Atmungssystem
Nachfolgend werden unter "Atmungssystem" Krankheiten beschrieben, die gemäß ICD-10 dieser Kategorie zuzuordnen sind (J00-J99). Der ICD-10 dient der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten sowie verwandter Gesundheitsprobleme (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) und ist weltweit anerkannt.
Das Atmungssystem
Jede einzelne Zelle des Körpers benötigt für ihre Funktionen Sauerstoff. Da der Mensch Sauerstoff nicht speichern kann, muss er Tag und Nacht atmen. Die wesentlichen Aufgaben des Atmungssystems (respiratorisches System) sind der Austausch von Sauerstoff (O2) und Kohlendioxid (CO2).
Anatomie
Zum Atmungssystem gehören die Atemwege, die in obere und untere Atemwege unterteilt werden, sowie die Lunge und die Atemmuskulatur.
- Oberer Respirationstrakt (obere Atemwege): Mund- und Nasenhöhle, Nasennebenhöhlen, Pharynx (Rachen)
- Unterer Respirationstrakt (untere Atemwege): Larynx (Kehlkopf), Trachea (Luftröhre), Bronchien, Bronchiolen (feinste Verästelungen der Bronchien), Alveolen (Lungenbläschen)
Physiologie
Es wird zwischen einer äußeren und einer inneren Atmung unterschieden.
Äußere Atmung – Lungenatmung (Gasaustausch in der Lunge):
- Bei der Inspiration (Einatmen) gelangt Sauerstoff in die Lunge, wird an das Blut abgegeben und zu den Körperzellen transportiert, die den Sauerstoff verbrauchen. Dabei entsteht Kohlendioxid, das zurück zur Lunge befördert wird, um über die Exspiration (Ausatmen) nach außen abgegeben zu werden.
- Der Gasaustausch findet in den Alveolen (Lungenbläschen) statt.
Innere Atmung – Zellatmung (Austausch zwischen Blut und Zellen):
- Die Körperzellen nehmen den Sauerstoff auf und verbrennen ihn im Rahmen der Metabolisierung (Verstoffwechselung) der Nährstoffe zu ATP (Adenosintriphosphat), dem wichtigsten Energieträger des Organismus. Als Endprodukt des Stoffwechsels der Körperzellen entsteht Kohlendioxid, das in das Blut abgegeben und zur Lunge zurückbefördert wird.
Die wichtigsten Risikofaktoren für Erkrankungen des Atmungssystems
Verhaltensbedingte Risikofaktoren
Ernährung
- Mikronährstoffmangel – Eine unzureichende Versorgung mit Vitamin A, C, E sowie Zink und Selen schwächt das Immunsystem der Schleimhäute, erhöht die Anfälligkeit für Atemwegsinfekte (Infektionen der Atemwege) und verzögert die Heilung bei chronischen Atemwegserkrankungen.
- Antioxidativ arme Ernährung (ernährungsbedingter Mangel an Zellschutzstoffen) – Eine Ernährung mit hohem Anteil an industriell verarbeiteten Lebensmitteln reduziert die antioxidative Kapazität (zellschützende Fähigkeit) des Lungengewebes und fördert entzündliche Prozesse.
Genussmittelkonsum
- Rauchen (Tabakkonsum) – Zentrale Ursache für chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (dauerhafte Verengung der Atemwege), Bronchialkarzinome (Lungenkrebs) und chronische Bronchitis (dauerhafte Entzündung der Bronchien). Schädigt direkt das Flimmerepithel (Flimmerhärchen der Atemwege) und verursacht strukturelle Umbauprozesse im Bronchialsystem (Atemwege der Lunge).
- Passivrauchen (Mitrauchen) – Erhöht das Risiko für Infekte der oberen Atemwege, Asthma bronchiale (chronische Atemwegserkrankung), Lungenfunktionsstörungen und Bronchialkarzinome (Lungenkrebs) bei langfristiger Exposition.
- Alkoholkonsum (Trinken alkoholischer Getränke) – Beeinträchtigt die mukoziliäre Clearance (Selbstreinigung der Atemwege) und erhöht die Infektanfälligkeit durch eine geschwächte Immunabwehr, besonders bei chronischem Konsum.
Körperliche Aktivität
- Körperliche Inaktivität (Bewegungsmangel) – Reduziert die Atemmuskelkraft, fördert eine flache Atmung und begünstigt die Entwicklung restriktiver Ventilationsstörungen (verminderte Lungenbeweglichkeit) bei immobilen Patienten.
- Überanstrengung bei Belastungsasthma (Asthma durch körperliche Belastung) – Kann bei nicht ausreichend kontrolliertem Asthma bronchiale (chronische Atemwegserkrankung) akute Bronchospasmen (Verkrampfungen der Bronchien) auslösen.
Psycho-soziale Situation
- Chronischer Stress (anhaltende seelische Belastung) – Führt zu einer erhöhten Ausschüttung von Cortisol und Adrenalin, was entzündliche Reaktionen verstärken und immunologische Reaktionen in den Atemwegen dysregulieren kann (z. B. Asthmaexazerbation [Asthmaanfall]).
- Depression und Angststörungen (seelische Erkrankungen) – Erhöhen nachweislich die Inzidenz und Schwere von Atemwegserkrankungen durch reduziertes Gesundheitsverhalten (z. B. inadäquates Inhalationsverhalten).
Schlafqualität
- Schlafmangel (zu wenig Schlaf) – Reduziert die Immunkompetenz (Abwehrkraft) des mukosalen Systems (Schleimhautabwehr) und begünstigt respiratorische Infekte (Atemwegsinfektionen).
- Obstruktives Schlafapnoesyndrom (nächtliche Atemaussetzer durch Verlegung der Atemwege) – Chronische Hypoxie (Sauerstoffmangel) und Hyperkapnie (erhöhter CO₂-Gehalt im Blut) können pulmonale Hypertonie (Lungenhochdruck) und Herzbelastung verursachen.
Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
- Abdominelle Adipositas (Bauchbetontes Übergewicht) – Führt zum Zwerchfellhochstand (Hochstand des Atemmuskels), restriktiver Ventilationsstörung (eingeschränkte Lungenfunktion) und Schlafapnoesyndrom (Atemaussetzer im Schlaf) mit konsekutiver Hypoxie (Sauerstoffmangel).
- Metabolisches Syndrom (Stoffwechselstörung mit Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und Insulinresistenz) – Systemische Inflammation (körperweite Entzündung) bei Adipositas erhöht das Risiko für chronische Bronchitiden (dauerhafte Bronchienentzündungen) und asthmatische Reaktionen.
Krankheitsbedingte Risikofaktoren
Allergische Erkrankungen
- Allergisches Asthma bronchiale (Asthma durch allergische Reize) – Typ-I-Sensibilisierung (sofortige Immunreaktion) gegenüber Allergenen wie Hausstaubmilben, Pollen oder Tierhaaren führt zu bronchialer Hyperreagibilität (übersteigerte Reaktion der Atemwege).
- Allergische Rhinitis (Heuschnupfen) – Kann durch nasale Obstruktion (verstopfte Nase) und postnasalen Sekretfluss (Rückfluss von Schleim in den Rachen) bronchiale Symptome verstärken.
Chronische Infektionserkrankungen
-
Tuberkulose, chronische Bronchitiden, rezidivierende Atemwegsinfektionen (wiederkehrende Infekte) – Hinterlassen strukturelle Schäden und chronische Entzündungsreaktionen im Bronchialsystem (Atemwegssystem).
Autoimmunerkrankungen
-
Sarkoidose, Granulomatose mit Polyangiitis, systemischer Lupus erythematodes – Manifestation im respiratorischen System (Atmungssystem) mit granulomatöser oder fibrosierender Beteiligung der Lunge.
Endokrine Störungen
- Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) – Kann zu hypoventilatorischen Zuständen (verlangsamte Atmung) und vermehrtem Schleimsekret führen.
- Morbus Cushing (Überfunktion der Nebennierenrinde) – Glukokortikoidüberschuss erhöht die Infektanfälligkeit der Atemwege.
Umweltbedingte Risikofaktoren
Feinstaubbelastung
-
PM2,5 und PM10-Partikel (feine Schwebstoffe in der Luft) – Dringen tief in die Alveolen (Lungenbläschen) ein, fördern oxidative Stressreaktionen (zellschädigender Stress), Entzündungsprozesse und sind mit einer erhöhten Inzidenz für COPD (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung), Asthma und Bronchialkarzinome (Lungenkrebs) assoziiert.
Aeroallergene und Reizstoffe
- Spraydämpfe (Aerosole aus Sprühflaschen) – Inhalative Reizwirkung durch z. B. Desinfektionsmittel, Haarsprays oder Reinigungsprodukte; können bronchiale Hyperreagibilität (überempfindliche Bronchien) verstärken.
- Lösungsmittel, Lacke, Farb- und Klebstoffe – Entfalten toxische Wirkung auf das respiratorische Epithel (Schleimhaut der Atemwege), potenzieren das Risiko für arbeitsbedingte Atemwegserkrankungen (z. B. Berufsasthma).
- Starke Gerüche (intensive chemische Düfte) – Aktivieren sensomotorische Reflexe (Reflexe der Atemwege), können Hustenreiz, Dyspnoe (Atemnot) und Bronchospasmen (Verkrampfungen der Bronchien) auslösen.
Ungesundes Raumklima
- Trockene Luft, Schimmelsporen, Hausstaubbelastung – Fördern chronische Schleimhautirritationen (Reizungen der Atemwege), respiratorische Infekte (Atemwegsinfektionen) und allergische Reaktionen.
- Mangelnde Luftzirkulation (schlechte Belüftung) – Erhöht die Konzentration inhalativer Schadstoffe und Pathogene (Krankheitserreger) in Innenräumen.
Intoxikationen
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Berufliche oder akzidentelle Exposition gegenüber toxischen Gasen (z. B. Chlor, Ammoniak, Schwefeldioxid) – Kann akute chemische Pneumonitis (Lungenentzündung durch Giftstoffe) oder Bronchiolitis obliterans (Entzündung kleiner Atemwege mit Narbenbildung) verursachen.
Unverträglichkeiten
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Nicht-allergische Hyperreagibilität (überempfindliche Atemwege ohne Allergie) – Löst bronchiale Symptome aus, ohne dass IgE-vermittelte Mechanismen (klassische Allergieprozesse) vorliegen.
Häufige Erkrankungen des Atmungssystems
Erkrankungen der Atemwege sind häufige Anlässe für den Besuch einer Arztpraxis. Man unterscheidet zwischen Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege sowie zwischen akuten und chronischen Erkrankungen. Akute Atemwegserkrankungen sind in der Regel harmlos und gut zu behandeln. Chronische Atemwegserkrankungen wie Asthma oder die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zählen mittlerweile zu den Volkskrankheiten in Deutschland.
Zu den häufigsten Erkrankungen des Atmungssystems zählen:
- Asthma bronchiale
- Bronchitis – akute und chronische
- Bronchialkarzinom (Lungenkrebs)
- Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
- Grippe (Influenza)
- Grippaler Infekt (Erkältung)
- Laryngitis (Kehlkopfentzündung)
- Lungenemphysem (Lungenüberblähung)
- Mukoviszidose
- Nasenpolypen
- Pneumonie (Lungenentzündung)
- Rhinitis (Schnupfen) – akute und chronische
- Schlafapnoe (Atemaussetzer während des Schlafes) – Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, Zentrales Schlafapnoe-Syndrom
- Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung) – akute und chronische
Die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen für Erkrankungen des Atmungssystems
Labordiagnostik
- Blutgasanalyse (BGA) – Beurteilung der arteriellen Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdrücke (pO₂, pCO₂), des pH-Werts sowie der Bicarbonatkonzentration zur Bewertung der respiratorischen Funktion (Lungenfunktion).
- Entzündungsparameter – C-reaktives Protein (CRP), Leukozytenzahl, Procalcitonin zur Differenzierung bakterieller versus viraler Infektionen (Unterscheidung zwischen Bakterien- und Virusinfektionen).
- Differenzierung eosinophiler vs. neutrophiler Atemwegserkrankungen – Differentialblutbild (Untersuchung der weißen Blutkörperchen) zur Erkennung von Asthma bronchiale oder chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).
- Infektionsserologie und Erregerdiagnostik – PCR oder Antigennachweis für respiratorische Viren (z. B. Influenza, RSV, SARS-CoV-2), Sputumkultur (Untersuchung des abgehusteten Schleims) bei Verdacht auf bakterielle Bronchitis oder Lungenentzündung.
- Autoantikörper – Nachweis bei Verdacht auf interstitielle Lungenerkrankungen (Lungenerkrankungen mit Beteiligung des Bindegewebes) mit immunologischer Genese.
- Allergiediagnostik (RAST, IgE) – bei Verdacht auf allergisches Asthma bronchiale oder allergische Alveolitis (allergisch bedingte Lungenentzündung).
Medizingerätediagnostik
- Spirometrie (Lungenfunktionsprüfung) – Standardverfahren zur Messung statischer und dynamischer Lungenvolumina (z. B. FEV₁, VC, FEV₁/VC-Ratio) bei Verdacht auf verengte oder eingeschränkte Atemwege.
- Spiroergometrie (Belastungstest der Lunge) – kombinierte Spiroergometrie zur Beurteilung der Lungen-, Herz- und Muskelbelastbarkeit unter körperlicher Aktivität.
- Bodyplethysmographie (große Lungenfunktion) – differenzierte Lungenfunktionsdiagnostik zur Bestimmung von Luftmengen und Atemwegswiderständen.
- Pulsoxymetrie (Sauerstoffmessung am Finger) – nichtinvasive Messung der arteriellen Sauerstoffsättigung (SpO₂) und Pulsfrequenz, v. a. zur Überwachung.
- Bronchoskopie (Lungenspiegelung) – endoskopische Untersuchung der Luftröhre und Bronchien mit Möglichkeit zur Gewebeentnahme oder Entfernung von Fremdkörpern.
- Lungensonographie (Lungenultraschall) – Ultraschallgestützte Darstellung von Flüssigkeitsansammlungen, Luftansammlungen oder entzündlichen Veränderungen in der Lunge.
- Röntgen-Thorax (Röntgenaufnahme des Brustkorbs) – bildgebende Basisuntersuchung zur Darstellung von Entzündungen, Wasseransammlungen oder Raumforderungen.
- Computertomographie (CT) des Thorax (Schichtröntgen des Brustkorbs) – hochauflösende Darstellung der Lunge, des Brustfells und der Mittelfellorgane bei unklaren Befunden oder Tumorverdacht.
- Magnetresonanztomographie (MRT) des Thorax (Kernspintomographie des Brustkorbs) – ergänzende bildgebende Diagnostik ohne Röntgenstrahlung zur Darstellung von Gefäßen und Gewebeveränderungen.
Welcher Arzt hilft Ihnen?
Der Verdacht auf eine Erkrankung der Atemwege wird in der Regel durch den Hausarzt (Allgemeinmediziner oder Internist) gestellt. Bei akuten Infektionen ist der Hausarzt oder – bei Beteiligung der oberen Atemwege – auch der HNO-Arzt zuständig.
Bei chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale, chronischer Bronchitis, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), Bronchialkarzinom oder Lungenemphysem erfolgt die weiterführende Betreuung durch den Facharzt für Pneumologie (Lungen- und Bronchialheilkunde).