
Thrombozytopenie/Koagulopathien (z. B. Hämophilie, von Willebrand-Syndrom)
  • Flug möglich bei stabiler Situation und Thrombozyten > 75 × 10⁹/l.
  • Unter 50 × 10⁹/l: erhöhtes Blutungsrisiko – elektive Flüge vermeiden
  • Hämophilie (angeborene Blutgerinnungsstörung): Faktorersatz planen, Notfallmedikamente mitführen
Thrombophilien/frühere venöse Thromboembolien
  • Stabile Thrombophilie (erhöhte Neigung zu Blutgerinnseln): flugreisetauglich. Langstrecke (> 4-6 h): Bewegung, Flüssigkeit, Kompressionsstrümpfe; ggf. medikamentöse Prophylaxe
  • Nach akuter Thrombose/Embolie: Flug erst nach Stabilisierung und ärztlicher Freigabe
Primäre/sekundäre Immundefekte (inkl. post-Chemo/Immuntherapie)
  • Flug möglich bei klinischer Stabilität, kein Fieber, stabile Organfunktion und ausreichender medizinischer Versorgung am Zielort
  • Bei schwerer Neutropenie oder kurz nach Stammzelltransplantation: nicht flugreisetauglich!
Asplenie (Körper hat keine funktionierende Milz; funktionell oder anatomisch)
  • Flug selbst meist unproblematisch
  • Hauptproblem: Risiko für fulminante bakterielle Infektionen → notwendiger Impfstatus (Pneumokokken, Meningokokken, Hib) + Notfallantibiotikum
  • Reiseziele mit schlechter medizinischer Versorgung kritisch prüfen

Erkrankungen mit nur geringer Relevanz für die Flugreisetauglichkeit

  • IgA-Mangel ohne Infektneigung
  • leichte Hypogammaglobulinämien
  • Mastzellaktivierungsstörungen (ohne schwere Anaphylaxie-Historie)
  • Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz
  • Indolente Lymphome (langsam wachsendes, wenig aggressives Lymphom, das oft lange keine Schmerzen macht) ohne Blutbildveränderungen

Diese Diagnosen führen nicht eigenständig zu flugmedizinischen Einschränkungen, weil:

  • keine relevante Hypoxie-Empfindlichkeit (Empfindlichkeit gegenüber Sauerstoffmangel)
  • kein eigenständiges Thrombose- oder Blutungsrisiko
  • kein erhöhtes Risiko durch Kabinenhöhe

Relevanz entsteht nur, wenn sekundäre Probleme wie Infektanfälligkeit, Anämie oder Thrombozytopenie hinzukommen.