Überhöhte Zufuhr – Risikofaktor Kochsalz
Der Zusammenhang zwischen Kochsalz- bzw. Natriumaufnahme, Blutdruck, Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) der Hypertonie (Bluthochdruck) und kardiovaskulären Folgeschäden ist durch viele Studien untersucht und belegt worden [12, 13, 14, 15]. So zeigen Untersuchungen, dass eine überhöhte Zufuhr von täglich 4,6 g Natrium, das entspricht 11,7 g Kochsalz, mit einem erhöhten Risiko für Hypertonie verbunden ist [1]. Allerdings wurde ein Blutdruckanstieg auch schon bei Mengen von 2,3 g Natrium pro Tag, das entspricht 5,8 g Kochsalz, beobachtet [2]. Die blutdrucksteigernde Wirkung wird vor allem dem Mineralstoff Natrium zugesprochen [6]. Der Haupteffekt einer überhöhten Chloridzufuhr in Form von NaCl bzw. Kochsalz ist zwar ebenfalls eine Erhöhung des Blutdrucks [1] – mittels Steigerung der Rückresorption von Natrium in der Niere und Erhöhung der Bereitschaft der glatten Gefäßmuskulatur zu Kontraktion [7] –, aber nach dem heutigen Stand der Wissenschaft sind nachteilige Effekte eher auf die entsprechenden Gegenionen (Kationen) von chloridhaltigen Verbindungen zurückzuführen – bei Kochsalz also auf das Natrium – und nicht auf die Zufuhr von Chlorid selbst [2].
Trotz dieser Erkenntnisse wird der gemeinsamen Zufuhr von Natrium und Chlorid eine Bedeutung für die Blutdrucksteigerung zugesprochen, denn die alleinige Zufuhr von Natrium oder Chlorid (in anderen Verbindungen als Kochsalz) führte zu weniger ausgeprägten Effekten auf den Blutdruck [1].
Im Hinblick auf unerwünschte Effekte ist eine hohe Natriumzufuhr kritischer zu betrachten als eine niedrige Natriumzufuhr [2, 3].
Weitere unerwünschte Effekte einer zu hohen Natriumzufuhr
Eine Metaanalyse von 13 Studien (177.025 Teilnehmer, Studiendauer 5-19 Jahre) brachte hervor, dass eine Erhöhung der Kochsalzaufnahme um 5 g am Tag zu einer Zunahme der Rate an Apoplex (Schlaganfall) um 23 % und an kardiovaskulären (das Herz und Gefäßsystem betreffenden) Erkrankungen um 17 % führte. Interessant dabei ist, dass eine hohe Kochsalzaufnahme auch unabhängig von einer Steigerung des Blutdrucks zu einer erhöhten Apoplex-Mortalität (Sterblichkeit durch Schlaganfall) führt [4].
Ein durch übermäßigen Salzkonsum bedingter Anstieg der Natriumausscheidung von 1.000 mg (entspricht ca. 2,5 g Kochsalz) ging in einer Studie mit einem signifikant um 3 %, 4 % bzw. 4 % höheren Risiko für Karotisplaque (Plaque in der großen Halsschlagader), einem höheren CAC-Score (Coronary Artery Calcification) bzw. Koronarstenosen (Verengung von Herzkranzgefäßen) einher [22].
Hoher Kochsalzkonsum erhöht auch das Risiko für Vorhofflimmern (VHF): Männer im höchsten Quintil Q5 (6,3 g/d) hatten ein signifikant höheres Vorhofflimmerrisiko (+15 %) als Männer im mittleren Quintil Q3 (4,4 g/d) [19].
Eine Reduktion der Natriumaufnahme von einer hohen auf eine moderate (mäßige) Zufuhr senkt das Risiko, an einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche) zu erkranken. Eine Studie zeigte, dass die Teilnehmer, die den höchsten Kochsalzkonsum hatten, um rund ein Drittel häufiger an einer Herzinsuffizienz erkrankten als diejenigen, die den niedrigsten Kochsalzkonsum aufwiesen [9].
Bei Typ-2-Diabetikern, die sich kochsalzreich ernähren, steigt das Risiko für kardiovaskuläre (das Herz- und Gefäßsystem betreffende) Komplikationen wie Angina pectoris (Brustenge; plötzlich auftretender Schmerz in der Herzgegend), Myokardinfarkt (Herzinfarkt) oder Apoplex (Schlaganfall) signifikant an. So zeigte eine Studie, dass Typ-2-Diabetiker, die im Mittel 5,9 g Natrium pro Tag aufnahmen, im Vergleich zu Typ-II-Diabetikern, die täglich 2,8 g Natrium konsumierten, ein doppelt so hohes Risiko für die zuvor genannten Komplikationen hatten. Besonders ausgeprägt war dieser Effekt bei Patienten mit schlecht kontrollierbarem Blutzucker (hoher HbA1c-Wert) [10]. Diabetiker sollten folglich ihren Kochsalzkonsum niedrig halten.
Durch eine hohe Kochsalzaufnahme mit nachfolgender Steigerung der Natriurese (Ausscheidung von Natrium mit dem Harn) wird eine Hypercalciurie (vermehrte Ausscheidung von Calcium über den Urin) und damit eine negative Calciumbilanz begünstigt. Eine um 2,3 g gesteigerte Natriumaufnahme führt zu einer um 24-40 mg gesteigerten Calciumausscheidung [5]. Dadurch wird die Entstehung einer Nephrolithiasis (Nierensteine) begünstigt.
Durch die gesteigerte Calciumausscheidung wird zudem die Osteoporoseentstehung begünstigt. Die bisherigen Studienergebnisse kommen zu dem Schluss, dass eine Kochsalzaufnahme von bis zu 9 g/Tag bei einem Gesunden das Risiko für Osteoporose nicht erhöht [7]. Allerdings liegt die derzeitige tägliche Kochsalzaufnahme der Gesamtbevölkerung bei 8-12 g [4].
Im Rahmen der Pathogenese (Krankheitsentstehung) und Therapie von Nierenerkrankungen ist die Beobachtung interessant, dass eine hohe Kochsalzaufnahme die Perfusion (Durchblutung) bzw. Sauerstoffversorgung der Medulla renalis (Nierenmark) verschlechtert [11].
Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion kann eine erhöhte Natriumzufuhr das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen) wie Apoplex (Schlaganfall) und Herzinsuffizienz (Herzschwäche) erhöhen [17].
Des Weiteren kann eine dauerhaft erhöhte Natriumzufuhr zu Ödemen (Wassereinlagerungen) führen [7].
Durch versehentliche Überdosierung von Kochsalz kam es sowohl bei Säuglingen als auch bei Erwachsenen zu Vergiftungserscheinungen wie Erbrechen. Die akut toxische Menge von Kochsalz wird mit 35 bis 40 g angegeben (entspricht 14 bis 16 g Natrium). Unerwünschte Nebenwirkungen einer akut zu hohen Natriumzufuhr sind starker Durst, Erbrechen, motorische Unruhe, Zittern bis zum Koma und Herzversagen bei extrem hohen Dosen [2].
Als langfristige Risiken einer hohen Natrium- bzw. Kochsalzzufuhr werden ein erhöhtes Risiko für Magenkarzinom (Magenkrebs) und Ulcus duodeni (Zwölffingerdarmgeschwüre) diskutiert [2, 5, 7]. So gibt es Indizien dafür, dass sich eine atrophische Gastritis (Magenschleimhautentzündung) häufiger unter einer hohen Kochsalzzufuhr entwickelt. Zudem können Karzinogene (krebserzeugende Stoffe) die Barriere der Magenmukosa (Magenschleimhaut) leichter durchdringen, wenn im Magen hohe Konzentrationen von Kochsalz vorliegen [7].
In einer Studie erhöht häufiges Nachsalzen von Speisen bei Tisch das Risiko, an Magenkrebs zu erkranken, um 41 % [23].
Widersprüchliche Ergebnisse liefern Studien in Bezug auf den Zusammenhang zwischen einer hohen Kochsalzaufnahme und der Häufigkeit von Asthma bronchiale sowie der Intensität der Symptomatik beim Einzelnen. Tierversuche zeigen, dass eine hohe Natriumzufuhr zu einer gesteigerten Kontraktion der Bronchialmuskulatur führt [7].
Ein hoher Kochsalzkonsum in Kombination mit dem Verzehr von Fleischwaren kann Migräne auslösen. Der Wirkmechanismus ist aber bislang nicht bekannt [7].
Eine jüngst veröffentlichte Studie beschreibt einen möglichen Zusammenhang zwischen einem erhöhten Kochsalzkonsum und der steigenden Rate von Autoimmunerkrankungen (das Immunsystem greift gesundes Gewebe an). Die Forscher zeigten in ihren Untersuchungen, dass Kochsalz die Bildung von speziellen T-Helfer-Zellen (TH-Zellen), den TH17-Zellen, fördert, die an der Auslösung und Erhaltung von Autoimmunerkrankungen beteiligt sind. In Versuchen an Mäusen kam es unter einer salzreichen Diät zu einem frühzeitigen Ausbruch der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS). Inwieweit diese Ergebnisse auf den Menschen zu übertragen sind, gilt es noch zu erforschen [8].
Eine erste klinische Studie am Menschen scheint die tierexperimentellen Daten zu bestätigen: Bei hoher oder mittlerer Salzausscheidung im Urin war die Schubrate 2,75-fach höher und das Risiko, eine neue T2-Läsion zu entwickeln, 3,4-fach höher als bei niedriger Salzausscheidung [16].
Regulatorische T-Zellen, die sogenannten Tregs, sind ein wesentlicher Bestandteil des adaptiven (erworbenen) Immunsystems. Ihre Aufgabe ist es, das Gleichgewicht zwischen normaler Funktion und überschießender Reaktion des Immunsystems zu halten. Werden die Tregs in ihrer Funktion gestört, können sich Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose entwickeln. Wahrscheinlich beeinträchtigt eine überhöhte Salzzufuhr die Funktion der Tregs, indem sie in ihrer Energieversorgung geschwächt werden [21].
Salzreiche Kost beeinträchtigt das Immunsystem: Probanden, die zusätzlich 6 g Kochsalz pro Tag zu sich nahmen, zeigten erhebliche Immundefizite.
Überschüssiges Natriumchlorid wird über die Nieren, die einen Natriumchlorid-Sensor besitzen, mit dem Urin sezerniert (ausgeschieden). Der Sensor aktiviert aber nicht nur die Sekretionsfunktion (Ausscheidungsfunktion), sondern führt auch zu einer Anhäufung von Glucocorticoiden (Steroidhormone mit vielfältigen Wirkungen, u. a. entzündungshemmend). Eine in diesem Zusammenhang unerwünschte Wirkung der Glucocorticoide ist die Hemmung der Funktion der Granulozyten. Granulozyten stellen eine Untergruppe der Leukozyten (weiße Blutkörperchen) dar und gehören zu den Immunabwehrzellen. Funktionieren diese nur eingeschränkt, verlaufen bakterielle Infektionen stärker [18].
Erhöhte Natriumkonzentrationen im Blut wirken sich sowohl auf die Aktivierung als auch auf die Funktion patrouillierender Monozyten (Zellen des Immunsystems, die zur Gruppe der weißen Blutkörperchen gehören), der Vorläuferzellen der Makrophagen (Fresszellen), aus. Erhöhte Salzkonzentrationen zeigen bereits nach drei Stunden Veränderungen. Die Atmungskette wird unterbrochen: Die Zellen produzieren weniger ATP (Adenosintriphosphat) und verbrauchen weniger Sauerstoff. Der Energiemangel führt dazu, dass die Monozyten anders ausreifen. Ursache ist das Natriumion, das ein ganz zentrales Enzym der Atmungskette extrem effizient hemmt [20].
Literatur
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