Funktioneller Fibrinogentest (bei V. a. Dysfibrinogenämie)
Die funktionelle Fibrinogenbestimmung ist ein zentraler Bestandteil der hämostaseologischen (Blutgerinnung betreffenden) Diagnostik bei Verdacht auf qualitative Fibrinogenstörungen, insbesondere Dysfibrinogenämien (Fehlfunktionen des Fibrinogens). Diese sind gekennzeichnet durch strukturelle Veränderungen des Fibrinogenmoleküls (Blutgerinnungseiweiß), wodurch seine Fähigkeit zur Fibrinbildung (Bildung eines stabilen Gerinnsels) beeinträchtigt ist. Der funktionelle Test erlaubt die Bestimmung der Gerinnungsaktivität des Fibrinogens und wird insbesondere dann eingesetzt, wenn bei normalem Fibrinogen-Antigenwert eine verlängerte Thrombinzeit (TZ; Messgröße der Gerinnung nach Thrombinzugabe) oder Blutungsneigung besteht.
Synonyme
- Clauss-Methode
- Funktionelle Fibrinogenbestimmung
- Aktivitätsmessung des Fibrinogens
- Funktionstest bei Verdacht auf Dysfibrinogenämie
Das Verfahren
Benötigtes Material
- Citratblut (mit einem Gerinnungshemmer versetztes Blut)
- Zentrifugiertes Plasma (flüssiger Anteil des Blutes ohne Zellen)
Vorbereitung des Patienten
- Keine spezielle Vorbereitung erforderlich
- Medikamentenanamnese (z. B. Antikoagulanzien [blutgerinnungshemmende Mittel], Fibrinolytika [Gerinnsel auflösende Medikamente]) beachten
Störfaktoren
- Heparin im Probenmaterial – Kann die Thrombin-induzierte Gerinnung hemmen und zu falsch niedrigen Werten führen
- Hämolyse (Zerfall roter Blutkörperchen) – Kann die Fibrinpolymerisation (Verfestigung des Gerinnungsnetzwerks) stören
- Erhöhtes CRP (C-reaktives Protein, Entzündungsmarker) – Kann das Ergebnis beeinflussen
- Hyperlipidämie (erhöhte Blutfette) oder Hyperbilirubinämie (erhöhter Gallenfarbstoff im Blut) – Stört bestimmte Messmethoden
- Unzureichende Plasmavorbereitung – Kann zu fehlerhaften Ergebnissen führen
Methode
- Durchführung nach der Clauss-Methode: Zu verdünntem Patientenplasma wird eine definierte Menge Thrombin (Gerinnungsenzym) gegeben. Die Zeit bis zur Fibrinbildung ist proportional zur funktionellen Fibrinogenkonzentration.
- Die Messung erfolgt anhand einer Kalibrationskurve mit Standardplasmen bekannter Fibrinogenaktivität.
- Zusätzlich: Fibrinogen-Antigenbestimmung (Messung der Eiweißmenge im Blut), um zwischen einer Mangelmenge und einer Funktionsstörung zu unterscheiden.
Normbereiche (je nach Labor)
- Fibrinogen (funktionell, Clauss-Methode): 1,8-4,0 g/l
- Fibrinogen (Antigenbestimmung): 2,0-4,5 g/l
Bewertung der Diskrepanz:
- Funktion ≪ Antigen → Hinweis auf Dysfibrinogenämie: Das Eiweiß ist vorhanden, funktioniert aber nicht richtig.
- Funktion ≈ Antigen, aber beide ↓ → Hypofibrinogenämie: Sowohl Menge als auch Funktion sind vermindert.
- Funktion = 0, Antigen = 0 → Afibrinogenämie: Es ist kein Fibrinogen im Blut nachweisbar.
Beispiel bei Dysfibrinogenämie:
- Fibrinogen funktionell: 0,5 g/l
- Fibrinogen Antigen: 2,8 g/l → starke Diskrepanz (Hinweis auf einen funktionellen Defekt)
Indikationen
- Verlängerte Thrombinzeit (TZ) bei normalem oder leicht verändertem Fibrinogenwert
- Verdacht auf kongenitale (angeborene) oder erworbene Dysfibrinogenämie
- Unklare Blutungsneigung oder Thromboseneigung (erhöhte Gerinnselbildung)
- Auffällige Gerinnungswerte bei Lebererkrankungen
- Präoperative Abklärung bei auffälliger Familienanamnese
- Verlaufskontrolle bei bekannter Fibrinogenstörung
Interpretation
Erniedrigte funktionelle Fibrinogenaktivität bei normalem Antigenwert
- Kongenitale Dysfibrinogenämie (vererbte Funktionsstörung)
- Erworbene Dysfibrinogenämie – z. B. bei Leberzirrhose (vernarbte Leber), systemischen Amyloidosen (Eiweißablagerung im Körper) oder bösartigen Tumoren
Funktion und Antigen beide niedrig
-
Hypofibrinogenämie – z. B. bei Verbrauchskoagulopathie (DIC; Verbrauch der Gerinnungsstoffe), Leberinsuffizienz (Leberfunktionsschwäche)
Funktion und Antigen nicht nachweisbar
-
Afibrinogenämie – angeborenes vollständiges Fehlen von Fibrinogen
Wichtig: Patienten mit Dysfibrinogenämie können neben Blutungsproblemen auch eine erhöhte Neigung zu Thrombosen (Blutgerinnseln) aufweisen.
Weiterführende Diagnostik
- Thrombinzeit (TZ) und Reptilasezeit – zum Ausschluss einer Hemmung durch Heparin
- Fibrinogen-Antigenbestimmung zur Quantifizierung
- Genetische Testung bei Verdacht auf angeborene Form (Mutationen in den Fibrinogen-Genen FGA, FGB, FGG)
- Thromboelastographie (TEG) oder Rotations-Thrombelastometrie (ROTEM) – zur erweiterten funktionellen Gerinnungsanalyse
- Leberdiagnostik – bei Verdacht auf erworbene Dysfibrinogenämie
SDS-PAGE oder Massenspektrometrie – zur exakten Untersuchung der Eiweißstruktur in Spezialfällen