Fibromyalgie – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Fibromyalgie dar.

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie bekannte rheumatische Erkrankungen? (z. B. rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew)
  • Sind bei Familienangehörigen Autoimmunerkrankungen diagnostiziert worden? (z. B. Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom, Hashimoto-Thyreoiditis)
  • Liegen in Ihrer Familie Stoffwechselerkrankungen vor, insbesondere Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2?
  • Sind bei nahen Angehörigen chronische Schmerzerkrankungen oder unspezifische Schmerzsyndrome bekannt?
  • Besteht eine familiäre Häufung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen?

Sozialanamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Sind oder waren Sie in Ihrem Beruf körperlich stark belastet (z. B. durch Heben, langes Stehen, monotone Bewegungsabläufe)?
    • Arbeiten Sie im Schichtdienst oder unter unregelmäßigen Arbeitszeiten?
    • Erleben Sie beruflichen Stress oder Überforderung am Arbeitsplatz?
    • Sind oder waren Sie arbeitslos oder längerfristig arbeitsunfähig?
    • Erhalten Sie aktuell eine Erwerbsminderungsrente oder denken Sie an eine vorzeitige Berentung wegen gesundheitlicher Einschränkungen?
  • Psychosoziale Situation:
    • Bestehen derzeit psychosoziale Belastungen in Ihrem privaten Umfeld (z. B. familiäre Konflikte, Pflege von Angehörigen)?
    • Hatten Sie in der Vergangenheit belastende Lebensereignisse (z. B. Trennung, Trauerfall, Arbeitsplatzverlust)?

Reiseanamnese

Reisen können bei Patientinnen und Patienten mit Fibromyalgie eine Verschlechterung der Beschwerden auslösen oder verstärken.

  • Haben Sie bei Reisen eine Zunahme Ihrer Schmerzen festgestellt?
  • Hatten Sie während oder nach einer Reise vermehrt Schlafprobleme (z. B. Einschlaf- oder Durchschlafstörungen)?
  • Hat sich Ihr Ernährungsverhalten auf Reisen deutlich verändert (z. B. andere Lebensmittel, unregelmäßige Mahlzeiten)?
  • Haben Sie auf Reisen einen erhöhten Stress empfunden (z. B. durch Organisation, Umgebung, neue Situationen)?
  • Kam es durch den Reiseverlauf zu einem Gefühl der Erschöpfung oder einer erhöhten Müdigkeit?
  • Haben Sie auf Reisen bestimmte klimatische Bedingungen als belastend empfunden (z. B. Kälte, Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit)?
  • Fühlten Sie sich in ungewohnter Umgebung (z. B. Hotel, Ferienwohnung, andere Schlafumgebung) weniger erholt?
  • Sind Ihnen auf Reisen gastrointestinale Beschwerden (z. B. Reizdarmsymptome) aufgefallen oder verstärkt aufgefallen?
  • Hat sich Ihre medikamentöse Versorgung auf Reisen verändert (z. B. vergessene Einnahme, andere Zeitzonen)?
  • Kam es während oder nach einer Reise zu einem Schub Ihrer Beschwerden?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Leiden Sie unter chronischen Schmerzen an mehreren Körperstellen?
  • Welche Körperregionen sind betroffen?
  • Wie lange bestehen die Beschwerden bereits?
  • Wie würden Sie den Schmerz beschreiben? (z. B. dumpf, brennend, stechend)
  • Wie stark sind die Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10?
    • 0-2: kein/kaum Schmerz
    • 3-4: bei Ablenkung ist der Schmerz nicht mehr im Mittelpunkt
    • 5-6: Schmerz behindert Gehen, Ein- und Durchschlafen
    • 7-8: Bedürfnis sich hinzulegen, Ablenkung nicht mehr möglich, gesamtes Denken kreist um den Schmerz*
    • 9-10: unaushaltbare, fürchterliche Schmerzen, der Patient "möchte schreien" oder schreit tatsächlich*
  • Sind die Schmerzen abhängig von:
    • Kälte oder Wetterveränderungen?
    • Körperlicher Belastung?
    • Ruhephasen oder Schlaf?
  • Haben Sie zusätzliche Beschwerden bemerkt, wie:
    • Schlafstörungen (Einschlaf- und Durchschlafstörungen)?
    • Morgensteifigkeit der Gelenke?
    • Müdigkeit und Erschöpfung?
    • Konzentrationsstörungen oder Gedächtnisprobleme?
    • Depressive Verstimmung oder Angst?
    • Sensibilitätsstörungen (z. B. Kribbeln in den Händen oder Füßen)?
    • Reizdarmsymptome wie Bauchschmerzen oder Durchfall?
    • Kopfschmerzen oder Spannungskopfschmerzen?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Sind Sie übergewichtig? Bitte nennen Sie Ihr aktuelles Gewicht (kg) und Ihre Körpergröße (cm).
  • Hat sich Ihr Gewicht in letzter Zeit ungewollt verändert?
  • Haben Sie Ihren Appetit als verändert wahrgenommen?
  • Treiben Sie regelmäßig Sport? Wenn ja, wie oft und welche Sportart?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Rheumatische Erkrankungen?
    • Chronische Infektionen (z. B. Epstein-Barr-Virus)?
    • Erkrankungen des Nervensystems (z. B. Polyneuropathie)?
    • Schilddrüsenerkrankungen (z. B. Hashimoto-Thyreoiditis, Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion))?
    • Depression oder Angststörungen?
  • Haben Sie größere Operationen durchlaufen?
  • Bestehen bekannte Allergien?
  • Schwangerschaften: Gab es Auffälligkeiten in der Vergangenheit?

Medikamentenanamnese

  • Arthralgie (Gelenkschmerzen) und Myalgie (Muskelschmerzen) unter Aromatasehemmern und Interferonen
  • Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren (PPI) Säureblocker)
  • Statine (Statintherapie mit oder ohne CK-Erhöhung)
  • Weitere Medikamente siehe unter "Arzneimittelnebenwirkungen" unter "Schmerzhafte Myopathien durch Medikamente.

Diagnostische Kriterien der Fibromyalgie nach ACR (American College of Rheumatology)

Zur Diagnose der Fibromyalgie sind die ACR-Kriterien hilfreich. Sie beinhalten folgende Anforderungen:

  • Ausgedehnte Schmerzen in der Anamnese. Schmerzen werden als ausgedehnt angesehen, wenn alle der folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
    • Schmerzen in der linken Körperhälfte
    • Schmerzen in der rechten Körperhälfte
    • Schmerzen oberhalb der Taille
    • Schmerzen unterhalb der Taille
    • Schmerzen des Achselskelettes (Halswirbelsäule, Brustkorb, thorakale Wirbelsäule, Kreuzschmerzen)
  • Mindestens 11 der folgenden 18 Punkte (Tender Points** bzw. Triggerpunkte) sind druckschmerzhaft:
    • Okziput (Hinterkopfregion – Ansatz der subokzipitalen Muskeln an der Schädelbasis)
    • Unterer Zervikalbereich (Nackenregion – Querfortsätze der Halswirbel C5-C7)
    • Muskulus trapezius (Trapeziusmuskel – Ursprung des Trapezmuskels im oberen Rückenbereich)
    • Muskulus supraspinatus (Obergrätenmuskel – ein Skelettmuskel, dieser verläuft nahezu horizontal oberhalb der Schulter)
    • 2. Rippe (Ansatzpunkte an der Rippe, nahe dem Brustbein)
    • Lateraler Epicondylus (Ellenbogenaußenseite – Knochenvorwölbung auf der seitlich gelegenen Stelle des Oberarmknochens (Humerus)) 
    • Glutealbereich (Gesäßbereich – oberer äußerer Quadrant des Gesäßmuskels)
    • Trochanter major (seitliche Hüfte – Ansatzpunkt des Trochanter major (Oberschenkelknochen))
    • Knie (Innenseite der Kniegelenke – mediale Fettpolster der Knie)

**Die 18 Tenderpoints bei Fibromyalgie sind symmetrisch am Körper verteilt, wobei es insgesamt 9 Paare gibt, also jeweils links und rechts, die zusammen die 18 Tenderpoints ergeben.

Die Palpation (Betasten) im Rahmen der körperlichen Untersuchung sollte unter Verwendung mittelmäßigen Drucks ausgeführt werden. Ein druckschmerzhafter Punkt kann als positiv angesehen werden, wenn der Patient den Druck als schmerzhaft empfindet. "Empfindlichkeit" (Tender) ist nicht gleichbedeutend mit "schmerzhaft".

Die Diagnose einer Fibromyalgie lässt sich aufgrund der typischen Schmerzanamnese von mindestens dreimonatiger Dauer stellen, wobei mindestens 11 der 18 Tender Points (druckschmerzhafte Punkte) bei der körperlichen Untersuchung nachweisbar sein müssen.

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.