Pflanzenschutzmittel (z. B. Glyphosat, Chlorpyrifos)

Pflanzenschutzmittel sind chemische oder biologische Wirkstoffe, die eingesetzt werden, um Pflanzen vor Schädlingen, Unkraut oder Krankheiten zu schützen. Zu den wichtigsten Substanzen zählen Herbizide (Unkrautvernichter), Insektizide (Insektenbekämpfungsmittel) und Fungizide (Pilzbekämpfungsmittel). In der Umweltmedizin stehen bestimmte Wirkstoffe wie Glyphosat (breit wirksames Herbizid) und Chlorpyrifos (organisches Insektizid) im Verdacht, toxische Wirkungen auf den Menschen auszuüben.

Vorkommen und Expositionsquellen

  • Landwirtschaftlicher Einsatz – Großflächige Anwendung in Ackerbau, Obst- und Gemüseanbau.
  • Lebensmittelrückstände (Rückstände in Lebensmitteln) – Nachweisbare Mengen in Getreide, Hülsenfrüchten, Obst, Gemüse, Kräutern und Tee.
  • Wohnumfeld – Abdrift bei Spritzungen, Verwendung in Gärten, Spielplätzen oder kommunalen Grünanlagen.
  • Berufliche Exposition (berufsbedingter Kontakt) – Höhere Belastung bei Landwirten, Gärtnern und Reinigungskräften.
  • Trinkwasser und Hausstaub – Nachweis insbesondere bei wasserlöslichen Substanzen wie Glyphosat.

Toxikologie und gesundheitliche Wirkung

  • Glyphosat (breit wirksames Unkrautvernichtungsmittel)
    • Toxische Wirkung (giftige Wirkung) – Diskussion über kanzerogenes Potenzial (krebserregende Wirkung), Störung der Darmflora, oxidative Zellschäden.
    • Endokrine Disruption (Beeinflussung des Hormonsystems) – Hinweise auf hormonaktive Effekte, insbesondere bei chronischer Exposition.
  • Chlorpyrifos (organisches Insektizid)
    • Neurotoxizität (Nervenschädigung) – Hemmung der Acetylcholinesterase (Enzym zur Reizweiterleitung im Nervensystem), Entwicklungsschäden des Nervensystems bei Föten und Kleinkindern.
    • Entzündungsprozesse – Hinweise auf proinflammatorische Wirkungen im zentralen Nervensystem.

Umweltrelevanz

  • Persistenz (Umweltbeständigkeit) – Glyphosat ist wasserlöslich und in bestimmten Böden stabil; Chlorpyrifos zeigt hohe Beständigkeit in Gewässern und Böden.
  • Bioakkumulation (Anreicherung im Körper) – Chlorpyrifos reichert sich in fettreichen Geweben an.
  • Ökotoxizität (Schädlichkeit für Tiere und Pflanzen) – Nachweis von Schädigungen bei Insekten (z. B. Bienen), Fischen, Amphibien und Bodenorganismen.

Diagnostik (Biomonitoring)

  • Untersuchungsmaterial
    • Urin (Harn) – z. B. Glyphosat und sein Metabolit (Abbauprodukt) AMPA
    • Blut – v. a. für Chlorpyrifos und andere lipophile Substanzen (fettlösliche Stoffe)
  • Analytische Verfahren (Untersuchungsmethoden)
    • Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) – Trenn- und Messmethode für Substanzen
    • Flüssigchromatographie-Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) – empfindliche Messmethode für chemische Rückstände
  • Referenz- und Richtwerte
    • Keine einheitlichen toxikologisch gesicherten Referenzwerte in Deutschland
    • Vergleichswerte aus Umweltstudien (z. B. Human-Biomonitoring-Werte (Vergleichswerte für Stoffbelastungen beim Menschen) des Umweltbundesamtes)

Symptome einer chronischen Belastung

  • Allgemeinsymptome – Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen
  • Gastrointestinale Beschwerden (Magen-Darm-Beschwerden) – Übelkeit, Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen
  • Neurologische Störungen (Nervenfunktionsstörungen) – Parästhesien (Kribbeln, Taubheit), Reizbarkeit, Schlafstörungen
  • Endokrine Auffälligkeiten (Hormonstörungen) – Menstruationsstörungen, Schilddrüsenfunktionsstörungen
  • Kindliche Entwicklung – Entwicklungsverzögerung, ADHS-ähnliche Symptome, Intelligenzminderung (v. a. bei Chlorpyrifos)

Risikogruppen

  • Schwangere und Kinder – Besonders empfindlich gegenüber neurotoxischen und hormonellen Wirkungen
  • Landwirtschaftliches Personal (z. B. Bauern) – Höhere Exposition durch Einatmen und Hautkontakt
  • Bewohner landwirtschaftlicher Regionen – Erhöhte Umweltexposition durch Nähe zu Spritzflächen

Vorsorge und Prävention

  • Primärprävention (Vorbeugung vor Belastung)
    • Vermeidung oder Minimierung der Exposition durch ökologische Landwirtschaft
    • Aufklärung über Risiken und sichere Handhabung
    • Verzicht auf private Anwendung von Pestiziden im Wohnumfeld
  • Sekundärprävention (Früherkennung und Überwachung)
    • Regelmäßiges Monitoring bei Risikogruppen
    • Umweltanamnese (Fragebogen zur Umweltbelastung) mit gezielter Befragung zu Wohnort, Beruf und Ernährung
  • Tertiärprävention (Vermeidung von Folgeschäden)
    • Therapie und Verlaufskontrolle bei nachgewiesener Belastung
    • Entgiftungstherapien (Ausscheidungsförderung) bei klinischer Relevanz nur nach toxikologischer Indikation

Weiterführende Diagnostik

  • Umweltmedizinische Labordiagnostik (erweiterte Laboruntersuchungen)
    • Erweiterte Analytik auf weitere Pestizide (Pflanzenschutzmittel), Schwermetalle, Lösungsmittel
  • Funktionstests (Untersuchung der Organfunktionen)
    • Neuropsychologische Testung (Gedächtnis, Aufmerksamkeit), Hormonstatus, Leber- und Nierenfunktion
  • Bildgebung (bei chronischer Belastung)
    • Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns bei neurologischer Symptomatik

Literatur

  1. Mesnage R, Antoniou MN. Facts and Fallacies in the Debate on Glyphosate Toxicity. Front Public Health. 2017;5:316. https://doi.org/10.3389/fpubh.2017.00316