Darmflora-Analyse (Mikrobiomanalyse)

Die Darmflora-Analyse (Mikrobiomanalyse des Darms) dient der diagnostischen Erfassung der mikrobiellen Zusammensetzung (Zusammensetzung der Mikroorganismen) des menschlichen Intestinaltrakts (Darms). Die intestinale Mikrobiota (Darmflora) besteht aus über 400 verschiedenen Mikroorganismenarten – vorwiegend Bakterien, ergänzt durch Archaeen (Urbakterien), Viren, Pilze und Protozoen (Einzeller). Sie kolonisieren vorrangig das Kolon (Dickdarm) und übernehmen essenzielle Aufgaben für die Verdauung, Immunregulation (Regulierung des Immunsystems) sowie für die strukturelle und funktionelle Integrität der Darmschleimhaut (Darmschleimhaut).

Ein intaktes mikrobielles Gleichgewicht (Symbiose – ausgewogenes Zusammenleben) trägt wesentlich zur Gesundheit des Wirtsorganismus (Körpers) bei. Störungen in der Zusammensetzung oder Funktion dieser Mikrobiota – bezeichnet als Dysbiose (Ungleichgewicht der Darmflora) – werden mit einer Vielzahl funktioneller Störungen und entzündlicher Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts in Verbindung gebracht, darunter das Reizdarmsyndrom sowie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.

Funktionen der intestinalen Mikrobiota

  • Kolonisationsresistenz (Schutz vor krankmachenden Keimen)
    • Verdrängung pathogener Mikroorganismen (krankmachender Keime) durch Konkurrenz um Nährstoffe und Adhäsionsstellen (Andockstellen)
    • Produktion antimikrobieller Substanzen (zum Beispiel Bakteriozine – bakterienhemmende Eiweiße)
  • Immunmodulation (Beeinflussung der Immunabwehr)
    • Ausbildung und Prägung des mukosalen Immunsystems (Schleimhautabwehr)
    • Induktion oraler Toleranz gegenüber kommensalen Keimen und Nahrungseiweißen (Vermeidung übermäßiger Abwehrreaktionen)
  • Stoffwechselaktive Prozesse
    • Fermentation unverdaulicher Kohlenhydrate zu kurzkettigen Fettsäuren (zum Beispiel Butyrat – kurzkettige Fettsäure) mit trophischem Effekt auf Kolonozyten (Zellen der Dickdarmschleimhaut)
    • Förderung der Darmmotilität (Beweglichkeit des Darms) über bakterielle Metabolite (Stoffwechselprodukte)
    • Modulation der Entgiftung xenobiotischer Substanzen (körperfremder Stoffe)
  • Vitaminproduktion
    • Vitamin K durch Escherichia coli
    • Folsäure, Vitamin B3 und B5 durch Clostridienarten
    • Vitamin B12 durch bestimmte Laktobazillenstämme
      (Die endogene Synthese deckt jedoch nur einen geringen Teil des Tagesbedarfs.)

Folgen einer mikrobiellen Dysbiose

Lokale Symptome

  • Meteorismus (Blähungen)
  • Diarrhoe (Durchfall)
  • Obstipation (Verstopfung)
  • Abdominelle Schmerzen (Bauchschmerzen)
  • Völlegefühl

Systemische und extragastrointestinale Manifestationen

  • Chronische Müdigkeit, Leistungsminderung
  • Allergien (zum Beispiel allergische Rhinitis – Heuschnupfen)
  • Atopische Dermatitis (Neurodermitis – chronische Hautentzündung)
  • Rezidivierender Candida-Befall (wiederholter Pilzbefall, meist durch Candida albicans)

Indikationen (Anwendungsgebiete) 

  • Chronisch-rezidivierende gastrointestinale Beschwerden unklarer Genese (wiederkehrende Verdauungsprobleme unbekannter Ursache)
  • Reizdarmsyndrom (funktionelle Darmerkrankung) mit Verdacht auf funktionelle Dysbiose
  • Morbus Crohn und Colitis ulcerosa (chronisch-entzündliche Darmerkrankungen) – insbesondere zur ergänzenden Verlaufsdiagnostik
  • Rezidivierende bakterielle Infektionen nach Antibiotikatherapie
  • Systemische Erkrankungen mit vermuteter Darmbeteiligung (zum Beispiel atopisches Ekzem, Nahrungsmittelunverträglichkeit)
  • Diagnostische Abklärung vor mikrobiologischer oder probiotischer Therapie

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Keine absoluten Kontraindikationen
  • Relative Einschränkung bei akuten gastrointestinalen Infekten mit stark verändertem Stuhlbild (zum Beispiel blutiger oder wässriger Durchfall; Wiederholung empfohlen)

Das Verfahren (Anwendung und Durchführung)

Die Darmflora-Analyse erfolgt heute vorrangig durch molekulargenetische Methoden (Untersuchung der Erbinformationen von Mikroorganismen):

  • 16S-rRNA-Gensequenzierung – Identifikation bakterieller Gattungen anhand stabiler Ribosomen-Genabschnitte
  • Next Generation Sequencing (NGS – moderne Hochdurchsatz-Sequenzierung) – umfassende Analyse der bakteriellen DNA im Stuhl
  • Quantitative PCR (qPCR – gezielte Genanalyse) – zum Nachweis pathogener Marker (zum Beispiel Clostridium difficile-Toxin, eaeA-Gen)

Nachweisbare Gruppen

  • Physiologische Darmbewohner (normale, nützliche Darmbakterien)
    • Bifidobakterien
    • Laktobazillen
    • Bacteroides spp.
    • Clostridien (nicht toxinbildend)
    • Escherichia coli (nicht krankmachende Stämme)
  • Potentiell pathogene Keime (krankmachende Mikroorganismen)
    • Staphylococcus aureus
    • Streptococcus pyogenes
    • Pseudomonas aeruginosa
    • Clostridium difficile (einschließlich Toxin A/B)
  • Enteropathogene Erreger (Durchfallerreger)
    • Salmonella spp.
    • Shigella spp.
    • Campylobacter spp.
    • Yersinia enterocolitica
  • Mykologische Erreger (Darmpilze)
    • Candida albicans
    • Weitere Sprosspilze
  • Molekulare Marker (genetische Nachweismerkmale)
    • Nachweis des eaeA-Gens (assoziiert mit enteropathogenen Escherichia coli; mögliche Rolle bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen)

Klinische Relevanz der Mikrobiomanalyse

Die Analyse des intestinalen Mikrobioms ermöglicht eine differenzierte Erfassung quantitativer und qualitativer Veränderungen der Darmflora. Sie trägt zur pathophysiologischen Einordnung gastrointestinaler Beschwerden bei und dient als Grundlage für therapeutische Strategien.

  • Differenzierung zwischen physiologischer Besiedlung, Dysbiose und pathogener Fehlbesiedlung
  • Identifikation mikrobieller Muster, die mit funktionellen Darmerkrankungen oder chronisch-entzündlichen Erkrankungen assoziiert sind
  • Entscheidungsgrundlage für gezielte mikrobiologische Therapien
  • Verlaufsbeurteilung bei chronisch-entzündlichen Prozessen
  • Relevanz auch bei extragastrointestinalen Beschwerden mit möglichem Darmbezug

Weiterführende Therapieoptionen

Je nach Befundkonstellation ergeben sich unterschiedliche therapeutische Konsequenzen:

  • Probiotikatherapie mit ausgewählten Bakterienstämmen (zum Beispiel Lactobacillus rhamnosus GG, Saccharomyces boulardii)
  • Präbiotikagabe (zum Beispiel Inulin, Oligofruktose) zur Förderung nützlicher Bakterien
  • Gezielte Ernährungstherapie (zum Beispiel FODMAP-Diät, ballaststoffreiche Kost)
  • Antibiotikatherapie bei nachgewiesenen pathogenen Keimen (zum Beispiel Metronidazol bei Clostridium difficile)
  • Mykotherapie bei Candida-Überwucherung (zum Beispiel Nystatin)

Literatur

  1. Peterson DA, Frank DN, Pace NR, Gordon JI: Metagenomic approaches for defining the pathogenesis of inflammatory bowel diseases. Cell Host Microbe. 2008;3(6):417-427. https://doi.org/10.1016/j.chom.2008.05.001
  2. Thursby E, Juge N: Introduction to the human gut microbiota. Biochem J. 2017;474(11):1823-1836. https://doi.org/10.1042/BCJ20160510