Schmerzlinderung während der Geburt: Welche Methoden und Medikamente sind möglich?

Geburtsschmerz zählt zu den intensivsten physiologischen Schmerzen des Menschen. Seine Wahrnehmung ist individuell, abhängig von psychischen, hormonellen und sozialen Faktoren. Ziel einer modernen Geburtshilfe ist nicht Schmerzfreiheit um jeden Preis, sondern eine sichere, kontrollierte und individuell angepasste Analgesie (Schmerztherapie), die sowohl der Gebärenden als auch dem Kind zugutekommt.
Internationale Leitlinien betonen, dass die Bitte der Gebärenden um Schmerzlinderung allein bereits als ausreichende Indikation für eine Analgesie (Unterdrückung der Schmerzempfindlichkeit) gilt [1].

Physiologie des Geburtsschmerzes

Die Schmerzursache variiert je nach Geburtsphase:

  • Eröffnungsphase: viszeraler Schmerz (Schmerzen, die von den inneren Organen) durch Dehnung und Kontraktion des Uterus (Gebärmutter) sowie Zervixdilatation (Dehnung des Gebärmutterhalses).
  • Austreibungsphase: somatischer Schmerz (Schmerz entsteht in den Körpergeweben wie Haut, Muskeln oder Bindegewebe und ist meist gut lokalisierbar) durch Druck auf Vagina (Scheide), Beckenboden und Damm.

Viszerale Schmerzen müssen anders behandelt werden als somatische – ein wichtiger Aspekt bei der Wahl des Analgesieverfahrens.

Nichtmedikamentöse Verfahren

Nichtmedikamentöse Methoden zielen auf Entspannung, Ablenkung und Aktivierung endogener Schmerzkontrollmechanismen. Ihre Wirksamkeit ist individuell unterschiedlich, doch sie werden zunehmend als integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Geburtsbetreuung empfohlen [1, 4].

  • Atemtechniken und Entspannungsübungen: fördern die Sauerstoffversorgung, reduzieren Angst und subjektive Schmerzintensität
  • Hydrotherapie (Badewanne, Dusche): Wärme führt zur Muskelentspannung und verringert Stress.
  • Massage, Bewegung und Positionswechsel: fördern die Durchblutung und verbessern die Beckendurchtrittsverhältnisse
  • TENS (Transkutane elektrische Nervenstimulation): kann in der Eröffnungsphase Linderung verschaffen; Effektivität variiert [1]
  • Akupunktur und Akupressur: zeigen in Studien gemischte Ergebnisse, sind aber bei guter Schulung sicher anwendbar
  • Hypnose, Visualisierung, Musik, kontinuierliche Unterstützung durch Partner: reduzieren nachweislich Stresshormone und verbessern das subjektive Geburtserlebnis [4]

Praxis-Tipp: Nichtmedikamentöse Maßnahmen sollten früh beginnen und bleiben auch bei späterer Anwendung pharmakologischer Verfahren eine wertvolle Ergänzung.

Pharmakologische Schmerzlinderung ohne neuraxiale Techniken

Wenn keine PDA (Periduralanästhesie; Regionalanästhesie, bei der Betäubungsmittel in den Periduralraum nahe der Wirbelsäule injiziert werden) gewünscht oder möglich ist, stehen systemische Methoden zur Verfügung.

Opioide

Opioide wirken vor allem gegen viszerale Schmerzen der Eröffnungsphase, weniger gegen somatische Schmerzen der Austreibungsphase.

  • Pethidin (Meperidin): traditionell eingesetzt, heute wegen Nebenwirkungen (Atemdepression, Sedierung des Neugeborenen) weniger empfohlen
  • Fentanyl: kurze Wirkdauer, geringere Plazentapassage, aber nur mäßige Analgesie
  • Remifentanil (PCA): ultraschnell wirksam, kurze Halbwertszeit, erlaubt patientenkontrollierte Gabe. Studien zeigen gute Wirksamkeit und Zufriedenheit, erfordern aber kontinuierliche Überwachung [1, 2]
  • Nalbuphin, Butorphanol: geringeres Risiko schwerer Atemdepression

Nebenwirkungen: Übelkeit, Sedierung, Atemdepression bei Mutter und Kind, Hypotonie (niedriger Blutdruck), verlangsamte Magenentleerung
Kontraindikationen (Gegenanzeigen): schwere Atem- oder Leberinsuffizienz (Atem- oder Leberschwäche), fehlende Überwachungsmöglichkeit

Inhalationsanalgesie

  • Lachgas (50 % N₂O/50 % O₂): selbstgesteuerte Anwendung durch die Gebärende, schneller Wirkungseintritt, gute Verträglichkeit

    • Vorteile: einfache Handhabung, kein Einfluss auf Geburtsverlauf
    • Nachteile: nur mäßige Schmerzlinderung, Schwindel, Übelkeit
    • In vielen Ländern Standard, in Deutschland nur vereinzelt verfügbar [1, 5]

Neuraxiale Verfahren (regionalanästhesiologische Methoden)

Diese Verfahren gelten als Goldstandard in der Geburtshilfe, da sie die effektivste Schmerzlinderung bieten [2, 3, 6].

Epiduralanalgesie (Periduralanästhesie, PDA)

Wirkprinzip: Injektion von Lokalanästhetikum (z. B. Ropivacain, Bupivacain) mit oder ohne Opioidzusatz in den Epiduralraum.

Vorteile:

  • Exzellente Analgesie über beide Geburtsphasen
  • Anpassbare Dosierung (kontinuierliche oder patientenkontrollierte Infusion)
  • Positive Beeinflussung des Stoffwechsels (reduzierter Stresshormonanstieg)
  • Ermöglicht schrittweise Dosierung und selektive Blockade

Nachteile:

  • Hypotonie durch Sympathikusblockade
  • Harnverhalt, Fieber, selten postpunktioneller Kopfschmerz
  • Verlängerung der Austreibungsphase, häufiger instrumentelle Entbindungen
  • Erfordert erfahrenes Personal und kontinuierliches Monitoring [2]

Kombinierte Spinal-Epidural (CSE)

  • Kombiniert die schnelle Wirkung der Spinalanalgesie mit der Steuerbarkeit der PDA
  • Wirkeintritt innerhalb von Minuten, gute Mobilität der Gebärenden, geringerer Bedarf an Zusatzanalgetika [3]

Spinalanalgesie

  • Einmalige intrathekale Injektion kleiner Dosen (z. B. Bupivacain + Fentanyl)
  • Geeignet bei fortgeschrittener Geburt oder wenn eine Epiduralanlage nicht möglich ist
  • Begrenzte Wirkdauer (1-2 h)

Pudendusblock

  • Lokale Injektion in den Nervus pudendus, insbesondere zur Analgesie in der Austreibungsphase oder bei Episiotomie (Dammschnitt)
  • Begrenzt auf perineale Schmerzen; keine Linderung viszeraler Schmerzen

Praktische Empfehlungen

  • Aufklärung: Frühzeitige Information über alle Optionen, am besten im Geburtsplanungsgespräch
  • Individualisierung: Entscheidung nach Wunsch der Frau, Geburtsverlauf, Gesundheitszustand und Verfügbarkeit
  • Sicherheit:
    • Überwachung von Blutdruck, Puls, Sauerstoffsättigung und fetalem CTG (Wehenschreiber)
    • Hypotonieprophylaxe mit Volumen und Vasopressoren
    • Dokumentation der Analgesie und Nebenwirkungen
  • Nachsorge: Kontrolle der Motorik, Beobachtung auf Kopfschmerz oder neurologische Auffälligkeiten

Sicherheit und Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Absolute Kontraindikationen für neuraxiale Verfahren:

  • Gerinnungsstörung oder Antikoagulation ("Blutverdünner")
  • Lokale Infektion an der Punktionsstelle
  • Hypovolämie (zu wenig Blut oder Flüssigkeit im Kreislauf), septischer Schock
  • Ablehnung durch die Patientin

Relative Kontraindikationen:

  • Wirbelsäulenanomalien, neurologische Erkrankungen
  • schwere kardiale (das Herz betreffende) Vorerkrankungen

Fazit

Ein modernes Schmerzmanagement während der Geburt kombiniert medizinische Kompetenz mit Empathie, Sicherheit und Selbstbestimmung.
Die Epiduralanalgesie gilt als Goldstandard, doch auch alternative Methoden – von Remifentanil bis Lachgas – haben ihren festen Stellenwert. Nichtmedikamentöse Verfahren ergänzen jede Form der Geburtshilfe und stärken die aktive Beteiligung der Gebärenden.
Ziel ist ein individuell abgestimmtes Konzept, das Schmerz, Angst und Stress reduziert und ein positives Geburtserlebnis ermöglicht.

Literatur

  1. Zuarez-Easton S, Erez O, Zafran N, Carmeli J, Garmi G, Salim R: Pharmacologic and nonpharmacologic options for pain relief during labor: an expert review. Am J Obstet Gynecol. 2023;228(5S):S1246-S1259. doi: 10.1016/j.ajog.2023.03.003.
  2. Heesen M, Veeser M. Analgesia in Obstetrics: Geburtshilfe Frauenheilk. 2012;72(7):596-601. doi: 10.1055/s-0031-1298444.
  3. Coviello A, Iacovazzo C, Frigo MG et al.: Technical aspects of neuraxial analgesia during labor and maternity care: an updated overview. J Anesth Analg Crit Care. 2025;5:6. doi: 10.1186/s44158-025-00224-3.
  4. Padrón LT, Emrich NLA, Strizek B et al.: Quality of analgesic care in labor: A cross-sectional study of the first national register-based benchmarking system. Int J Gynecol Obstet. 2024;166(3):1077-1085. doi: 10.1002/ijgo.15489.
  5. Meuser T, Wiese R, Molitor D, Grond S, Stamer UM: A survey of labour pain management in Germany. Schmerz. 2008;22(2):184-190. doi: 10.1007/s00482-007-0595-7.
  6. Chu A, Ma S, Datta S: Analgesia in labour and delivery. Obstet Gynaecol Reprod Med. 2017;27(6):184-190. doi: 10.1016/j.ogrm.2017.04.001.