Beurteilung der Flugreisetauglichkeit – Medizinische Kriterien und Risikoeinschätzung

Die Beurteilung der Flugreisetauglichkeit ist ein wesentlicher Bestandteil der reisemedizinischen Beratung, insbesondere bei Patienten mit chronischen Erkrankungen oder nach operativen Eingriffen. Sie dient der Abschätzung, ob die physiologischen Veränderungen während eines Fluges – insbesondere reduzierter Kabinendruck, verminderter Sauerstoffpartialdruck, verringerte Luftfeuchtigkeit und eingeschränkte Bewegungsfreiheit – gesundheitliche Risiken darstellen können.

Die Beurteilung sollte individuell erfolgen und sowohl den aktuellen Gesundheitszustand als auch Art, Dauer und Ziel der geplanten Reise berücksichtigen. In vielen Fällen ist eine ärztliche Tauglichkeitsbescheinigung erforderlich, insbesondere bei schwerwiegenden internistischen, neurologischen, pulmonalen oder chirurgischen Grunderkrankungen.

Der Themenkomplex Beurteilung der Flugreisetauglichkeit innerhalb der reisemedizinischen Checklisten umfasst die wichtigsten Organsysteme und klinischen Situationen, die für die Flugtauglichkeit relevant sind. Die nachfolgenden Unterartikel geben differenzierte Empfehlungen für die ärztliche Beurteilung und Dokumentation:

Atmungssystem

Im Beitrag Atmungssystem werden flugassoziierte Belastungen bei pulmonalen Erkrankungen (z. B. chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, Lungenfibrose, Asthma bronchiale) erläutert.
Der reduzierte Sauerstoffpartialdruck in der Flugkabine kann zu Hypoxie (Sauerstoffmangel) führen, insbesondere bei eingeschränkter Lungenfunktion.
Empfohlen werden präflugtaugliche Untersuchungen, ggf. ein Hypoxietest sowie die Bereitstellung von Sauerstoffkonzentratoren oder Druckgasflaschen nach Absprache mit der Fluggesellschaft.

Augen und Augenanhangsgebilde

Der Artikel Augen und Augenanhangsgebilde behandelt die Auswirkungen von Kabinendruckschwankungen und Lufttrockenheit auf die Augen.
Nach intraokularen Operationen (z. B. Katarakt- oder Glaskörperchirurgie) besteht ein erhöhtes Risiko für Druckveränderungen im Auge, weshalb Flugreisen erst nach ärztlicher Freigabe erfolgen sollten.
Zur Linderung der Trockenheit werden Tränenersatzmittel (künstliche Tränen) und ausreichende Flüssigkeitszufuhr empfohlen.

Blutbildende Organe – Immunsystem

Der Beitrag Blutbildende Organe – Immunsystem befasst sich mit hämatologischen Erkrankungen (z. B. Anämie, Thalassämie, Sichelzellanämie) und Immundefekten.
Hypoxie und Dehydratation können die Symptomatik verstärken, während die Kabinenumgebung das Infektionsrisiko erhöht.
Reisende mit immunsuppressiver Therapie oder schwerer Neutropenie sollten nur nach individueller Risikoabwägung fliegen; eine Grippe- und Pneumokokkenimpfung wird empfohlen.

Infektiöse und parasitäre Krankheiten

Im Beitrag Infektiöse und parasitäre Krankheiten werden Risiken der Krankheitsübertragung an Bord sowie flugassoziierte Einschränkungen bei systemischen Infektionen dargestellt.
Reisende mit Fieber oder ansteckenden Erkrankungen (z. B. Tuberkulose, Influenza, Masern, COVID-19) dürfen grundsätzlich nicht fliegen.
Nach tropischen Infektionen mit potenzieller Virämie (z. B. Malaria, Dengue, Zika) sollte der Flug erst nach vollständiger Genesung angetreten werden.

Kreislaufsystem

Der Artikel Kreislaufsystem beschreibt die Auswirkungen der Hypobarie (niedriger Umgebungsdruck) und Immobilität auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Patienten mit koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen oder frisch implantiertem Herzschrittmacher benötigen eine individuelle Tauglichkeitsprüfung.
Empfohlen werden die Mitnahme aktueller Befunde, regelmäßige Bewegung im Flugzeug, Flüssigkeitszufuhr und ggf. Kompressionsstrümpfe.

Ohren – Warzenfortsatz

Im Beitrag Ohren – Warzenfortsatz wird die Druckregulation im Mittelohr während Start und Landung thematisiert.
Nach Mittelohrentzündung, Mastoiditis oder Operationen am Ohr (z. B. Tympanoplastik) kann der Druckausgleich eingeschränkt sein.
Flugreisen sind erst nach vollständiger Heilung und ärztlicher Beurteilung empfohlen. Nasentropfen vor Start und Landung können den Druckausgleich unterstützen.

Nervensystem

Der Artikel Nervensystem behandelt neurologische Erkrankungen (z. B. Epilepsie, Schlaganfall, Migräne, Multiple Sklerose), die Einfluss auf die Flugtauglichkeit haben können.
Patienten nach akutem Schlaganfall sollten mindestens 10-14 Tage nicht fliegen.
Bei Epilepsie ist auf regelmäßige Medikamenteneinnahme und ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten.
Nach neurochirurgischen Eingriffen wird ein Flugverbot von mindestens 4 Wochen empfohlen.

Psychische und Verhaltensstörungen

Im Beitrag Psychische und Verhaltensstörungen wird auf die besondere Bedeutung psychischer Stabilität für Flugreisen hingewiesen.
Angststörungen, Panikattacken, depressive Episoden oder Psychosen können durch Stress, Enge und Zeitverschiebung verstärkt werden.
Eine gute medikamentöse Einstellung und gegebenenfalls Begleitung sind empfehlenswert. In akuten Krankheitsphasen oder bei Suizidalität ist vom Fliegen abzuraten.

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett

Der Artikel Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett beschreibt die flugmedizinische Einschätzung während der Schwangerschaft und im postpartalen Zeitraum.
Bis zur 36. Schwangerschaftswoche gelten Flugreisen als weitgehend unbedenklich, sofern keine geburtshilflichen Risiken vorliegen.
Nach der Geburt sollte ein Zeitraum von mindestens 10 Tagen bis zum nächsten Flug eingehalten werden.
Bei Risikoschwangerschaften (z. B. Präeklampsie, Mehrlingsschwangerschaft) wird eine flugärztliche Beurteilung empfohlen.

Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen

Im Beitrag Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen werden reisemedizinische Empfehlungen nach akuten Traumata, Frakturen oder Vergiftungen gegeben.
Nach chirurgischen Eingriffen mit Gasfüllung (z. B. Pneumoperitoneum) besteht eine absolute Flugkontraindikation bis zur vollständigen Resorption der Gase.
Patienten mit Gipsverbänden, Drainagen oder offenen Wunden sollten erst nach ärztlicher Kontrolle reisen.

Operationen

Der Artikel Operationen fasst allgemeine Empfehlungen zum postoperativen Flugverhalten zusammen.
Abhängig vom Eingriff gilt eine Wartezeit von mindestens 24 h (nach minimalinvasiven Eingriffen) bis zu mehreren Wochen bei thorakalen, abdominalen oder neurochirurgischen Operationen.
Zur Beurteilung werden die Wundheilung, Schmerzfreiheit, Mobilität und das Risiko gasbedingter Komplikationen berücksichtigt.

Fazit

Der Themenkomplex Beurteilung der Flugreisetauglichkeit stellt die medizinische Grundlage jeder reisemedizinischen Flugberatung dar.
Von der Bewertung einzelner Organsysteme – Atmungssystem, Augen und Augenanhangsgebilde, blutbildende Organe – Immunsystem, infektiöse und parasitäre Krankheiten, Kreislaufsystem, Ohren – Warzenfortsatz, Nervensystem und psychische und Verhaltensstörungen – bis zu speziellen Situationen wie Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, Verletzungen, Vergiftungen und bestimmten anderen Folgen äußerer Ursachen sowie Operationen, werden alle relevanten medizinischen Aspekte abgedeckt.

Die standardisierte Beurteilung der Flugreisetauglichkeit dient der Risikominimierung und gewährleistet eine sichere Beförderung chronisch kranker, rekonvaleszenter oder besonders vulnerabler Patienten nach internationalen luftfahrtmedizinischen Standards.