Körperliche Vorgänge bei der Geburt: Was passiert mit Darm und Stuhlgang während der Entbindung?

Viele Frauen empfinden es als unangenehm, Stuhlgang während der Geburt zu haben. Dabei handelt es sich um ein ganz normales, physiologisches Geschehen, das auf klar nachvollziehbaren körperlichen Mechanismen beruht. Für Ärzte und Hebammen ist es wichtig, die Vorgänge im Darm während der Entbindung zu verstehen – nicht nur aus hygienischen, sondern auch aus psychologischen und geburtsphysiologischen Gründen.

Veränderungen des Darms in Schwangerschaft und Geburtsverlauf

Während der Schwangerschaft verlangsamt sich durch Progesteron die Darmmotilität (Darmbeweglichkeit), wodurch Obstipation (Verstopfung) häufig wird. Das heranwachsende Kind verdrängt die Darmabschnitte zunehmend, besonders im dritten Trimenon (Schwangerschaftsdrittel), was zu einer Lageveränderung und Tonusminderung führt. Kurz vor Geburtsbeginn setzen Prostaglandine frei, die sowohl die Uterusmuskulatur (Muskulatur der Gebärmutter) als auch den Darm aktivieren – häufig äußert sich dies in vermehrtem Stuhldrang oder Durchfall [1]. Diese hormonelle Vorbereitung auf die Geburt kann als „natürliche Darmentleerung“ verstanden werden.

Mechanismen während der Geburt

Druckmechanik und gemeinsame Muskulatur

In der Austreibungsphase drückt der Kopf des Babys gegen das Rektum und den Beckenboden. Dieser Druck aktiviert denselben neuromuskulären Komplex, der auch für die Defäkation zuständig ist. Gleichzeitig werden Bauchpresse und Beckenbodenmuskulatur angespannt – ein physiologischer Reflex, der das Austreten von Stuhl nahezu unvermeidlich macht [1, 3].

Deshalb ist es häufig zu beobachten, dass während des Pressens Stuhlgang auftritt. Diese Entleerung geschieht unwillkürlich und hat keinerlei pathologische Bedeutung. Im Gegenteil: Sie zeigt, dass die Frau effektiv presst und der Kopf des Kindes tief im Becken liegt.

Einfluss der Geburtsposition und Analgesie

Die Geburtsposition beeinflusst die Druckverhältnisse im kleinen Becken. Aufrechte Positionen wie Hocken oder Vierfüßlerhaltung erleichtern sowohl den fetalen Abstieg als auch die rektale Entleerung, da die Schwerkraft wirkt und die Sakrumbeweglichkeit zunimmt. Unter Periduralanalgesie (PDA) kann der Pressdrang abgeschwächt oder unbemerkt bleiben, wodurch Stuhl unbemerkt abgeht [2].

Daher ist es geburtshilflich wichtig, in Analgesiephasen auf Hygiene und diskrete Reinigung zu achten, um die Frau nicht zu verunsichern.

Routinemäßige Darmentleerung – heute nicht mehr empfohlen

Früher war es üblich, Schwangeren vor Geburtsbeginn einen Einlauf zu verabreichen, um die Darmentleerung zu erzwingen. Aktuelle Studien und systematische Reviews zeigen jedoch, dass Einläufe keine signifikanten Vorteile in Bezug auf Infektionsraten, Geburtsverlauf oder postpartale Komplikationen bringen [3, 4].

Im Gegenteil kann ein Einlauf Unbehagen, Elektrolytverschiebungen und zusätzlichen Stress verursachen. Auf routinemäßige Einläufe sollte während der Geburt verzichtet werden [3].

Nachgeburtsphase und postpartale Darmfunktion

Nach der Entbindung tritt häufig eine vorübergehende Darmlähmung auf. Ursachen sind hormonelle Umstellungen, Analgetika (Schmerzmittel), Flüssigkeitsmangel oder Angst vor Schmerzen im Bereich von Dammnaht oder Hämorrhoiden. Die Darmtätigkeit normalisiert sich üblicherweise innerhalb von zwei bis drei Tagen.

Empfohlen werden ausreichende Flüssigkeitszufuhr, ballaststoffreiche Ernährung und frühzeitige Mobilisation, um Obstipation und schmerzhaften Stuhlgang zu vermeiden.

Bedeutung für das Neugeborene: Mekonium und Mikrobiom

Das Mekonium (Kindspech) besteht aus abgeschilferten Epithelzellen, Fruchtwasser, Galle und Muzinen (Schleimstoffe). Es ist das erste Ausscheidungsprodukt des Neugeborenen. Der intrauterine Mekoniumabgang kann auf fetalen Stress hinweisen, z. B. bei Hypoxie (Sauerstoffmangel) oder Übertragung [1, 2].

Ferner spielt der Kontakt mit der mütterlichen Darm- und Vaginalflora bei der vaginalen Geburt eine zentrale Rolle für die Darmkolonisation des Neugeborenen. Studien zeigen, dass das mütterliche Darmmikrobiom stärker auf die bakterielle Zusammensetzung des kindlichen Darms einwirkt als die Vaginalflora [5]. Diese frühe mikrobiologische Prägung hat langfristige Bedeutung für die Entwicklung des Immunsystems [5].

Praktische Empfehlungen

Für Schwangere:

Eine ballaststoffreiche Ernährung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Bewegung in der Schwangerschaft unterstützen die Darmgesundheit und beugen einer ausgeprägten Obstipation vor. Entspannungstechniken helfen, die natürliche Pressphase physiologisch zu gestalten.

Für Ärzte und Hebammen:

  • Den natürlichen Stuhlabgang während der Geburt normalisieren und im Geburtsvorbereitungsgespräch ansprechen.
  • Hygienische Vorbereitung: sterile Unterlagen, feuchte Kompressen, diskretes Abwischen während der Geburt
  • Kein routinemäßiger Einlauf – nur bei medizinischer Indikation (z. B. drohendem Ileus (Darmverschluss)).
  • Nach der Geburt auf Obstipation achten und ggf. milde Laxanzien (Abführmittel) einsetzen.

Fazit

Ein Stuhlgang während der Geburt ist keine Ausnahme, sondern Teil des physiologischen Geburtsvorgangs. Er resultiert aus hormoneller Stimulation, Druck auf das Rektum und der Aktivierung der Pressmuskulatur.
Ein routinemäßiger Einlauf ist nicht erforderlich. Entscheidend ist ein offener, respektvoller Umgang mit dem Thema – sowohl im Kreißsaalteam als auch in der Geburtsvorbereitung.
Gleichzeitig liefert der Kontakt zwischen mütterlicher Darmflora und Neugeborenem wertvolle mikrobiologische Impulse für die Entwicklung eines gesunden kindlichen Mikrobioms.

Literatur

  1. Rahman S, Unsworth J, Vause S: Meconium in labour. Obstet Gynaecol Reprod Med. 2013;23(8):247-252. doi: 10.1016/j.ogrm.2013.05.007.
  2. Gallo DM, Romero R et al.: Meconium-stained amniotic fluid. Am J Obstet Gynecol. 2023;228(5S):S1158-S1178. doi: 10.1016/j.ajog.2022.11.1283.
  3. Reveiz L, Gaitán HG, Cuervo LG: Enemas during labour. Cochrane Database Syst Rev. 2013;(7):CD000330. doi: 10.1002/14651858.CD000330.pub3.
  4. Cuervo LG, Bernal MdP, Mendoza N: Effects of high-volume saline enemas vs no enema during labour – The N-Ma randomized controlled trial. BMC Pregnancy Childbirth. 2006;6:8. doi: 10.1186/1471-2393-6-8.
  5. Ronde E, Alkema M, Dierikx T et al.: The influence of maternal gut and vaginal microbiota on gastrointestinal colonization of neonates born vaginally and per caesarean section. BMC Pregnancy Childbirth. 2025;25:73. doi: 10.1186/s12884-025-07358-w.