Übersicht wichtiger oxidativer Stress-Marker in der klinischen Diagnostik

Oxidativer Stress (Ungleichgewicht zwischen Sauerstoffradikalen und Abwehrsystem) bezeichnet ein Ungleichgewicht zwischen der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS, reactive oxygen species – Sauerstoffradikale) und der antioxidativen Kapazität des Organismus (Abwehrfähigkeit gegen Sauerstoffradikale). Dieses Ungleichgewicht führt zu Zell- und Gewebeschäden und ist an der Pathogenese (Krankheitsentstehung) zahlreicher akuter und chronischer Erkrankungen beteiligt. Klinisch relevante Beispiele sind kardiovaskuläre Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen), neurodegenerative Erkrankungen (Nervenabbauerkrankungen), chronisch-entzündliche Prozesse, maligne Erkrankungen (Krebserkrankungen) sowie metabolische Syndrome (Stoffwechselerkrankungen).

Die labordiagnostische Erfassung von oxidativem Stress ermöglicht eine differenzierte Einschätzung des Redox-Status (Gleichgewicht zwischen oxidierenden und antioxidativen Stoffen) und kann sowohl zur Risikoabschätzung als auch zur Therapiekontrolle eingesetzt werden. Zur Verfügung stehen verschiedene Biomarker (Messgrößen), die entweder direkte oxidative Schäden oder die antioxidative Abwehrkapazität abbilden.

Pathophysiologische Grundlagen
Oxidativer Stress entsteht, wenn die endogene (körpereigene) oder exogene (von außen kommende) Produktion von ROS die antioxidative Kapazität des Körpers übersteigt. ROS umfassen freie Radikale wie Superoxid-Anionen (O₂⁻•, aggressive Sauerstoffmoleküle), Hydroxylradikale (•OH) sowie nicht-radikalische Spezies wie Wasserstoffperoxid (H₂O₂).
Antioxidative Schutzsysteme lassen sich in enzymatische (durch Enzyme vermittelte) wie Superoxiddismutase (SOD, Radikalfänger-Enzym), Katalase (wasserstoffabbauendes Enzym) und nicht-enzymatische (nicht durch Enzyme vermittelte) wie Glutathion (zellschützender Stoff), Vitamin C und Vitamin E Faktoren unterteilen.

Klinisch relevante Laborparameter

  • 8-Oxo-2'-desoxyguanosin (8-Oxo-dG)
    Marker für oxidativ induzierte DNA-Schäden (Erbgutschäden durch Sauerstoffradikale). Erhöhte Konzentrationen korrelieren mit Karzinogenese (Krebsentstehung), neurodegenerativen Erkrankungen (Nervenabbauerkrankungen) und chronischem Stress.
  • Ferric Reducing Ability of Plasma (FRAP)
    Parameter zur Bestimmung der Gesamt-Antioxidationskapazität (Gesamt-Abwehrkraft gegen Sauerstoffradikale). Aussagekräftig bei metabolischen Erkrankungen (Stoffwechselstörungen) und zur Beurteilung altersbedingter Redox-Verschiebungen (Veränderungen des Gleichgewichts oxidativer Prozesse).
  • Glutathion (GSH/GSSG)
    Wichtigstes intrazelluläres Antioxidans (zellschützendes Molekül). Das Verhältnis von reduziertem (GSH) zu oxidiertem Glutathion (GSSG) dient als Indikator des zellulären Redox-Status (Gleichgewicht von Schutz- und Schadstoffen in der Zelle).
  • Katalase
    Enzymatische Komponente der antioxidativen Abwehr (Enzym zum Schutz vor Radikalen). Baut Wasserstoffperoxid (H₂O₂) zu Wasser und Sauerstoff ab. Eine verminderte Aktivität deutet auf eine reduzierte antioxidative Kapazität (Abwehrkraft) hin.
  • Malondialdehyd (MDA)
    Produkt der Lipidperoxidation (Abbauprodukt von zerstörten Zellmembranen). Erhöhte Werte weisen auf oxidative Schädigung von Zellmembranen hin.
  • Superoxiddismutase (SOD)
    Enzym zur Dismutation (Umwandlung) von Superoxid-Anionen (aggressiven Sauerstoffmolekülen) zu Wasserstoffperoxid (H₂O₂). Die Aktivität reflektiert die zelluläre Abwehrkapazität gegenüber ROS (Schutzfähigkeit der Zelle gegen Radikale).
  • Total Antioxidant Capacity (TAC)
    Summenparameter zur Erfassung der Gesamtkapazität antioxidativer Systeme (Gesamt-Abwehrsysteme gegen Sauerstoffradikale) im Serum oder Plasma.
  • Coenzym Q10 (Ubichinon/Ubichinol)
    Lipophiles Antioxidans (fettlöslicher Radikalfänger) mit zentraler Rolle in der mitochondrialen Elektronentransportkette (Energiebildung). Die Konzentrationen reflektieren die antioxidative Kapazität und stehen in Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurodegenerativen Erkrankungen und chronischem Stress. Die labordiagnostische Bestimmung erfolgt im Plasma oder Serum.
  • Trolox Equivalent Antioxidant Capacity (TEAC)
    Standardisierter Test zur Bestimmung der antioxidativen Kapazität (Abwehrkraft), basierend auf der Referenzsubstanz Trolox (Vitamin-E-ähnlicher Stoff).

Indikationsstellung
Die Bestimmung oxidativer Stress-Marker ist insbesondere indiziert bei:

  • Unklaren chronischen Entzündungszuständen
  • Kardiovaskulären Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen)
  • Neurodegenerativen Erkrankungen (Nervenabbauerkrankungen)
  • Diabetes mellitus und metabolischem Syndrom (Zuckerkrankheit und Stoffwechselstörungen)
  • Onkologischen Erkrankungen (Krebserkrankungen)
  • Chronischem psychischem oder physischem Stress
  • Therapiekontrolle bei Antioxidans- oder Lifestyle-Interventionen (Kontrolle von Behandlungen oder Veränderungen des Lebensstils)

Diagnostische Unterstützung: Auswahl oxidativer Stress-Marker in Abhängigkeit von der klinischen Fragestellung

Biomarker Typ Klinische Indikation Besonderheiten
8-Oxo-dG DNA-Schadensmarker (Erbgut-Schadstoff) Karzinogenese (Krebsentstehung), Neurodegeneration (Nervenabbau), chronischer Stress Sensitiv für DNA-Schäden, Verlaufskontrolle möglich
FRAP Gesamt-Antioxidans (Gesamtabwehr) Metabolisches Syndrom (Stoffwechselstörung), Altersmedizin Einfacher Summenparameter, Therapiekontrolle
Glutathion (GSH/GSSG) Redox-Status (Gleichgewicht von Schutz- und Schadstoffen) Lebererkrankungen, Entzündungen, onkologische Therapien (Krebsbehandlungen) Aussagekräftig für intrazellulären Redox-Status
Katalase Enzymatischer Antioxidans (schutzgebendes Enzym) Diabetes, Neurodegeneration (Nervenabbau) Verminderte Aktivität als Progressionsmarker
Malondialdehyd (MDA) Lipidperoxidation (Membranschäden) Kardiovaskuläre Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen), Entzündungen Indikator für Membranschäden
Superoxiddismutase (SOD) Enzymatische Abwehr (zellschützendes Enzym) Autoimmunerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen Frühmarker für Zellstress
TAC Gesamt-Antioxidans (Gesamtabwehr) Multisystemische Erkrankungen (Erkrankungen mehrerer Organsysteme) Übersicht über Gesamtantioxidationskapazität
Coenzym Q10 Lipophiles Antioxidans Kardiovaskuläre Erkrankungen, Neurodegeneration, metabolisches Syndrom Aussagekräftig für mitochondriale Funktion und antioxidative Kapazität
TEAC Gesamt-Antioxidans (Gesamtabwehr) Ergänzend zu TAC Vergleichbarkeit durch Standardisierung