Pestizid-Metaboliten im Urin
Pestizid-Metaboliten (Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln) im Urin sind Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln (z. B. Insektizide, Herbizide, Fungizide), die über den Urin ausgeschieden werden. Sie dienen als Biomarker der internen Exposition (innere Belastungsanzeiger), insbesondere zur Bewertung der Aufnahme über Nahrung, Trinkwasser, Haut oder Inhalation (Einatmen).
Sie finden Anwendung in der umweltmedizinischen Diagnostik zur Expositionsabschätzung (Feststellung der Belastung mit Umweltgiften), bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen sowie im Rahmen von Biomonitoring-Programmen (Überwachung von Schadstoffen im Körper).
Synonyme
- Pestizidabbauprodukte im Urin
- Urinmetabolite von Pflanzenschutzmitteln
- Biomarker für Pestizidbelastung
Vorkommen und Expositionsquellen
- Nahrungsmittelrückstände – Besonders in konventionell angebautem Obst, Gemüse, Getreide, Tee und Kräutern.
- Trinkwasserbelastung – Nachweis v. a. bei wasserlöslichen Substanzen (z. B. Glyphosat).
- Wohnumfeld – Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Garten, auf Spielplätzen oder kommunalen Flächen.
- Berufliche Exposition (berufsbedingter Kontakt) – Höhere Belastung bei Landwirten, Gärtnern, Reinigungskräften, Beschäftigten in der Lebensmittelverarbeitung.
- Hausstaub und Luft – In geschlossenen Räumen (z. B. bei Indoor-Sprays oder bei Sprühnebel von außen).
Toxikologie und gesundheitliche Wirkung
- Kanzerogenität (krebserzeugende Wirkung) – Verdacht auf krebserzeugende Wirkung bei bestimmten Pestiziden (z. B. Glyphosat, Lindan).
- Endokrine Disruption (Hormonstörung) – Störung hormoneller Regulationsmechanismen (z. B. durch Pyrethroide, Chlorpyrifos).
- Neurotoxizität (nervenschädigende Wirkung) – Besonders bei Organophosphaten und Carbamaten mit möglicher Wirkung auf das zentrale Nervensystem.
- Entzündungsförderung und Immunmodulation (Beeinflussung des Immunsystems) – Hinweise auf chronische Effekte auch bei niedriger Belastung.
Das Verfahren
- Benötigtes Material
- Spontanurin (Mittelstrahlurin)
- 24-Stunden-Urin (bei Langzeitbelastung oder standardisierter Erfassung)
- Vorbereitung des Patienten
- Möglichst keine Pestizidexposition in den letzten 24 Stunden (zur Interpretation der Hintergrundbelastung)
- Keine spezielle Vorbereitung erforderlich
- Störfaktoren
- Kontamination durch Sammelgefäße oder Umwelt
- Kreuzreaktionen in unspezifischen Screeningverfahren
- Nicht-erfasste Metabolite bei bestimmten Wirkstoffen
- Methode
- Flüssigchromatographie mit Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS, empfindliche Labormethode zur Stofftrennung)
- Gaschromatographie (GC-MS, Nachweis flüchtiger Substanzen) bei flüchtigen Substanzen
- Enzymimmunoassays (ELISA, Schnelltests mit Antikörpern) als Screening-Methoden
Normbereiche (je nach Labor)
Parameter | Referenzbereich |
---|---|
Organophosphat-Metaboliten (z. B. DAPs) | < 5 µg/l |
Pyrethroid-Metaboliten (z. B. 3-PBA) | < 2 µg/l |
Glyphosat | < 0,1 µg/l |
AMPA (Glyphosat-Metabolit) | < 0,1 µg/l |
Chlorpyrifos-Metabolit TCPy | < 1 µg/l |
Normbereiche sind methoden- und populationsabhängig.Indikationen
- Biomonitoring in Umweltmedizin und Toxikologie (Überwachung von Schadstoffbelastung)
- Expositionsdiagnostik bei Berufsgruppen mit erhöhtem Risiko
- Vorsorgeuntersuchungen im landwirtschaftlichen Bereich
- Abklärung unspezifischer Beschwerden mit möglichem Umweltbezug
- Verlaufskontrolle bei erhöhter Exposition
Interpretation
- Erhöhte Werte
- Nachweis aktiver oder passiver Exposition durch kontaminierte Lebensmittel, Wohnraum oder Arbeitsumgebung
- Beruflich erhöhte Belastung bei fehlender Schutzkleidung oder unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen
- Kinder mit hoher Aufnahme durch Hand-Mund-Kontakt oder Aufenthalt im Garten
- Erniedrigte Werte
- Kein signifikanter Nachweis – spricht für geringe oder keine akute Exposition
- Nicht erfassbare Substanzen bei nicht geprüften Pestizidklassen
- Spezifische Konstellationen
- Kombination mit anderen Umweltparametern (z. B. Schwermetalle, VOCs) zur Gesamtrisikobewertung
- Bewertung im Kontext der Wohnumfeldanamnese, Ernährungsgewohnheiten und Berufsrisiken
Weiterführende Diagnostik
- Erweiterte Umweltanalytik – Schwermetalle, VOCs (flüchtige organische Verbindungen), Flammschutzmittel
- Immunstatus und Entzündungsmarker
- Oxidativer Stress und mitochondriale Funktionstests (Tests zur Zellleistung)
- Genetische Polymorphismen (z. B. PON1-Aktivität bei Organophosphat-Abbau)
Literatur
- Mnif W et al.: Effect of endocrine disruptor pesticides: a review. Int J Environ Res Public Health. 2011;8(6):2265-2303. https://doi.org/10.3390/ijerph8062265