Mikroplastik (und Nanoplastik)
Mikroplastik und Nanoplastik sind weltweit verbreitete Umweltschadstoffe, die durch Zerfall größerer Kunststoffteile oder durch gezielte industrielle Anwendung entstehen. Aufgrund ihrer geringen Partikelgröße können sie in biologische Systeme eindringen, was potenzielle Risiken für Umwelt und Gesundheit birgt.
Vorkommen und Expositionsquellen
- Primäres Mikroplastik – Industriell hergestellte Mikropartikel (kleine Kunststoffteilchen) (z. B. in Kosmetika, Reinigungsmitteln, Industrieschleifmitteln).
- Sekundäres Mikroplastik – Entsteht durch Fragmentierung größerer Kunststoffteile (z. B. Verpackungsmüll, Textilien, Reifenabrieb).
- Nanoplastik – Weitere Fragmentierung von Mikroplastik durch photochemische, thermische oder biologische Prozesse.
- Trinkwasser – Belastung durch mikroplastikhaltige Rückstände in Leitungswasser und Mineralwasserflaschen.
- Nahrungsmittel – Nachweis in Fisch, Meeresfrüchten, Salz, Honig und pflanzlichen Produkten.
- Luft – Inhalative Aufnahme durch Abrieb von Textilien, Reifen und urbanem Feinstaub (feine Schwebstoffe).
- Wohnumfeld – Belastung durch synthetische Teppiche, Farben, Lacke und Haushaltsstaub.
- Berufliche Exposition – Risiko für Arbeiter in der Kunststoffindustrie, Müllverwertung, Textilproduktion.
Toxikologie und gesundheitliche Wirkung
- Bioakkumulation (Anreicherung im Körper) – Anreicherung insbesondere im Verdauungstrakt, lymphatischen Gewebe, möglicherweise auch in Leber, Milz und Plazenta.
- Entzündungsreaktionen – Partikel können lokale Entzündungsreaktionen induzieren, z. B. durch oxidative Stressantwort.
- Endokrine Disruption – Kunststoffbestandteile wie Bisphenol A oder Phthalate können hormonähnlich wirken.
- Kanzerogenes Potenzial (krebsauslösendes Risiko) – Studien deuten auf mögliche DNA-Schädigungen bei chronischer Exposition hin.
- Plazentagängigkeit – Mikropartikel wurden in humaner Plazenta und Fruchtwasser nachgewiesen, potenziell mit Einfluss auf die fetale Entwicklung.
Das Verfahren
- Benötigtes Material
- Blut, Urin, Stuhl, Atemluft, Plazentagewebe oder Biopsien
- Trinkwasserproben, Hausstaub, Lebensmittelproben
- Vorbereitung des Patienten
- Keine spezielle Vorbereitung erforderlich
- Störfaktoren
- Kontamination durch Verpackung, Kleidung, Umgebungsluft
- Fehlerhafte Probenlagerung (z. B. in Kunststoffgefäßen)
- Methode
- Pyrolyse-Gaschromatographie-Massenspektrometrie (zerstörungsfreie Analyse mit Massenspektrometer)
- Mikro-FTIR- oder Raman-Spektroskopie (optische Identifikation von Kunststoffarten)
- Thermoextraktion mit anschließender Detektion (TED-GC-MS)
- Fluoreszenzmikroskopie und Rasterelektronenmikroskopie (REM)
- Liquid Chromatography-Mass Spectrometry (LC-MS) für Additive
Normbereiche (je nach Labor)
Da Mikro- und Nanoplastik keine körpereigenen Substanzen sind, existieren keine Referenzbereiche im klassischen Sinn. Der Nachweis dient der qualitativen und semi-quantitativen Erfassung von Expositionen.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Umweltmedizinische Abklärung bei chronischer Exposition
- Evaluierung möglicher umweltbedingter Krankheitsursachen
- Expositionsmonitoring bei Risikogruppen (Industrie, Landwirtschaft, Küstenregionen)
- Forschung und Public-Health-Studien zur Schadstoffbelastung
- Plazentadiagnostik in der Geburtsmedizin bei Verdacht auf Umweltbelastung
Interpretation
- Positiver Nachweis
- Hinweis auf Umwelt- oder Nahrungsmittelbelastung
- Bei gleichzeitiger klinischer Symptomatik möglicher Kofaktor bei chronischen Erkrankungen (z. B. Magen-Darm-Beschwerden, systemische Entzündung)
- Keine belastbaren Grenzwerte
- Aktuell existieren keine toxikologisch begründeten Schwellenwerte für mikro- oder nanoplastische Partikel
- Kombinierte Interpretation
- Kombination mit toxikologischer Analyse auf Additive (Phthalate, Bisphenole)
- Ergänzende Diagnostik zur Entzündungs- oder Immunaktivierung sinnvoll
Weiterführende Diagnostik
- Laborparameter
- Phthalate, Bisphenol A, Nonylphenole im Urin
- Gesamt-IgE, Zytokine, oxidativer Stress (8-OHdG)
- Immunstatus und Allergietests
- Prick-Test, RAST, Lymphozytentransformationstest
- Bildgebende Verfahren
- Magnetresonanztomographie (MRT) bei systemischen Entzündungen oder neurologischen Beschwerden
- Langzeit-Monitoring
- Wiederholte Umweltproben zur Verlaufskontrolle bei Risikopatienten
Literatur
- Leslie HA, van Velzen MJM, Brandsma SH et al.: Discovery and quantification of plastic particle pollution in human blood. Environ Int. 2022;163:107199. https://doi.org/10.1016/j.envint.2022.107199
- Yong CQY, Valiyaveetill S, Tang BL: Toxicity of microplastics and nanoplastics in mammalian systems. Int J Environ Res Public Health. 2020;17(5):1509. https://doi.org/10.3390/ijerph17051509
- Ragusa A, Svelato A, Santacroce C et al.: Plasticenta: First evidence of microplastics in human placenta. Environ Int. 2021;146:106274. https://doi.org/10.1016/j.envint.2020.106274