Umweltanalytische Diagnostik: Untersuchungsmaterialien und Probentechnik
Die umweltanalytische Diagnostik (Untersuchung auf Schadstoffe) dient der Erfassung toxischer Substanzen (giftiger Stoffe), Schadstoffrückstände und ihrer Metaboliten (Abbauprodukte) in verschiedenen biologischen und nicht-biologischen Materialien. Sie ist wesentlicher Bestandteil der Umweltmedizin (medizinisches Fachgebiet zur Erkennung umweltbedingter Erkrankungen), insbesondere bei der objektiven Beurteilung von Expositionen (Kontakt mit Schadstoffen) im häuslichen, beruflichen oder ökologischen Umfeld.
Die Auswahl des geeigneten Untersuchungsmaterials richtet sich dabei nach dem physikalisch-chemischen Profil des zu analysierenden Stoffes, dem Expositionszeitpunkt (Zeitpunkt der Belastung) sowie der angestrebten Aussage über akute oder chronische Belastungen. Eine kontaminationsfreie Probennahme (saubere Probenentnahme), sachgerechte Lagerung und transportsichere Verpackung sind entscheidend für die Aussagekraft der Ergebnisse.
Untersuchungsmaterialien in der umweltanalytischen Diagnostik
Vollblut
- Bevorzugt bei der Bestimmung von Schwermetallen (giftigen Metallen) (z. B. Blei, Quecksilber, Cadmium)
- Entnahme in metallfreien EDTA- oder NaF-Röhrchen (spezielle Blutentnahmeröhrchen ohne Metall)
- Probenvolumen je nach Analyt zwischen 2 und 10 ml
- Vermeidung von Metallkontakt während der Entnahme zwingend erforderlich
Serum
- Zur Bestimmung lipophiler Substanzen (fettlöslicher Schadstoffe) (z. B. PCB, Dioxine, Pestizide)
- Entnahme aus gerinnungsaktivierten Röhrchen mit anschließender Zentrifugation (Trennung der Blutbestandteile durch Schleudern)
- Mindestvolumen meist 2-5 ml
- Lagerung bei tiefen Temperaturen (-20 °C bis -80 °C) zur Stabilisierung der Analyte (Messsubstanzen)
Urin
- Zentrale Matrix (Untersuchungsmaterial) für die Analyse wasserlöslicher Substanzen und Metabolite (z. B. Phthalate, Bisphenole, Pestizidmetabolite, Schwermetalle)
- Geeignet sind sowohl Spontanurin als auch 24-Stunden-Sammelurin (ggf. mit Kreatinin-Korrektur zur Vergleichbarkeit)
- Probenvolumen mindestens 10 ml
- Verwendete Gefäße müssen frei von Weichmachern (Plastikzusätzen) und kontaminationsresistent sein
Haare
- Eignung für die retrospektive Bewertung chronischer Expositionen (langfristiger Schadstoffkontakt) (z. B. Quecksilber, Arsen)
- Wurzelnahes Haarsegment repräsentiert endogene Aufnahme (Aufnahme im Körper), Haarspitzen hingegen externe Kontamination (äußerliche Anlagerung)
- Keine Färbung oder Dauerwellenbehandlung vor der Analyse
Nägel
- Alternativ zu Haaren bei bestimmten Schwermetallen
- Einsatz vor allem bei Langzeitmonitoring (längerfristiger Beobachtung)
- Spezifische Vorbehandlung erforderlich (Reinigung, Homogenisierung = gleichmäßige Verteilung)
Muttermilch
- Analyse zur Bewertung der kindlichen Exposition (Belastung des gestillten Kindes) (z. B. PCB, Dioxine, lipophile Pestizide)
- Relevanz v. a. in der Stillzeit
- Entnahme unter standardisierten Bedingungen erforderlich
Stuhl
- Spezifisch für die Detektion (Nachweis) von Mikroplastik, Nanoplastik oder ausgeschiedenen persistenten Schadstoffen (langlebige Umweltgifte)
- Probengefäße müssen frei von Kunststoffanteilen sein
Raumluft, Hausstaub, Materialproben
- Für die externe Umweltanalytik (z. B. flüchtige organische Verbindungen = VOCs, Formaldehyd, Schimmelsporen, Flammschutzmittel)
- Beprobung durch Spezialverfahren (z. B. Adsorptionsröhrchen, Staubwischproben, aktive Luftsammler)
Besonderheiten der Probentechnik
- Flüchtige Substanzen (leicht verdampfbare Stoffe) (z. B. Toluol, Benzol, Lösungsmittel) erfordern geschlossene Entnahmesysteme zur Vermeidung von Probenverlusten durch Verdunstung
- Organohalogene und lipophile Substanzen (halogenhaltige, fettlösliche Schadstoffe) (z. B. PCB, DDT) dürfen nicht in Kunststoffröhrchen transportiert werden – Verwendung ausschließlich von Glasröhrchen empfohlen
- Schwermetallanalysen erfordern eine metallfreie Arbeitsweise – inklusive Pipetten, Röhrchen, Zentrifugenadapter (Labormaterial ohne Metallanteile)
- Dokumentation und Kennzeichnung müssen standardisiert, nachvollziehbar und eindeutig erfolgen
Lagerung und Transport
- Temperaturen und Lagerfristen müssen an substanzspezifische Stabilitätsprofile (Stoffeigenschaften) angepasst werden
- Blut und Urin: bei 4 °C für Kurzzeitlagerung, -20 °C bis -80 °C für Langzeitarchivierung (Einfrieren zur Aufbewahrung)
- Luft- und Staubproben: trocken, lichtgeschützt, versiegelt
- Haar- und Nagelproben: bei Raumtemperatur in kontaminationsfreien Umschlägen
Bedeutung der Matrixwahl (Auswahl des Untersuchungsmaterials)
Die Wahl der richtigen Matrix entscheidet maßgeblich über die Aussagekraft der Diagnostik. Während Blut- und Urinproben v. a. akute oder subakute Belastungen (kurzfristige Belastungen) abbilden, sind Haar- und Nagelanalysen bei chronischer Exposition geeignet. Lipophile Schadstoffe reichern sich bevorzugt in fetthaltigen Medien wie Muttermilch oder Serum an, wasserlösliche Substanzen hingegen in Urin.
Fazit
Die umweltanalytische Diagnostik erfordert höchste methodische Sorgfalt und ein fundiertes Verständnis der Materialeigenschaften, Substanzklassen und potenziellen Störfaktoren (Einflüsse, die das Messergebnis verfälschen können). Nur durch eine korrekt gewählte und sachgerecht gewonnene Probe lassen sich umwelttoxikologische Belastungen (durch Umweltgifte verursachte Belastungen) valide quantifizieren und im Kontext der medizinischen Fragestellung bewerten.
Der nachfolgende Fragebogen zur Umweltanamnese hilft dabei, mögliche Umweltbelastungen systematisch zu erfassen. Er unterstützt Ihre behandelnde Ärztin bzw. Arzt dabei, gezielt weitere diagnostische Schritte einzuleiten. Nehmen Sie den ausgefüllten Fragebogen einfach zu Ihrem nächsten Arztbesuch mit.