Defäkographie
Die Defäkographie ist ein bildgebendes, funktionelles Untersuchungsverfahren der Radiologie zur dynamischen Darstellung des Enddarms und Beckenbodens während des Stuhlgangs. Sie dient der strukturellen und funktionellen Analyse anorektaler Störungen und ist insbesondere bei Stuhlentleerungsstörungen, Beckenbodensenkungen oder Inkontinenzsymptomatik indiziert. Das Verfahren erlaubt die differenzierte Beurteilung anatomischer Veränderungen unter physiologischen Bedingungen, die in Ruheuntersuchungen häufig nicht nachweisbar sind.
Synonyme
- Dynamische Beckenbodenradiographie
- Kontrastmittelgestützte Defäkographie
- Evakuierungsproktographie
- Proktodynamographie
Beurteilbare Strukturen
- Rektum (Mastdarm)
- Analkanal (Enddarmausgang)
- Musculus puborectalis und Levator ani (Beckenbodenmuskulatur)
- Sakrorektaler Winkel (Rektumachse)
- Rektovaginalraum (Raum zwischen Mastdarm und Scheide)
- Harnblase, Uterus (Gebärmutter) – mitbeurteilbar bei kombinierter Funktionsaufnahme
- Perineale Weite und perinealer Deszensus (Senkung des Dammbereichs)
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Obstruktives Defäkationssyndrom – bei chronischer Verstopfung (Obstipation) und Entleerungsstörungen trotz normaler Dickdarmpassage
- Rektozele oder Intussuszeption – zur morphologischen Differenzierung bei Verdacht auf Einstülpung der Darmwand oder Ausstülpung in Richtung Scheide
- Analinkontinenz – zur Beurteilung des muskulären Schließapparates und funktioneller Defizite
- Perinealsenkungssyndrom (Descending Perineum Syndrome) – zur quantitativen Beurteilung der Senkung des Beckenbodens beim Pressen
- Postoperative Verlaufskontrolle – nach rektoanaler oder transvaginaler Wiederherstellung
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Akute Entzündungen oder Infektionen im Bereich des Enddarms
- Schwere Hämorrhoidalleiden oder akute Analfissuren (Einrisse)
- Allergie gegen verwendete Kontrastmittel (z. B. Barium, falls nicht wasserlöslich)
- Schwangerschaft – relative Kontraindikation wegen der verwendeten Röntgenstrahlung
Vor der Untersuchung
- Anamnese und Indikationsprüfung – insbesondere in Bezug auf Voroperationen, Beschwerden im Beckenbodenbereich und Kontraindikationen
- Aufklärung über Untersuchungsablauf – einschließlich Intimitätswahrung und möglicher Schamsituation
- Rektale Reinigung – meist durch Einlauf (Klistier) 1-2 Stunden vor der Untersuchung
Das Verfahren
- Untersuchungsablauf
- In Rückenlage wird das Rektum (Mastdarm) mit etwa 100 ml viskoser Barium-Paste gefüllt.
- Falls erforderlich, wird zusätzlich die Scheide (Vagina) mit Gel gefüllt oder der Dünndarm mit Kontrastmittel dargestellt.
- Der Patient wird auf eine spezielle Röntgentoilette gesetzt.
- Während der Durchleuchtung werden mehrere Phasen aufgenommen: Ruhe, Pressen, Zusammenziehen, Entleerung und Nachentleerung.
- Aufnahmetechnik
- Seitliche Röntgenaufnahme (lateral)
- Digitale Bildsequenzen (Filmaufzeichnung)
- Optional Kombination mit Magnetresonanztomographie (MRT) zur MR-Defäkographie
Mögliche Befunde
- Rektozele – Ausstülpung der vorderen Rektumwand in Richtung Scheide, oft bei Frauen nach Geburten
- Intussuszeption – Einstülpung von Schleimhaut oder Rektumwand
- Rektumprolaps – vollständiger Vorfall des Rektums durch den After
- Descending Perineum – krankhafte Absenkung des Beckenbodens beim Pressen
- Anismus – paradoxes (falsches) Anspannen der Beckenbodenmuskulatur beim Entleerungsversuch
- Beckenbodenrelaxation – unzureichendes Anheben des Beckenbodens bei Belastung
Nach der Untersuchung
- Spontane Entleerung des Kontrastmittels – direkt im Anschluss auf der Toilette möglich
- Hinweise auf Stuhlverfärbung – grau-weißer Stuhl bei Verwendung von Barium ist für 1-2 Tage normal
- Kontrolle bei Komplikationsverdacht – z. B. bei rektalen Schmerzen oder Reizungen
Mögliche Komplikationen
- Schleimhautreizungen – durch Kontrastmittel oder rektale Einführung
- Allergische Reaktionen – sehr selten, vor allem bei jodhaltigen Kontrastmitteln
- Unwohlsein oder Schamgefühl – durch die intime Untersuchungssituation