Salzsensitivität (Salzempfindlichkeit)
Die Salzsensitivität (Synonyme: Salzempfindlichkeit; Kochsalzsensitivität; Kochsalzempfindlichkeit) ist ein Maß dafür, wie das Herzkreislaufsystem des Menschen bzw. der Blutdruck auf die Zufuhr von NaCl (Kochsalz) bzw. Natrium reagiert. Da nicht jeder Hypertoniker (Bluthochdruckpatient) auf eine Kochsalzrestriktion (Kochsalzbeschränkung) mit einer Senkung des Blutdrucks reagiert, wird eine unterschiedliche Salzsensitivität in der Bevölkerung diskutiert – einige Menschen reagieren empfindlicher auf Salz als andere bzw. können eine zu hohe Natriumzufuhr durch die Nahrung nicht ausreichend abpuffern.
Als salzsensitiv wird derjenige bezeichnet, der bei einer Kochsalzbeschränkung eine Senkung des mittleren Blutdrucks um 10 mmHg zeigt.
Die Salzsensitivität des Menschen ist teilweise erblich bedingt und teilweise erworben (externe Reize).
Etwa die Hälfte der Hypertoniker (Patienten mit Bluthochdruck) bzw. 30-50 % aller Menschen gelten als salzsensitiv [1, 2, 3, 5].
Pathophysiologie
Die Regulation der Natriumausscheidung findet hauptsächlich in den Sammelrohren der Nieren statt. Aldosteron, ein Nebennierenrindenhormon, reguliert die sogenannten epithelialen Natriumkanäle (ENaC), die sich in der Plasmamembran dieser Zellen befinden, und steuert so den Prozess der Natriumausscheidung (renale Ausscheidung; siehe dazu auch unter "Kochsalz/Regulation der Natriumhomöstase").
Eine dauerhaft zu hohe Kochsalzzufuhr, die heutzutage keine Seltenheit ist, überfordert langfristig selbst gesunde Nieren (die Nieren können am Tag mehr als 10 g Kochsalz ausscheiden). In der Folge wird das Natrium nur sehr langsam über die Nieren ausgeschieden, was dazu führt, dass eine Zwischenspeicherung des Natriums im Organismus erforderlich wird. Die Speicherung des Natriums (elektrisch positiv geladen) erfolgt hauptsächlich in der extrazellulären Matrix (Extrazellularmatrix, Interzellularsubstanz, EZM, engl. extracellular matrix, (ECM); elektrisch negativ geladen), welche in nahezu allen Geweben des menschlichen Organismus vorliegt. Ein wichtiger Bestandteil dieser Extrazellulärmatrix sind die sogenannten Proteoglykane, die u. a. auch die Innenseiten aller Lymph- und Blutgefäße auskleiden. Diese fast mehrere hundert Nanometer dicke Schicht wird als Glykokalyx (glykos (griech.) = Zucker; kalyx = Mantel; Synonyme: Schleimhülle; Kapsel) bezeichnet. Die Glykokalyx fungiert als Natriumpuffer bzw. als Zwischenlager. Wenn die Kochsalzzufuhr allerdings dauerhaft zu hoch ist, treten in den Salzdepots Schäden auf (s. u. "Salzsensitivität und Krankheiten").
Die Natriumhomöostase wird, wie man nun weiß, nicht nur in den Nieren reguliert, sondern das Aldosteron wirkt auch an den Blutgefäßen. Im vaskulären Endothel (= zum Gefäßlumen hin gerichtete Zellen der innersten Wandschicht) kommen ebenfalls Natriumkanäle vor, die den Natriumkanälen in den Nieren (ENaC) ähnlich sind. Diese endothelialen Natriumkanäle (EnNaC) werden in ihrer Aktivität ebenfalls durch das Nebennierenrindenhormon Aldosteron reguliert, jedoch anders [8]: Die Natriumkanäle in den Nieren verlieren bei einer hohen Natriumkonzentration ihre Aktivität, wohingegen die Natriumkanäle in den Blutgefäßen im selben Fall ihre Aktivität erhöhen [9]. Forscher vermuten, dass es sich hierbei um einen evolutionsbedingten Mechanismus handelt: Das eigentlich geringe Natriumvorkommen in natürlichen Nahrungsmitteln soll durch eine maximale Resorption (Aufnahme) auf vaskulärer (die Gefäße betreffend) Ebene und maximale Retention (Zurückhalten) auf renaler (die Nieren betreffend) Ebene maximal genutzt werden. Ist die Kochsalzaufnahme dauerhaft erhöht, d. h. > 5 g NaCl/Tag, kommt es zu einer Schädigung der Glykokalyx der Blutgefäße, die dem Schutz der Innenseite dieser vor schädlichen Stoffen in der Blutbahn dient. Die Barrierefunktion der Glykokalyx wird geschwächt. Das Natrium tritt aus dem Blut in das Interstitium (Zwischenraum) der Körpergewebe über und wird verzögert über die Nieren ausgeschieden. Langfristig kommt es zu Salzablagerungen in den Geweben [6].
Salzsensitivität und Krankheiten
Menschen mit einer gut entwickelten endothelialen Glykokalyx können Natrium nach der Nahrungsaufnahme vorübergehend in der Blutbahn festhalten. Dadurch fällt der Natriumausstrom in die Gewebe bzw. die Ablagerung von Natrium in den Geweben wünschenswert gering aus. Das Natrium wird zügig über die Niere ausgeschieden. Menschen mit einer schlecht entwickelten oder geschädigten endothelialen Glykokalyx können Natrium nicht ausreichend abpuffern. Die renale Ausscheidung des Natriums erfolgt verzögert, da Natrium zunächst in die Körpergewebe übertritt. In der Folge entstehen Salzablagerungen [6]. Es kommt zu inflammatorischen Prozessen (Entzündungsprozesse), die sich z. B. in einer arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) zeigen. Auch die Entwicklung einer Kardio- oder Nephrofibrose (krankhafte Vermehrung von Bindegewebszellen des Herzens und der Nieren) ist möglich [4]. Die Schädigung der Blutgefäße begünstigt ebenfalls die Entstehung einer Hypertonie (Bluthochdruck) sowie einer Atherosklerose (Arteriosklerose/Arterienverkalkung) [5].
Diagnostik
Vor dem Hintergrund der Schäden, die eine dauerhaft zu hohe Kochsalzzufuhr anrichten kann, wäre es wünschenswert, dass jeder seine individuelle Salzsensitivität kennt. Dies ermöglicht der sogenannte Salzbluttest (SBT). Dieser Test erfasst die Natriumsensitivität anhand einer Blutprobe. Er basiert auf der Erkenntnis, dass die Natriumpufferkapazität der endothelialen Glykokalyx positiv mit der Erythrozytenzahl (rote Blutkörperchen) korreliert [6]. Die Erythrozyten nehmen durch ihre Interaktion mit den Gefäßwänden deren Oberflächeneigenschaften an und spiegeln sie somit wider.
Beeinflussung der Salzsensitivität
Die Kochsalzsensitivität kann über die Höhe der Kaliumaufnahme beeinflusst werden: Eine niedrige Kaliumzufuhr geht mit einer hohen Empfindlichkeit gegenüber Kochsalz einher. Umgekehrt wird diese dosisabhängig unterdrückt, wenn die Kaliumzufuhr über die Nahrung erhöht wird. Durch eine erhöhte Aufnahme von Kalium wird die Natriurese (Ausscheidung von Natrium über den Urin) gesteigert. Zudem hat Kalium eine dilatierende (erweiternde) Wirkung an der Gefäßwand [10, 11].
In einer Metaanalyse sowohl mit hypertensiven (erhöhtem Blutdruck) als auch normotensiven (normalen Blutdruck) Personen wurde der Einfluss von Kaliumsupplementen (60 bis 200 mmol/Tag, das heißt einer Menge von 2.346-7.820 mg) auf den Blutdruck untersucht. Das Resultat war eine eindeutige Senkung des Blutdrucks (systolisch im Durchschnitt um 3,11 mmHg und diastolisch im Durchschnitt um 1,97 mmHg).
Bei den normotensiven Probanden – Personen mit normalem Blutdruck – fiel der Effekt jedoch geringer aus, als bei den hypertensiven Patienten. In den Studien, bei denen die Personen zugleich eine hohe Natriumaufnahme hatten, war der Behandlungserfolg größer [12].
Schließlich kann durch eine kaliumreiche Ernährung, vor allem bei Personen mit marginaler Kaliumaufnahme, die Kochsalzsensitivität reduziert und damit das Auftreten einer Hypertonie verhindert bzw. verzögert werden [7].
Kalium-Zufuhrempfehlungen:
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) – Jugendliche und Erwachsene: 4.000 mg/d
- Weltgesundheitsorganisation (WHO) – Erwachsene: 3.500 mg/d, sofern maximal 2.000 mg Natrium* aufgenommen werden
- Food and Nutrition Board (FNB) der USA und Kanadas – Erwachsene: 4.700 mg/d
*Der Umrechnungsfaktor von Natrium (in g) zu Kochsalz (in g) beträgt 2,54, d. h., 1 g Natrium ist in 2,54 g Kochsalz (NaCl) enthalten.
Literatur
- Schauder P, Ollenschläger G: Ernährungsmedizin. Prävention und Therapie. 3. Auflage, Urban & Fischer, München/Jena, 2006
- Bundesinstitut für Risikobewertung. Verwendung von Mineralstoffen in Lebensmitteln – Toxikologische und ernährungsphysiologische Aspekte. Domke A, Großklaus R, Niemann B, Przyrembel H, Richter K, Schmidt E, Weißenborn A, Wörner B, Ziegenhagen R (Hrsg.), Kap. 15, Seiten 279-291, BfR-Wissenschaft 04/2004, Berlin (2004)
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). BfR empfiehlt Maßnahmen zur Verringerung des Salzgehaltes in Lebensmitteln. Stellungnahme Nr. 035/2009 des BfR vom 30. Juli 2008
- Kleinewietfeld M, Manzel A, Titze J, Kvakan H, Yosef N, Linker RA, Muller DN, Hafler DA: Sodium chloride drives autoimmune disease by the induction of pathogenic T17 cells. Nature 496: 518-522, 25 April 2013. http://www.nature.com/nature/journal/v496/n7446/full/nature11868.html
- Meneton P, Jeunemaitre X, de Wardener HE, MacGregor GA: Links between dietary salt intake, renal salt handling, blood pressure and cardiovascular diseases. Physiol Rev 1 April 2005, 85: 679-715. doi.org/10.1152/physrev.00056.2003
- Oberleithner H: Vascular endothelium: a vulnerable transit zone for merciless sodium. Nephrol Dial Transplant 2014 Feb;29(2):240-6. doi: 10.1093/ndt/gft461.
- Corruzzi P, Brambilla L, Brambilla V, Gualerzi M, Rossi M, Parati G, DiRenzo M, Tadonio J, Novarini A: Potassium depletion and salt sensitivity in essential hypertension. J. Clin. Endocrinol. Metab. 2001 86: 2857-2862
- Warnock DG, Kusche-Vihrog K, Tarjus A, Sheng S, Oberleithner H, Kleyman TR, Jaisser F: Blood pressure and amiloride-sensitive sodium channels in vascular and renal cells. Nat Rev Nephrol 10: 146-157 2014. doi:10.1038/nrneph.2013.275
- Kusche-Vihrog K, Schmitz B, Brand E: Salt controls endothelial and vascular phenotype. Eur J Physiol March 2015, 467: 499-512 (Pflügers Arch). doi:10.1007/s00424-014-1657-1
- Luft FC, Weber M, Mann J: Kochsalzkonsum und arterielle Hypertonie. Dt Ärzteblatt;1992, 89: B898-B903
- Schorr-Neufing U: Ursachen der Salzsensitivität – Stand der Forschung. Ernährungs-Umschau; 2000; 47: 109-111
- Whelton PK, He J, Cutler JA, Brancati FL, Appel LJ, Follmann D, Klag MJ: Effects of oral potassium on blood pressure. Meta-analysis of randomized controlled clinical trials. JAMA 1997 277: 1624-1632