Kaiserschnitt in der Geburtshilfe: Wann ist er notwendig und wie läuft er ab?
Der Kaiserschnitt (Sectio caesarea) zählt heute zu den am häufigsten durchgeführten Operationen in der Geburtshilfe. In Deutschland liegt die Sectiorate bei etwa 30 %, was bedeutet, dass etwa jede dritte Geburt per Kaiserschnittentbindung erfolgt. Bei korrekter Indikation kann die Sectio Leben retten – wird sie jedoch ohne zwingenden Grund vorgenommen, birgt sie kurz- und langfristige Risiken für Mutter und Kind. Der Schlüssel liegt in einer sorgfältigen, individuellen Indikationsstellung und einem strukturierten Vorgehen.
Wann ist ein Kaiserschnitt notwendig?
Ein Kaiserschnitt ist indiziert, wenn die vaginale Geburt für Mutter oder Kind ein erhebliches Risiko darstellt oder nicht möglich ist. Zu den häufigsten medizinischen Gründen zählen:
- Wehenstillstand:
Wenn trotz regelmäßiger Wehen und ausreichender Zeit kein Fortschritt in der Eröffnung oder im Durchtritt des Kindes erkennbar ist. Die Definition des Geburtsstillstands wird zunehmend differenzierter betrachtet, um unnötige Kaiserschnitte zu vermeiden [1]. - Gefährdung des Babys:
Auffällige CTG-Befunde, wiederholte Dezelerationen (Herzfrequenzabfälle) oder eine fehlende Herzfrequenzvariabilität erfordern häufig eine sofortige Entbindung per Sectio.
Hinweis: Die Kardiotokografie ist ein Verfahren in der Geburtshilfe, das die Herzfrequenz des ungeborenen Kindes und die Wehentätigkeit der Mutter aufzeichnet, um den Zustand des Babys und der Mutter zu überwachen. - Fehl- oder Zwangslagen:
Eine Querlage, eine Fußlage oder eine deflektierte Kopflage machen eine vaginale Geburt (natürliche Geburt) meistens unmöglich. Bei Steißlage kann vorab eine externe Wendung versucht werden, sofern keine Kontraindikationen bestehen. - Plazentakomplikationen:
Eine Placenta praevia (Plazenta (Mutterkuchen) bedeckt den Muttermund), eine Placenta accreta (eingewachsene Plazenta) oder eine vorzeitige Plazentalösung sind klassische Indikationen für eine Sectio, da hier Blutungsgefahr und fetale Hypoxie (Sauerstoffmangel) drohen. - Mehrlingsschwangerschaften:
Bei ungünstiger Lage des ersten Zwillings (z. B. Beckenendlage oder Querlage) ist ein Kaiserschnitt meistens angezeigt. - Vorherige Sectio:
Nach einer vorangegangenen Kaiserschnittgeburt kann in ausgewählten Fällen ein vaginaler Geburtsversuch sicher möglich sein. Bestehen jedoch Risiken wie eine drohende Uterusruptur oder eine Narbenkomplikation, ist eine Wiederholungssectio indiziert. - Fetale Makrosomie:
Bei überdurchschnittlich großen Kindern (z. B. geschätztes Gewicht > 4.500 g) kann die Entscheidung zur Sectio aufgrund des erhöhten Risikos für Schulterdystokie (Geburtsstillstand, weil die Schultern des Babys feststecken) getroffen werden. Diese Indikation bleibt jedoch wegen diagnostischer Unsicherheiten kontrovers. - Mütterliche Erkrankungen oder Infektionen:
Eine frische Herpes-genitalis-Infektion, eine unbehandelte HIV-Infektion oder schwere Herz- bzw. Lungenerkrankungen der Mutter können eine Sectio notwendig machen. - Wunschkaiserschnitt:
Ein Kaiserschnitt auf ausdrücklichen Wunsch der Mutter sollte erst ab 39 + 0 SSW erfolgen, um das Risiko für neonatale Atemprobleme zu minimieren [1, 2].
Ablauf eines Kaiserschnitts
Präoperative Vorbereitung
- Aufklärung und Einwilligung:
Eine umfassende Information über Nutzen, Risiken und Alternativen ist Voraussetzung. - Planung und Timing:
Elektive Kaiserschnitte (geplante Schnittentbindung) werden idealerweise zwischen 39 + 0 und 39 + 6 SSW durchgeführt, um das Risiko für neonatale Atemnotsyndrome zu senken [3, 4]. - Anästhesie:
Standard ist die Spinalanästhesie (Regionalanästhesie); alternativ kann eine Peridural- oder bei Notfällen eine Allgemeinanästhesie erfolgen. - Operationsvorbereitung:
Rasur, Hautdesinfektion, Blasenkatheter, Antibiotikaprophylaxe und Gefäßzugang sind Standardmaßnahmen.
Operativer Ablauf
Nach aseptischer Vorbereitung erfolgt ein transversaler Hautschnitt im unteren Abdomen (Querschnitt am Unterbauch). Anschließend werden die Schichten sukzessive eröffnet, bis der Uterus (Gebärmutter) sichtbar ist.
Die Uterotomie (Gebärmutteröffnung) erfolgt in der Regel quer im unteren Segment. Das Kind wird vorsichtig geborgen, die Nabelschnur abgeklemmt und die Plazenta manuell oder spontan gelöst.
Anschließend wird der Uterus schichtweise verschlossen, meist in einer zweilagigen Nahttechnik. Danach erfolgt der Verschluss der Faszie und Haut. Die gesamte Operation dauert im Regelfall 30-45 Minuten.
Postoperative Phase
Nach der Operation folgt die Überwachung im Aufwachraum mit Kontrolle von Blutdruck, Puls, Uterustonus und Blutverlust. Frühmobilisation (nach etwa 6-12 Stunden), Thromboseprophylaxe und adäquate Schmerztherapie sind essentiell.
Stillbeginn und Haut-zu-Haut-Kontakt werden so früh wie möglich gefördert. Die Entlassung erfolgt nach komplikationslosem Verlauf in der Regel nach drei bis fünf Tagen.
Risiken und Komplikationen
Maternale (mütterliche) Risiken
- Wundinfektionen, Endometritis (Gebärmutterschleimhautentzündung)
- Nachblutungen und Hämatombildung (Bildung von Blutergüssen)
- Thromboembolien (Verschluss eines Blutgefäßes durch ein Blutgerinnsel (Thrombus), das im Blutstrom verschleppt wurde)
- Verletzung von Blase, Ureter (Harnleiter) oder Darm
- Narben- und Adhäsionsbildung (Verwachsungen) mit Schmerzen oder Folgeschäden
- Erhöhtes Risiko für Placenta praevia oder Placenta accreta in späteren Schwangerschaften
- Verlängerte Rekonvaleszenz (Erholung) im Vergleich zur vaginalen Geburt
Neonatale Risiken
- Atemnotsyndrom (Lungenfunktionsstörung im Neugeborenenalter) und transiente Tachypnoe (vorübergehende Atembeschleunigung), v. a. bei Sectio vor 39. SSW [3]
- Erhöhte NICU-Aufnahmerate (= Anteil der Neugeborenen, die nach der Geburt auf einer neonatologischen Intensivstation (NICU) aufgenommen werden)
- Mögliche Langzeitfolgen (veränderte Mikrobiota (Darmflora) [6, 7], erhöhtes Risiko für Asthma bronchiale [8, 9, 10] und Stoffwechselstörungen [11])
Fazit
Der Kaiserschnitt ist ein lebensrettendes Verfahren, das bei klarer Indikation unverzichtbar ist. Dennoch sollte das Ziel der modernen Geburtshilfe sein, unnötige Schnittentbindungen zu vermeiden. Eine evidenzbasierte Indikationsstellung, die Förderung vaginaler Geburten und die Wahl des optimalen Timings tragen wesentlich zu einer sicheren und individuellen Geburtsbetreuung bei.
Literatur
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