Alkoholkonsum in der Schwangerschaft und seine Auswirkungen auf das Ungeborene

Alkoholkonsum in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Missbildungen, Wachstumsstörungen, geistige Entwicklungsverzögerungen und Verhaltensauffälligkeiten beim Kind. Alkohol ist die häufigste vermeidbare Ursache einer angeborenen geistigen Behinderung. Deshalb gilt ein generelles Alkoholverbot in der Schwangerschaft [1-3].

Schon geringe Mengen – etwa beim „sozialen“ oder gelegentlichen Trinken – können die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung ist nicht linear: „Wenn ich wenig trinke, bin ich auf der sicheren Seite“, ist eine falsche Annahme [3]. Bei chronischem Alkoholismus der Mutter sind bis zu 40 % der Kinder schwer geschädigt. Alkohol gelangt zudem in die Muttermilch und verändert deren Geruch und Geschmack sowie das Verhalten der Säuglinge.

Wie Alkohol den Fetus schädigt

Bei der Verstoffwechselung des Ethanols in der Leber der schwangeren Frau entsteht das hochreaktive Zwischenprodukt Acetaldehyd. Sowohl Ethanol als auch Acetaldehyd passieren ungehindert die Plazentaschranke und gelangen direkt in den Blutkreislauf des ungeborenen Kindes. Dort schädigen sie unmittelbar die Körperzellen des Fetus [1].

Alkohol wirkt als Mitosegift: Er stört die Mitose (Zellteilung) und verhindert eine optimale Zellvermehrung. Dadurch wird Gewebe mangelhaft oder fehlerhaft ausgebildet. Typische Folgen sind:

  • Minderwuchs
  • Niedriges Geburtsgewicht
  • Mikrozephalie (verkleinerter Kopfumfang infolge eingeschränkten Hirnwachstums)

Besonders kritisch ist das erste Schwangerschaftsdrittel: Werden in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft regelmäßig alkoholische Getränke konsumiert, sammeln sich die Abbauprodukte im kindlichen Organismus an. Zu diesem Zeitpunkt sind die Organe gerade in der Ausbildung, und die kindliche Leber ist noch nicht in der Lage, den Alkohol ausreichend zu verstoffwechseln [2].

Dem kindlichen Organismus fehlt zudem das alkoholabbauende Enzym Alkoholdehydrogenase. Daher ist der Fetus über einen langen Zeitraum hinweg deutlich höheren Alkoholkonzentrationen ausgesetzt als die Mutter [3].

Die Folgen betreffen nicht nur die Leber, sondern auch die Entwicklung anderer Organe. Besonders gefährdet ist das Gehirn, das während der Schwangerschaft rasant wächst. Alkohol und seine Metabolite stören diese Prozesse und verursachen bleibende Schäden an Nervenzellen, die sich in geistigen und neurologischen Defiziten äußern [1, 3].

Schwangerschaft – Alkoholkonsum und Vitalstoffmangel

Neben den direkten gesundheitlichen Schäden durch Alkohol wird auch die Entwicklung des ungeborenen Kindes durch alkoholbedingte Vitalstoffdefizite der Mutter erheblich gestört.

Alkoholkonsum hemmt die Aufnahme, Verwertung und Speicherung wichtiger Mikronährstoffe. Dadurch steigt der Bedarf an essentiellen Vitalstoffen bei Schwangeren deutlich an. Kritisch betroffen sind insbesondere:

  • Vitamin A, E und D – wichtig für Zellwachstum, antioxidativen Schutz und Knochenentwicklung
  • Vitamine des B-Komplexes (u. a. B1, B6, B12, Folsäure) – entscheidend für Blutbildung, Nerven- und Gehirnentwicklung
  • Magnesium – wichtig für Muskel- und Nervenfunktionen, vermindert bei Alkoholismus und erhöht das Risiko für Früh- und Totgeburten
  • Eisen – bei Mangel treten Blutbildveränderungen auf; ausgeprägte Anämien erhöhen das Risiko für Plazentaablösung, Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht und perinatale Mortalität
  • Zink – beeinflusst Wachstumsprozesse und Immunsystem
  • Calcium – notwendig für Knochen- und Zahnbildung

Weitere Gründe für den erhöhten Bedarf sind die zusätzlichen Anforderungen durch den Fetus, die Plazenta sowie das vermehrte Blutvolumen der Mutter. Fehlen diese Nährstoffe, verstärkt sich der schädigende Effekt des Alkohols auf die kindliche Entwicklung deutlich [1-4].

Schwangerschaft – Alkoholkonsum und Magnesium

Durch die erhöhte Filtration in der Schwangerschaft und die alkoholbedingte gestörte Aufnahme kommt es zu Magnesiumverlusten. Dies begünstigt Früh- und Totgeburten.

Schwangerschaft – Alkoholkonsum und Eisen

Eisenmangel führt bei 75 % der betroffenen Schwangeren zu Blutbildveränderungen. Schwere Anämien (< 6 g/dl Hb) erhöhen das Risiko für Plazentaablösung, Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht und Säuglingssterblichkeit.

Schwangerschaft – Alkoholkonsum und Folsäure

Die tägliche Folsäurezufuhr erhöht sich bei Schwangeren um etwa 100 %, da der Transport von Folsäure über die Plazenta in den Fetus stark gesteigert ist. Der Fetus hat in der Wachstumsphase einen besonders hohen Bedarf an diesem Vitamin. Im Serum von Neugeborenen wurden Folsäurekonzentrationen nachgewiesen, die 6- bis 8-mal höher sind als im Serum der Mutter.

Ist die schwangere Frau unzureichend mit Folsäure versorgt, kann dies schwerwiegende Folgen haben:

  • Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen
  • Niedriges Geburtsgewicht
  • Fehlbildungen des Nervensystems (Neuralrohrdefekte) – zu den Neuralrohrdefekten gehören:
    • Anenzephalie: Hierbei bilden sich Schädel und Gehirn des Fetus nicht richtig aus. Das führt zu schweren Störungen in der Entwicklung des Gehirns und des Zentralnervensystems. Betroffene Babys werden meist tot geboren oder sterben kurz nach der Geburt, da ein Großteil des Gehirns fehlt.
    • Spina bifida („offener Rücken“): Liegt der Defekt im Bereich des Rückenmarks, kommt es zu einer unvollständigen Schließung des Neuralrohrs. Diese Fehlbildung kann zu Lähmungen, Inkontinenz und weiteren schwerwiegenden Behinderungen führen.

Alkoholkonsum verstärkt diese Risiken zusätzlich, da er die Folsäureaufnahme hemmt und so die kindliche Versorgung noch kritischer wird [1-3].

Schwangerschaft – Alkoholkonsum und Jod

Etwa jede vierte Frau beginnt die Schwangerschaft bereits mit einem Jodmangel. Alkoholkonsum verstärkt diesen Mangel und erhöht den Bedarf zusätzlich.

Die Folgen:

  • Schilddrüsenvergrößerung beim Kind
  • Mangel an Schilddrüsenhormonen
  • Beeinträchtigte körperliche Entwicklung mit Wachstumsstörungen und verzögerter Gehirnreifung

Alkoholkonsum und das Fetale Alkoholsyndrom (FAS)

Die Abbauprodukte des Alkohols verursachen eine Vielzahl von Geburtsfehlern und Entwicklungsstörungen, die unter dem Oberbegriff „fetales Alkoholsyndrom“ (FAS) zusammengefasst werden [1, 4].

Man schätzt, dass in Deutschland jährlich rund 2.000 Kinder mit einem FAS zur Welt kommen [1, 3]. Kinder alkoholkranker Mütter weisen typische Fehlbildungen sowie geistige und soziale Entwicklungsauffälligkeiten auf.

Beeinträchtigungen der körperlichen Entwicklung

  • Missbildungen an Nieren, Harnwegen und herznahen Gefäßen [1]
  • Wachstumsretardierung (intrauterin und postnatal) [1,3]
  • Skelett- und Extremitätenfehlbildungen [1, 4]
  • Minderwuchs, niedriges Gewicht, wenig Unterhautfettgewebe [3]
  • Mikrozephalie (kleiner Kopfumfang) [1, 3]
  • Gliedmaßendefekte, Gelenkanomalien [1]
  • Gesichtsauffälligkeiten – bereits ein milder Alkoholkonsum in der Frühschwangerschaft kann dafür ausreichen; typisch sind:
    • Falte am Augeninnenrand
    • Kleine Augenöffnungen, kurze Lidspalte
    • Verkürzter Nasenrücken
    • Schmales Lippenrot
    • Gaumenspalte
    • Verstrichenes oder flaches Philtrum (vertikal verlaufende Vertiefung zwischen Oberlippe und Nase) [5]
    • Fliehendes Kinn, kleine Zähne
    • Bereits < 20 g Alkohol pro Anlass oder eine Wochenmenge von < 70 g können zu Veränderungen wie Abflachung des Mittelgesichts mit verkürzter Nase und Hebung der Nasenspitze führen [5].
  • Arme und Beine: Verkürzung/Beugung des Kleinfingers, auffällige Handlinien, Verwachsung von Elle und Speiche [1, 4]
  • Wirbelsäulenfehlbildungen, Hüftluxation, Steißbeingrübchen, Inguinalhernie, Trichter- oder Kielbrust [1, 4]
  • Innere Organe: Herzfehler (v. a. Septumdefekte), Fehlbildungen des Genitals und der Harnwege [1, 4]

Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung

  • Störungen des Zentralnervensystems [1, 3]
  • Hirnfunktionsstörungen [1, 4]
  • Eingeschränkter Erwerb intellektueller Fähigkeiten [1, 4]
  • Geistige Retardierung [1, 3]
  • Lern- und Wahrnehmungsstörungen [1, 4]
  • Erhöhte Suchtgefährdung im späteren Leben [4]

Beeinträchtigungen von Motorik und Feinmotorik

  • Erschwertes Laufen und Greifen
  • Gestörte Feinmotorik und Koordination [1, 4]
  • Kommunikationsstörungen (Sprachverständnis, Ausdrucksmöglichkeiten) [3, 5]
  • Blindheit oder Sehbehinderungen [5]
  • Hörstörungen bis hin zum Verlust [5]
  • Trink- und Essstörungen [4]
  • Muskelschwäche, Reflexarmut, unkoordinierte Bewegungen, Krampfleiden [4]

Beeinträchtigungen der seelischen und emotionalen Entwicklung

  • Mangelnde Ausgeglichenheit
  • Stimmungsschwankungen
  • Emotionale Instabilität [4]

Beeinträchtigungen der sozialen Entwicklung

  • Anpassungsschwierigkeiten an neue Situationen und Umgebungen [4]
  • Verhaltensstörungen wie Ungeschicklichkeit und Probleme im Umgang mit anderen Menschen [1, 3]
  • Soziale Reifungsstörungen [1, 3]
  • Aufmerksamkeitsdefizite, Hyperaktivität, Übererregbarkeit, leichte Ablenkbarkeit [3-5]

Auch Kinder von alkoholkranken Vätern zeigen häufiger Hyperaktivität und intellektuelle Einschränkungen. Ursache sind alkoholbedingte Schädigungen der Spermien, die bereits bei der Zeugung eine Rolle spielen können [3].

Fazit

Alkoholkonsum in der Schwangerschaft ist in jedem Ausmaß riskant. Es gibt keinen sicheren Grenzwert. Der völlige Verzicht ist die einzig wirksame Prävention für Mutter und Kind.

Literatur

  1. Lange S, Probst C, Gmel G, Rehm J, Burd L, Popova S. Global prevalence of fetal alcohol spectrum disorder among children and youth: a systematic review and meta-analysis. JAMA Pediatr. 2017;171(10):948-956. doi.org/10.1001/jamapediatrics.2017.1919.
  2. Roozen S, Peters GJ, Kok G, Townend D, Nijhuis J, Curfs L. Worldwide prevalence of fetal alcohol spectrum disorders: a systematic literature review including meta-analysis. Alcohol Clin Exp Res. 2016;40(1):18-32. doi.org/10.1111/acer.12939.
  3. May PA, Chambers CD, Kalberg WO, Zellner J, Feldman H, Buckley D, et al. Prevalence of fetal alcohol spectrum disorders in 4 US communities. JAMA. 2018;319(5):474-482. doi.org/10.1001/jama.2017.21896.
  4. Popova S, Lange S, Shield K, Mihic A, Chudley AE, Mukherjee R, Bekmuradov D, Rehm J. Comorbidity of fetal alcohol spectrum disorder: a systematic review and meta-analysis. Lancet. 2016;387(10022):978-987. doi.org/10.1016/S0140-6736(15)01345-8.
  5. Muggli E, Matthews H, Penington A, Claes P, O'Leary C, Forster D, et al. Association Between Prenatal Alcohol Exposure and Craniofacial Shape of Children at 12 Months of Age. JAMA Pediatr. 2017;171(8):771-780. doi.org/10.1001/jamapediatrics.2017.0778.
  6. Feldmann R. Was Alkohol in der Schwangerschaft anrichten kann. Der Springer Medizin Podcast. 2019.

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Fetale Alkoholspektrumstörungen, FASD - Diagnostik. (AWMF-Registernummer: 022-025), Februar 2016 Kurzfassung Langfassung