Flammschutzmittel (z. B. polybromierte Diphenylether – PBDE)
Flammschutzmittel (Brandhemmer) sind chemische Substanzen, die Materialien gegen Entzündung und Brandentwicklung schützen. Zu den am weitesten verbreiteten Gruppen zählen die polybromierten Diphenylether (PBDE) (bromhaltige Verbindungen zum Brandschutz), die in zahlreichen Kunststoffen, Textilien, Elektronikprodukten und Baustoffen enthalten sind. PBDE gehören zur Klasse der persistenten organischen Schadstoffe (POPs) (langsam abbaubare Umweltgifte).
Vorkommen und Expositionsquellen
- Elektronik und Elektroschrott – Anwendung in Kabelisolierungen, Platinen, Gehäusen von Fernsehern, Computern und Haushaltsgeräten.
- Baumaterialien – Einsatz in Dämmstoffen, Bodenbelägen und Isoliermaterialien.
- Textilien – Verwendung in schwer entflammbaren Möbelstoffen, Vorhängen und Matratzenbezügen.
- Staubbelastung im Innenraum – Anreicherung in Hausstaub durch Ausgasung und Abrieb aus Konsumgütern.
- Muttermilch und Nabelschnurblut – Nachweis einer generellen Umweltbelastung mit Übergang auf den Fötus (ungeborenes Kind) bzw. Säugling.
- Berufliche Exposition – Erhöhte Belastung bei Beschäftigten in Recyclinganlagen, Elektroschrottverwertung und Kunststoffindustrie.
Toxikologie und gesundheitliche Wirkung
- Persistenz und Bioakkumulation (langsame Ausscheidung und Anreicherung im Körper) – PBDE sind fettlöslich und reichern sich in tierischen und menschlichen Geweben an.
- Endokrine Disruption (Hormonstörung) – Hemmung der Schilddrüsenhormonwirkung, insbesondere bei Kindern kritisch.
- Neurotoxizität (nervenschädigende Wirkung) – Störung der Hirnentwicklung und kognitiven Leistungsfähigkeit bei pränataler Belastung.
- Reproduktionstoxizität (fruchtbarkeitsschädigend) – Hinweise auf Beeinträchtigung von Fertilität (Fruchtbarkeit) und Spermatogenese (Samenbildung).
- Immuntoxizität – Beeinträchtigung der Immunantwort, erhöhte Infektanfälligkeit.
- Kanzerogenität (krebserregendes Potenzial) – Diskussion über Langzeitfolgen bei chronischer Exposition, besonders bei Octa- und Deca-BDE.
Das Verfahren
- Benötigtes Material
- Humanbiologische Proben: Blut (Serum), Muttermilch, Fettgewebe, ggf. Urin
- Umweltproben: Hausstaub, Luft, Sedimente
- Vorbereitung des Patienten
- Keine spezielle Vorbereitung erforderlich
- Störfaktoren
- Lipämie (fetttrübes Blut) im Serum
- Kontamination bei Probenentnahme (z. B. durch Verpackungsmaterialien mit PBDE)
- Methode
- Gaschromatographie gekoppelt mit Massenspektrometrie (GC-MS) (hochpräzise chemische Analyseverfahren)
- Hochauflösende Massenspektrometrie (HRMS) für isomeren-spezifische Analytik
Normbereiche (je nach Labor)
Substanz | Matrix | Referenzbereich |
---|---|---|
PBDE (Summe) | Serum | < 1 ng/g Lipid |
PBDE (z. B. BDE-47, -99, -153) | Muttermilch | < 1-5 ng/g Fett |
PBDE im Hausstaub | Wohnräume | keine gesetzlichen Grenzwerte, Richtwert < 1.000 ng/g |
Normbereiche sind methoden- und laborabhängig
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Biomonitoring bei Umweltbelastung (Überwachung von Schadstoffen im Körper)
- Untersuchung bei Entwicklungsverzögerungen oder Hormonstörungen bei Kindern
- Präkonzeptionelle Diagnostik bei Kinderwunsch (Abklärung vor einer geplanten Schwangerschaft)
- Berufsmedizinische Überwachung bei Recycling- und Kunststoffarbeitern
- Expositionsdiagnostik bei Hausstaubbelastung oder Sanierungsbedarf
Interpretation
- Erhöhte Werte
- Exposition über kontaminierte Wohnumgebungen, Produkte oder Arbeitsplätze
- Hinweis auf persistente Umweltbelastung, insbesondere bei Kindern und Frauen im gebärfähigen Alter
- Spezifische Konstellationen
- Gleichzeitige Bestimmung anderer POPs (z. B. Dioxine, polychlorierte Biphenyle – PCB) zur Abschätzung der Gesamtbelastung
- Bei chronischer Exposition: Kombination mit Schilddrüsenparametern, Sexualhormonen und neurologischer Entwicklungsdiagnostik
Weiterführende Diagnostik
- Ergänzende Laborparameter – Schilddrüsenhormone (TSH, fT3, fT4), Sexualhormone, Neurotransmitterprofile
- Genetische Untersuchungen – Polymorphismen in Detoxifikationsenzymen (z. B. CYP2B6)
- Bildgebung/Funktionsdiagnostik – Neuropsychologische Testung, EEG (Hirnstrommessung) bei Kindern mit kognitiver Beeinträchtigung
- Umweltanalytik – Hausstaubanalysen, Arbeitsplatzmessungen
Literatur
- Frederiksen M, Vorkamp K, Thomsen M, Knudsen LE: Human internal and external exposure to PBDEs – a review of levels and sources. Int J Hyg Environ Health. 2009;212(2):109-134. https://doi.org/10.1016/j.ijheh.2008.04.005
- Costa LG, Giordano G: Developmental neurotoxicity of polybrominated diphenyl ether (PBDE) flame retardants. Neurotoxicology. 2007;28(6):1047-1067. https://doi.org/10.1016/j.neuro.2007.08.007
- Darnerud PO: Toxic effects of brominated flame retardants in man and in wildlife. Environ Int. 2003;29(6):841-853. https://doi.org/10.1016/S0160-4120(03)00107-7