Glutathion (GSH/GSSG)
Glutathion ist der zentrale intrazelluläre Marker zur Beurteilung des Redoxstatus (Gleichgewicht zwischen schädlichen Sauerstoffverbindungen und körpereigenem Schutz). Das Verhältnis von reduziertem Glutathion (GSH) zu oxidiertem Glutathion (GSSG) spiegelt die antioxidative Kapazität (Fähigkeit zur Abwehr von Zellschäden) und das Ausmaß oxidativen Stresses (ungünstiger Sauerstoffbelastung) im Organismus wider. Die Bestimmung wird in der Diagnostik oxidativer Dysbalancen sowie im präventivmedizinischen Kontext verwendet.
Grundlagen
- Struktur – Glutathion (GSH) ist ein Tripeptid (Eiweißbaustein-Kombination) aus Glutamat, Cystein und Glycin. Es existiert in reduzierter (GSH) und oxidierter Form (GSSG).
- Funktioneller Stellenwert – Neutralisation reaktiver Sauerstoffspezies (ROS, schädliche Sauerstoffmoleküle), Regeneration von Antioxidantien (Schutzstoffen, z. B. Vitamin C, Vitamin E), Entgiftung über Phase-II-Biotransformation (körpereigene Entgiftung), Steuerung von Zellproliferation (Zellvermehrung) und Apoptose (kontrollierter Zelltod).
- Elimination – Intrazelluläre Regeneration durch Glutathion-Reduktase (körpereigenes Enzym) oder renale Ausscheidung (Ausscheidung über die Nieren) oxidierter Metaboliten (Abbauprodukte).
Das Verfahren
Benötigtes Material
- EDTA-Vollblut oder Erythrozytenlysat (aufgelöste rote Blutzellen)
- Alternativ Plasma (nur mit sofortiger Stabilisierung geeignet)
Vorbereitung des Patienten
- Möglichst nüchtern zur Reduktion diätetischer Schwankungen
- Verzicht auf hochdosierte Antioxidantien (Schutzstoffe) vor der Probenentnahme
- Vermeidung intensiver körperlicher Aktivität oder akuter Infektionen
Störfaktoren
- Nahrungsaufnahme, insbesondere schwefelhaltige Aminosäuren oder antioxidativ wirksame Lebensmittel
- Intensive körperliche Aktivität
- Medikamente mit antioxidativer (zellschützender) oder prooxidativer Wirkung (kann Zellen schädigen)
- Verzögerte oder unsachgemäße Probenstabilisierung
Analytische Methoden
- Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC, präzises Labormessverfahren) mit UV- oder Fluoreszenzdetektion
- Enzymatische Recyclingmethoden (seltener verwendet)
- Methodenspezifische Variabilität ist zu berücksichtigen
Normwerte
- GSH (Erythrozyten, rote Blutzellen) – 800-1.400 µmol/L
- GSSG – < 10 % des Gesamtglutathions
- GSH/GSSG-Quotient – > 100 gilt als physiologisch (normaler Wert)
- Hinweis – Werte sind methodenspezifisch und variieren je nach Labor; Alter, Geschlecht, Ernährungsstatus (Ernährungszustand) und Begleiterkrankungen müssen berücksichtigt werden
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Kardiovaskuläre Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, z. B. Atherosklerose (Arterienverkalkung) oder Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
- Chronische Lebererkrankungen und Niereninsuffizienz (eingeschränkte Nierenfunktion)
- Neurodegenerative Erkrankungen (nervenzellabbauende Erkrankungen, z. B. Alzheimer-Krankheit, Parkinson-Krankheit)
- Rheumatoide Arthritis und andere chronisch-entzündliche Erkrankungen
- Onkologische Erkrankungen (Krebserkrankungen, zur Beurteilung der antioxidativen Reserve)
- Umweltmedizinische Fragestellungen (z. B. Schwermetallbelastungen)
- Anti-Aging- und Präventionsmedizin
Interpretation
Erhöhte Werte
- GSH erhöht – Durch Nahrungsergänzung (z. B. N-Acetylcystein oder Glutathion) oder durch Anpassung an Ernährung oder körperliches Training
- GSSG erhöht – Hinweis auf akute oxidative Belastung oder aktive Entgiftungsprozesse
Erniedrigte Werte
- GSH erniedrigt – Chronischer oxidativer Stress, Mangel an Vorstufen (z. B. Cystein), Störungen der Glutathionsynthese oder erhöhter Verbrauch
- GSH/GSSG-Quotient erniedrigt – Zeichen einer Redox-Dysbalance (gestörtes Gleichgewicht zwischen Schadstoffen und Schutzmechanismen) und Hinweis auf verminderte antioxidative Kapazität
Weitere Hinweise
- Tagesvariabilität – Gering, wenn die Blutentnahme standardisiert erfolgt
- Klinische Bedeutung – Sensitiver Marker für oxidativen Stress und Redox-Homöostase (Gleichgewicht)
- Limitationen – Sehr empfindlich gegenüber Verzögerungen bei der Probenverarbeitung; methodenspezifische Referenzwerte sind zu beachten
- Forschungsstatus – Breite Anwendung in klinischer Forschung, Umweltmedizin und Präventionsmedizin
Literatur
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- Jones DP. Redefining oxidative stress. Antioxid Redox Signal. 2006;8(9-10):1865-1879. doi: 10.1089/ars.2006.8.1865
- Richie JP Jr, Nichenametla S, Neidig W et al.: Randomized controlled trial of oral glutathione supplementation on body stores of glutathione. Eur J Nutr. 2015;54(2):251-263. doi: 10.1007/s00394-014-0706-z
- Townsend DM, Tew KD, Tapiero H: The importance of glutathione in human disease. Biomed Pharmacother. 2003;57(3-4):145-155. doi: 10.1016/S0753-3322(03)00043-X