Die Frischzellentherapie (Synonyme: Frischzelltherapie, Organotherapie, Zellulartherapie) ist ein komplementärmedizinisches Verfahren, das in den 30er-Jahren von dem Schweizer Arzt Paul Niehans (1882-1971) entwickelt wurde. Diese Therapieform zählt zu den Organotherapien und besteht in einer Übertragung von lebenden, tierischen Zellen auf den Menschen. Laut Paul Niehans gelang es ihm, eine Patientin, die nach einer Schilddrüsen-Operation an einer parathyreopriven Tetanie (schmerzhafte Muskelkrämpfe durch Calciummangel nach Verlust der Nebenschilddrüsen, die den Calciumhaushalt hormonell steuern) litt, mithilfe einer Aufschwemmung aus tierischen Nebenschilddrüsenzellen von ihren Beschwerden dauerhaft zu heilen. Daraus entwickelte der Genfer Sanatoriumsleiter die Frischzellentherapie, die auch als Zellulartherapie bezeichnet wurde. Diese wurde in den 50er-Jahren sehr populär. Diese Popularität gipfelte im Februar 1954 in einer Behandlung des kranken Papstes Pius XII, der anschließend genesen sein soll.
Aufgrund der Nebenwirkungen dieser Methode, ist die Frischzellentherapie kontrovers zu diskutieren und spielt heute aus schulmedizinischer Sicht keine Rolle. 1997 wurde die Frischzellentherapie in Deutschland gerichtlich verboten. Im Jahr 2000 wurde dieses Urteil jedoch durch das Bundesverfassungsgericht wieder aufgehoben. Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die die von Niehans postulierten Wirkungen beweisen.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Degenerative Erkrankungen – z. B. Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
- Neoplasien – Tumoren (Krebs) aller Art
- Verjüngung, Altersbeschwerden
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Aufgrund der Risiken und Nebenwirkungen ist der Nutzen der Frischzellentherapie kontrovers zu diskutieren, sodass die Durchführung der Therapie in der Regel nicht indiziert ist.
Das Verfahren
Bei der Frischzellentherapie werden Zellsuspensionen oder "Aufschwemmungen" aus tierischen Organen hergestellt, die anschließend durch eine intramuskuläre Injektion (Spritze in den Muskel hinein) verabreicht werden. Zur Herstellung der Suspensionen werden die Organe ungeborener Lämmer oder Kälber verwendet, da die fetalen Zellen noch keine antigenen Eigenschaften entwickelt haben, und deswegen laut Niehans von den Patienten anstandslos vertragen würden. Zu diesem Zweck werden die Organe den Föten direkt nach der Schlachtung entnommen und rasch innerhalb von 40 Minuten vor Einsetzen der Autolyse (Zellzerfall) verarbeitet. Aufgrund dieser kurzen Zeitspanne ist jedoch keine bakteriologische Untersuchung möglich, sodass das Risiko der Krankheitsübertragung besteht.
Dabei wird ähnlich dem homöopathischen Prinzip "gleiches mit Gleichem" behandelt. Dies bedeutet, dass eine Herzerkrankung mit Herzzellen und eine Nierenerkrankung mit einer Suspension aus Nierenzellen therapiert wird. Die Weiterentwicklung der Frischzellentherapie stellt die Konservierung der Zellsuspensionen mittels Gefriertrocknung dar, diese Trockenzellen sind haltbarer und werden vor der Injektion mit Kochsalzlösung aufgeschwemmt.
Nach der Therapie
Nach der Therapie ist der Patient angehalten, sich zu schonen.
Mögliche Komplikationen
- Allergische Reaktion – Leichte Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock (allergischer Schock) mit Kreislaufversagen und Tod
- Infektion – Insbesondere Übertragung von Zoonosen (Tierseuchen) wie BSE (Bovine spongiforme Enzephalopathie; "Rinderwahn").
Literatur
- Karenberg A, Groß D, Schmidt M: Forschungen zur Medizingeschichte: Beiträge des "Rheinischen Kreises der Medizinhistoriker". Kassel University Press GmbH 2014
- Niehans P: Chirurgie ohne Messer. Der Spiegel Ausgabe 13/ 1957
- Wolff E: Vor 50 Jahren: Paul Niehans bringt den Begriff "Zellulartherapie" in die Öffentlichkeit. Schweizerische Ärztezeitung 2002
- Münstedt K: Ratgeber unkonventionelle Krebstherapien Arzt & Praxis Ecomed Medizin. Hüthig Jehle Rehm Verlag 2005
- Reiche D: Roche Lexikon Medizin; Grenzach-Wyhlen Hoffmann-La-Roche-Aktiengesellschaft. Elsevier Health Sciences 2003