Bilirubin

Bilirubin ist das Hauptabbauprodukt des Häm-Anteils aus Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) und anderen Hämoproteinen (Eiweiße mit Häm-Anteil) und entsteht im Rahmen des physiologischen Erythrozytenabbaus (Abbau roter Blutkörperchen) im retikuloendothelialen System (Teil des Immunsystems und der Blutmauserung). Klinisch dient die Bilirubinbestimmung der Diagnose, Differenzierung und Verlaufskontrolle von Ikterus (Gelbsucht) sowie der Erkennung prähepatischer (vor der Leber), intrahepatischer (in der Leber) und posthepatischer (nach der Leber) Funktionsstörungen.

Physiologie und Bilirubinfraktionen

  • Indirektes (unkonjugiertes) Bilirubin entsteht außerhalb der Leber bei der Hämolyse (Zerfall roter Blutkörperchen), ist lipophil (fettlöslich) und wird albumingebunden (an ein Transporteiweiß gebunden) zur Leber transportiert.
  • In der Leber erfolgt durch die UDP-Glucuronyltransferase (lebereigenes Enzym) die Glucuronidierung (chemische Umwandlung in eine wasserlösliche Form) zu direktem (konjugiertem) Bilirubin, das wasserlöslich ist.
  • Über die Galle gelangt es in den Darm und wird dort zu Urobilinogen und Sterkobilin umgewandelt. Ein Teil wird rückresorbiert (wieder aufgenommen) und über die Niere ausgeschieden (verantwortlich für die gelbliche Urinfarbe), der andere über den Stuhl (Kot).

Das Verfahren

Synonyme

  • Bilirubin total = Gesamtbilirubin
  • Direktes Bilirubin = konjugiertes Bilirubin
  • Indirektes Bilirubin = unkonjugiertes Bilirubin

Benötigtes Material

  • Blutserum

Hinweis: Bei längerer Lagerung oder Transport: Probe zentrifugieren und lichtgeschützt aufbewahren.

Vorbereitung des Patienten

  • Keine spezielle Vorbereitung erforderlich

Störfaktoren

  • Licht – Bilirubin ist lichtempfindlich; Probe muss dunkel gelagert werden
  • Hämolyse – führt zu falsch erhöhtem indirektem Bilirubin
  • Medikamente – können Bilirubinwerte methodisch oder funktionell beeinflussen

Methode

  • Photometrisch (Jendrassik-Grof) – Standardverfahren für Gesamt- und Direktbilirubin
  • HPLC – bei Differenzierungsbedarf oder Interferenzen
  • Indirektes Bilirubin = Gesamtbilirubin − Direktbilirubin

Normbereiche (je nach Labor)

Gesamtbilirubin

Alter Normwerte (mg/dl) Normwerte (μmol/l)
1. Lebenstag < 4,0 < 68,4
2. Lebenstag < 9,0 < 153,9
3.–5. Lebenstag < 13,5 < 230,9
Erwachsene < 1,1 < 18,8

Fraktionen

Bilirubintyp Normwerte (mg/dl) Normwerte (μmol/l)
Direktes Bilirubin < 0,25 < 4,3
Indirektes Bilirubin 0,2-0,8 3,42-13,7

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Abklärung eines Ikterus (Gelbsucht)
  • Verdacht auf hämolytische Anämie (Blutarmut durch Zellzerfall)
  • Verdacht auf intrahepatische oder posthepatische Cholestase (Gallenstau in oder nach der Leber)
  • Verdacht auf Lebererkrankungen (z. B. Hepatitis, Zirrhose, Lebertumor)
  • Verlaufskontrolle bei toxischer Leberschädigung (z. B. durch Medikamente oder Gifte)
  • Neugeborenenscreening bei Gelbsucht (Neugeborenenikterus)

Interpretation

Erhöhtes indirektes Bilirubin:

  • Hämolytische Anämie (Zerfall roter Blutkörperchen)
  • Ineffektive Erythropoese (gestörte Blutbildung)
  • Große Hämatome (Blutergüsse), Verbrennungen, Rhabdomyolyse (Muskelzerfall)
  • Morbus Meulengracht (gutartige, vererbte Leberstoffwechselstörung)
  • Crigler-Najjar-Syndrom (seltene, genetisch bedingte Stoffwechselstörung)
  • Neugeborenenikterus (Gelbsucht beim Säugling)
  • Medikamente (siehe unten)

Erhöhtes direktes Bilirubin:

  • Intrahepatische Cholestase (Gallenstau in der Leber)
  • Posthepatische Cholestase (Gallenstau außerhalb der Leber)
  • Dubin-Johnson- und Rotor-Syndrom (genetische Ausscheidungsstörungen)
  • Infektionen (z. B. Leptospirose, Salmonellen, Sepsis)
  • Lebererkrankungen (z. B. Hepatitis, Leberkrebs)
  • Medikamente (siehe unten)

Erniedrigtes Bilirubin:

  • Kein Krankheitswert

Differentialdiagnostik des Ikterus

Hier ist die überarbeitete Tabelle mit jeweils einmaligen Laienbegriffen in runden Klammern hinter den Fachbegriffen, nicht in Fettdruck:

Form Ursachen Typisches Bilirubinprofil
Prähepatischer Ikterus Hämolyse (Zerfall roter Blutkörperchen), große Hämatome (Blutergüsse), Rhabdomyolyse (Muskelzerfall), Verbrennungen Anstieg des indirekten Bilirubins (unkonjugiertes Bilirubin)
Intrahepatischer Ikterus Virushepatitis (Leberentzündung), Fettleber (Leberverfettung), PBC (primär biliäre Cholangitis), PSC (primär sklerosierende Cholangitis), Leberzirrhose (bindegewebiger Umbau der Leber), Intoxikationen (Vergiftungen) Variable Erhöhung direkt/indirekt (konjugiert/unkonjugiert)
Posthepatischer Ikterus Gallensteine (Cholelithiasis), Tumoren (z. B. Pankreaskarzinom/Bauchspeicheldrüsenkrebs), Gallengangsatresie (angeborener Verschluss der Gallenwege) Anstieg des direkten Bilirubins (konjugiertes Bilirubin)

Medikamente mit Einfluss auf Bilirubin (alphabetisch)

  • Amiodaron (Herzrhythmusmedikament)
  • Anabolika (muskelaufbauende Hormone)
  • Atazanavir (HIV-Therapeutikum)
  • Eltrombopag (Medikament zur Blutplättchensteigerung)
  • Indinavir (HIV-Medikament)
  • Lapatinib (Krebsmedikament)
  • Methotrexat (Zytostatikum, Rheumatherapie)
  • Nintedanib (Antifibrotikum, Tyrosinkinasehemmer)
  • Probenecid (Harnsäureausscheider)
  • Rifampicin (Antibiotikum bei Tuberkulose)

Begleitparameter zur Abklärung

  • ALT (GPT), AST (GOT) – Enzyme bei Leberzellschädigung
  • GLDH – mitochondrialer Marker der Leber
  • γ-GT, AP – cholestaseanzeigende Enzyme
  • INR, Albumin, Cholesterin – Beurteilung der Leberfunktion
  • Urobilinogen – Rückresorption von Bilirubinabbauprodukten im Darm