Reizblase (überaktive Blase, OAB) – Einleitung

Bei der Reizblase (überaktive Blase, OAB) handelt es sich um einen Symptomkomplex innerhalb der Speichersymptome des unteren Harntraktes (LUTS, lower urinary tract symptoms). Sie ist charakterisiert durch plötzlichen, schwer unterdrückbaren Harndrang (urgency) mit oder ohne Dranginkontinenz (plötzlicher Harnverlust bei starkem Harndrang), Pollakisurie (häufiges Wasserlassen in kleinen Mengen) und Nykturie (nächtliches Wasserlassen) – selbst bei fehlenden infektiösen oder strukturellen Ursachen. Die Kontinenz kann erhalten bleiben, ist jedoch nicht zwingend.

Synonyme und ICD-10

Synonyme

  • Frequency-urgency-Syndrom
  • Überaktive Blase (Overactive Bladder, OAB)
  • Reizblasensyndrom

Überholte Begriffe: klimakterische Reizblase, vegetative Reizblase, psychosomatisches Urethralsyndrom, urethral pain syndrome.

ICD-10

  • N32.8 – Sonstige näher bezeichnete Krankheiten der Harnblase (inklusive überaktive Blase)
  • R39.1 – Andere Schwierigkeiten beim Wasserlassen (z. B. Harndrang, Pollakisurie)
  • N39.4 – Sonstige Harninkontinenz (inklusive Dranginkontinenz)
  • N31.- – Neuromuskuläre Dysfunktion der Harnblase (bei neurogenen Formen)

Formen der Reizblase

  • Overactive Bladder dry (OAB-dry): Harndrang ohne Urinverlust
  • Wet OAB (OAB-wet): Harndrang mit Dranginkontinenz

Klinische Unterteilung

  • Idiopathische OAB – ohne erkennbare Ursache
  • Neurogene OAB – im Rahmen neurologischer Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose (MS), Morbus Parkinson, Rückenmarksläsion)
  • Sekundäre OAB – infolge urologischer/gynäkologischer Erkrankungen, hormoneller Veränderungen oder medikamentöser Einflüsse

Epidemiologie

  • Geschlechterverhältnis: Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die Prävalenz liegt bei Frauen bei etwa 21-22 %, bei Männern bei rund 16 % [1].
  • Häufigkeitsgipfel: Erste Zunahme der Symptome ab dem 4. Lebensjahrzehnt, mit deutlicher Häufung bei Frauen zwischen 40-60 Jahren (peri- und postmenopausal) sowie bei Männern ab dem 50. Lebensjahr. Die höchsten Prävalenzraten werden in der Altersgruppe ≥ 65 Jahre erreicht [1].
  • Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Weltweit liegt die Prävalenz der überaktiven Blase bei Erwachsenen zwischen 10-24 %, im höheren Lebensalter steigt sie auf Werte bis über 40 % [1].

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Viele Patienten leiden jahrelang, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Ohne Behandlung persistieren die Symptome und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Prognose

  • Unter multimodaler Therapie – bestehend aus Blasen- und Beckenbodentraining, Verhaltenstherapie, medikamentöser Therapie und ggf. invasiven Maßnahmen wie Botulinumtoxin-Injektionen oder sakraler Neuromodulation – ist bei vielen Patienten eine deutliche Symptomverbesserung möglich.
  • Eine vollständige Beschwerdefreiheit wird jedoch nicht in allen Fällen erreicht.

Komorbiditäten (Begleiterkrankungen)

  • Depressionen
  • Angststörungen
  • Schlafstörungen
  • Chronischer Stress
  • Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus)

Literatur

  1. Cheng Y et al.: Trends in the Prevalence of Overactive Bladder in US Men: NHANES 2005-2020. Sci Rep. 2024;14:19532. https://doi.org/10.1038/s41598-024-66758-8

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Harninkontinenz der Frau. (AWMF-Registernummer: 015 - 091), Januar 2022 Langfassung