Koliken, Blähungen und Hautreaktionen beim Baby – Zusammenhang mit Ernährung der Mutter
Säuglingskoliken, meteoristische Beschwerden und Hautmanifestationen wie Ekzeme oder Exantheme gehören zu den häufigsten Gründen für eine pädiatrische Vorstellung in den ersten Lebensmonaten. In der Praxis stellt sich häufig die Frage, inwieweit mütterliche Ernährungsfaktoren in der Stillzeit eine Rolle spielen. Die Evidenzlage hierzu ist differenziert und erfordert eine sorgfältige Abgrenzung zwischen physiologischen Anpassungsreaktionen, funktionellen Störungen und immunologisch vermittelten Erkrankungen.
Pathophysiologische Grundlagen
- Koliken und Blähungen entstehen bei Säuglingen meist durch unreife Bewegungen von Magen und Darm, mit denen die Nahrung transportiert und verdaut wird, die sogenannte gastrointestinale Motilität (Magen-Darm-Bewegungen), veränderte Darmmikrobiota (Gemeinschaft der Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Viren, Archaea) im Darm) und gesteigerte Gasbildung. Zusätzlich können psychovegetative Faktoren eine Rolle spielen.
- Hautreaktionen (atopische Dermatitis (Neurodermitis), Urtikaria-artige Exantheme/nesselartige Hautausschläge) sind häufig Ausdruck einer allergischen Reaktion, insbesondere im Kontext einer atopischen Familienanamnese.
- Über die Muttermilch gelangen Proteine, Peptide und niedermolekulare Nahrungsbestandteile in geringer Konzentration in den kindlichen Organismus, wo sie immunmodulierend wirken können [1].
Einfluss der Ernährung der Mutter
- Kuhmilchproteine: Sensibilisierung gegenüber β-Lactoglobulin und Casein (Haupt-Eiweiß in der Kuhmilch) ist bei gestillten Säuglingen mit atopischen Symptomen oder gastrointestinalen Beschwerden nachgewiesen. Ein Zusammenhang zwischen mütterlichem Kuhmilchverzehr und kindlicher Symptomatik ist in mehreren Studien beschrieben [2].
- Andere potentielle Trigger: Ei, Soja, Nüsse, Weizen und Fisch sind ebenfalls relevante Allergene. Ihre Bedeutung in der Stillzeit ist individuell unterschiedlich und hängt stark vom atopischen Risiko ab.
- FODMAP-reiche Nahrungsmittel (Lebensmittel, die viele schwer verdauliche Zuckerarten enthalten): Blähungsfördernde Lebensmittel (z. B. Zwiebeln, Kohl, Hülsenfrüchte) können den Gasgehalt der Muttermilch zwar nicht direkt beeinflussen, aber durch indirekte Effekte auf die mütterliche Darmmikrobiota und sekundär auf die Milchzusammensetzung in Einzelfällen Beschwerden beim Säugling verstärken.
Klinische Relevanz und praktische Aspekte
- Ausschlussdiäten bei der Mutter sollten nur nach sorgfältiger Indikationsstellung erfolgen, um eine Mangelversorgung der Mutter zu verhindern.
- Diagnostik: Bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie des Kindes (z. B. anhaltende Ekzeme, Blut im Stuhl, anhaltende Koliken) kann ein zeitlich begrenzter Eliminationsversuch mit anschließender Reexposition (Wiedereinführung) sinnvoll sein.
- Prävention: Eine generelle Restriktion bestimmter Nahrungsmittel in der Stillzeit wird nicht empfohlen. Wichtig ist eine ausgewogene Ernährung mit ausreichender Zufuhr von Mikronährstoffen.
- Probiotika: In randomisierten Studien zeigen bestimmte Stämme wie Lactobacillus rhamnosus GG oder Bifidobacterium breve präventive Effekte auf atopische Manifestationen bei Risikokindern [3]. Die Bakterienstammauswahl ist dabei entscheidend.
Prävention und Beratung
- Stillen sollte – wenn möglich – exklusiv in den ersten 4-6 Monaten erfolgen, da es schützend gegenüber Allergien und funktionellen gastrointestinalen Störungen wirkt.
- Elternaufklärung ist zentral: Viele Beschwerden sind altersbedingt und selbstlimitierend. Nur bei klarer Symptomassoziation mit Nahrungsmitteln sollte eine gezielte Ernährungsmodifikation der Mutter erfolgen.
- Bei schweren oder persistierenden Haut- und Magen-Darm-Symptomen ist eine interdisziplinäre Abklärung (Pädiatrie, Allergologie, Ernährungsmedizin) indiziert.
Literatur
- Verhasselt V: Neonatal tolerance under breastfeeding influence. Curr Opin Immunol. 2010 Aug;22(4):623-30. doi: 10.1016/j.coi.2010.08.001.
- Ludman S, Shah N, Fox AT: Managing cows’ milk allergy in children. BMJ. 2013 Sep 19;347:f5424. doi: 10.1136/bmj.f5424.
- Cuello-Garcia CA et al.: Probiotics for the prevention of allergy: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. J Allergy Clin Immunol. 2015 Oct;136(4):952-961. doi: 10.1016/j.jaci.2015.04.031.