Phthalate

Phthalate sind synthetisch hergestellte chemische Verbindungen, die als Weichmacher in Kunststoffen verwendet werden, insbesondere in Polyvinylchlorid (PVC) (Weichplastik). Sie dienen der Verbesserung von Elastizität, Flexibilität und Verarbeitbarkeit zahlreicher Alltagsprodukte. Aufgrund ihrer weit verbreiteten Verwendung gelten Phthalate als bedeutende Umweltbelastung mit potenziellen gesundheitlichen Auswirkungen.

Vorkommen und Expositionsquellen

  • Kunststoffe und Verbraucherprodukte
    • Enthalten in PVC-Produkten wie Bodenbelägen, Tapeten, Duschvorhängen, Kabelisolierungen, Spielzeugen, Sportartikeln, Schläuchen und Verpackungen.
  • Kosmetika und Körperpflegeprodukte
    • Verwendung in Parfüms, Haarsprays, Nagellacken und Lotionen als Lösungsmittel oder Trägerstoffe.
  • Medizinprodukte
    • Vor allem in Weich-PVC-basierten Produkten wie Infusionsschläuchen, Blutbeuteln, Kathetern.
  • Lebensmittelkontaktmaterialien
    • Übergang (Migration) aus Verpackungen, Verschlüssen oder Verarbeitungsschläuchen in fetthaltige Lebensmittel.
  • Innenraumluft und Hausstaub
    • Abgabe flüchtiger Phthalate aus Möbeln, Farben, Lacken und elektronischen Geräten in die Raumluft, Anreicherung im Hausstaub.
  • Berufliche Exposition (berufsbedingte Belastung)
    • Erhöhte Belastung bei Beschäftigten in Kunststoffverarbeitung, Verpackungsindustrie, Druckerei oder Kosmetikherstellung.

Toxikologie und gesundheitliche Wirkung

  • Endokrine Disruption (Beeinflussung des Hormonsystems)
    • Phthalate wirken hormonähnlich, insbesondere mit antiandrogener Wirkung – Beeinträchtigung der Testosteronproduktion.
  • Reproduktionstoxizität (Fortpflanzungsschädigung)
    • Beeinträchtigung der Spermatogenese (Spermienbildung), Hodenschädigung, Entwicklungsschäden beim männlichen Fetus („Phthalat-Syndrom“).
  • Störung der neurologischen Entwicklung (Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung)
    • Zusammenhang mit verminderter kognitiver Leistung, ADHS-Symptomen, Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern.
  • Metabolisches Syndrom (Stoffwechselerkrankung)
    • Hinweise auf Zusammenhang mit Insulinresistenz, erhöhtem Bauchumfang, gestörter Blutzuckerregulation.
  • Immunmodulation (Beeinflussung des Immunsystems)
    • Beteiligung an allergischen Erkrankungen wie Asthma bronchiale und Neurodermitis.

Das Verfahren

  • Benötigtes Material
    • Urin (24-Stunden-Urin oder Spontanurin)
    • Serum (Blutflüssigkeit – bei speziellen Fragestellungen)
  • Vorbereitung des Patienten
    • Keine spezielle Vorbereitung erforderlich
    • Dokumentation potenzieller Belastungsquellen sinnvoll
  • Störfaktoren
    • Kontamination durch Probenbehälter (Plastik statt Glas vermeiden)
    • Verunreinigung durch Pflegeprodukte (z. B. Bodylotions, Parfüm)
    • Tagesabhängige Schwankungen durch kurze Abbauzeit im Körper
  • Methode
    • Hochleistungsflüssigkeitschromatographie mit Tandem-Massenspektrometrie (HPLC-MS/MS) – ein modernes Labormessverfahren
    • Nachweis der Abbauprodukte (Metaboliten) im Urin, z. B. Monoethylphthalat

Normbereiche (je nach Labor)

Metabolit Referenzwert (µg/g Kreatinin)
Monoethylphthalat (MEP) < 150 µg/g
Mono-n-butylphthalat (MnBP) < 100 µg/g
Mono(2-ethylhexyl)phthalat (MEHP) < 20 µg/g

Normbereiche sind abhängig von der Untersuchungsmethode und dem Labor

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Umwelt- und Biomonitoring (Überwachung von Umweltbelastungen)
  • Berufliche Expositionsdiagnostik (Nachweis berufsbedingter Belastung)
  • Abklärung bei Entwicklungsverzögerungen oder Fruchtbarkeitsstörungen
  • Untersuchung bei Allergien oder chronischen Atemwegserkrankungen
  • Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern (z. B. im Rahmen von Studien)

Interpretation

  • Erhöhte Werte
    • Hinweis auf eine akute oder längerfristige Belastung mit Phthalaten
    • Erhöht bei Kontakt mit belasteten Produkten oder am Arbeitsplatz
    • Besonders kritisch im Kindesalter
  • Erniedrigte Werte
    • Keine auffällige Belastung, möglicherweise durch Vermeidung belasteter Produkte
    • Wegen der schnellen Ausscheidung sind Einzelwerte nur begrenzt aussagekräftig
  • Spezifische Konstellationen
    • Kombination mehrerer Phthalat-Abbauprodukte kann Rückschlüsse auf die Art der Belastung geben
    • Zusammenhang mit gesundheitlichen Beschwerden muss im Gesamtbild beurteilt werden

Weiterführende Diagnostik

  • Erweiterte Umweltanalytik
    • Weitere Weichmacher wie Bisphenol A oder DINCH
    • Untersuchung von Hausstaub oder Raumluft
  • Hormonstatus (Hormonspiegel im Blut)
    • Testosteron, LH (luteinisierendes Hormon), FSH (follikelstimulierendes Hormon)
  • Allergiediagnostik
    • Gesamt-IgE, spezifisches IgE, eventuell Provokationstests