Operative Therapie
Speichenbruch (Radiusfraktur)

1. Ordnung

  • Osteosynthese – operatives Verfahren zur Behandlung von Frakturen (Knochenbrüchen) und anderen Knochenverletzungen (z. B. Epiphysiolysen) zur schnellen Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit. Dieses erfolgt durch Implantate (mittels Einbringen von Kraftträgern wie Schrauben oder Platten).

Die Osteosynthese ist indiziert bei folgenden Zuständen:

Etablierte Indikationen

  • Komplizierte Frakturen/Knochenbrüche (Trümmerbrüche, Gelenkbeteiligung, starker Dislokation (Verschiebung) und erfolgloser konservativer Repositionsversuch/Versuch des Zurückbringens in eine Normallage oder Normalstellung)
  • Instabile Fraktur
  • Dislozierte intraartikuläre Radiusfraktur – Knochenbruch, dessen Bruchlinie durch ein Gelenk geht und dessen Bruchenden nicht passend zueinander stehen
  • Offene Fraktur 2. und 3. Grades
  • Smith-Fraktur, disloziert
  • Fraktur mit ausgeprägtem, aber geschlossenem Weichteilschaden
  • Akut aufgetretene Durchblutungsstörungen nach erfolgreicher Reposition
  • Gefäßverletzung
  • Komplexe Begleitverletzungen des Handgelenks/Handwurzel
  • Traumatische Kompression des Nervus medianus
  • Nervenverletzung
  • Nicht-erfolgreiche konservative Repositions-/Retentionsversuche

Relative Indikationen

  • Beidseitige Frakturen
  • Mehrfachverletzungen
  • Operationspflichtige lokale Zusatzverletzungen
  • Serienverletzungen der oberen Extremität
  • Spezielle Anforderungen, beruflicher oder funktioneller Natur, seitens des Betroffenen
  • Ausdrücklicher Wunsch des Betroffenen

2. Ordnung

  • Fixateur externe (äußerer Spanner)

Weitere Hinweise

  • Patienten mit einer extraartikulären ("außerhalb des Gelenks") dislozierten ("verlagerte") Radiusfraktur: Patienten profitieren mehr von einer offenen Reposition (Wiedereinrichtung von gebrochenen Knochen) und volaren internen Fixation als von einer Ruhigstellung per Gipsverband; ein Jahr nach dem Eingriff war das funktionelle Ergebnis nach Operation signifikant besser [2].
  • Bei Anwendung der Marknagelung lagen die Komplikationsraten zwischen 17,6 bis 50 % und waren damit deutlich häufiger als bei Anwendung der Plattenosteosynthese. Die häufigsten Komplikationen waren Neurapraxien (traumatische Läsionen peripherer Nerven) des Nervus facialis [1].
  • In einer kontrollierten randomisierten Studie konnte gezeigt werden, dass ein Unterlassen der geschlossenen Reposition (Wiedereinrichtung von gebrochenen Knochen) vor Gipsanlage bei geplanter Operation keine Nachteile bringt. Aus Sicht der Autoren ist deshalb eine grundsätzliche Durchführung der Reposition nicht zu empfehlen [5].
  • Die Handgelenksfunktion von Patienten mit reponierten dorsal dislozierten distalen Radiusfrakturen (Brüche im unteren Speichenbereich) ist bei Fixierung mit Kirschnerdraht nicht besser als nach Eingipsen. Von den gegipsten Patienten benötigten allerdings 13 % in den ersten sechs Wochen eine chirurgische Fixierung, weil sich die Fraktur verschoben hatte; in der Gruppe der Drahtfixierung war nur eine einzige Revisionsoperation erforderlich. Ebenfalls waren weitere Operationen während des ersten Jahres in der Gruppe nach Gipsen häufiger (15 % versus 2 %) [6].
  • Bei älteren Patienten (> 70 Jahre) mit distaler Radiusfraktur (DRF)
    • nach operativ versorgter DRF zeigte eine frühfunktionelle Nachbehandlung nach 6 Wochen statistisch signifikant bessere Funktionsergebnisse im Vergleich zur Nachbehandlung mit additiver Handgelenkorthese (medizinisches Hilfsmittel zur effektiven Ruhigstellung des Handgelenks) in Funktionsstellung (Standardbehandlung). Die frühfunktionelle Nachbehandlung erfolgte in Eigentrainingsfrequenz mit freier Bewegung und schmerzadaptierter Belastungssteigerung. Die Studie kommt auch zeigen, dass ein protektive Effekt Orthese in Hinblick auf das radiologische Ergebnis nicht vorliegt [4].
      • Ältere Patienten mit initial höherem Aktivitätsniveau und wenigen Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) profitierten von der operativen Behandlung einer Radiusfraktur mit einer klinisch signifikanten Verbesserung im MHQ (Michigan Hand Outcome Questionnaire) [7].
    • war einer Studie zufolge die konservative Behandlung mit einem Gips genauso effektiv wie eine operative Versorgung der Fraktur. D. h., dieses machte keinen relevanten Unterschied hinsichtlich einer Behinderung von Arm, Schulter und Hand oder des Bewegungsumfangs [8]. 

Operative Verfahren bei Kindern

  • Frakturen am kindlichen distalen Unterarm (Knochenbrüche im epiphysären und diaphysären Bereich): perkutane Drahtosteosynthese (bes. Kirschnerdraht oder Spickdraht, auch Cerclagen); Materialentfernung: nach 3-4 Wochen
  • Frakturen im metaphysären Bereich: intramedulläre Fixation
  • Frakturen im Übergang von Diaphyse zu Metaphyse: Plattenosteosynthese

Sportkarenz ca. 3-4 Wochen nach der Drahtentfernung bzw. Gipsabnahme.
Falls eine Fraktur im Bereich des Schafts eines der Unterarmknochen oder eine kombinierte Fraktur von Radius (Speiche) und Ulna (Elle) vorliegt, sollte die Sportpause ca. 6 Wochen betragen.

Legende

  • Epiphyse: Gelenkende des Knochens (gelenknah), welches anfänglich knorpelig angelegt wird und in dem sich im Laufe der Knochenreifung Knochenkerne entwickeln
  • Metaphyse: Übergang von der Epi- zur Diaphyse; im Wachstum beinhaltet die Metaphyse die für das Knochenwachstum verantwortliche Epiphysenfuge 
  • Diaphyse: langer Röhrenknochen, der zwischen den beiden Metaphysen liegt; enthält die Markhöhle des Knochens

Aufbau eines Röhrenknochens: Epiphyse – Metaphyse – Diaphyse – Metaphyse – Epiphyse

Beachte: Viele Radiusfrakturen von unter 10-jährigen können ohne Reponieren (gebrochene Knochen wieder einrichten) mit Schiene oder Gips versorgt werden [3].

Literatur

  1. Jordan RW et al.: Defining the role of intramedullary nailing for fractures of the distal radius. Bone Joint J 2015; 97-B: 1370-6; doi: 10.1302/0301-620X.97B10.35297
  2. Mulders MAM et al.: Volar Plate Fixation Versus Plaster Immobilization in Acceptably Reduced Extra-Articular Distal Radial Fractures. A Multicenter Randomized Controlled Trial. J Bone Joint Surg Am 2019. 101:787-796. doi: http://dx.doi.org/10.2106/JBJS.18.00693
  3. Orland KJ et al.: Resource Utilization for Patients With Distal Radius Fractures in a Pediatric Emergency Department. JAMA Netw Open 2020;3(2):e1921202; https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2019.21202
  4. Zeckey C et al.: Funktionelle Nachbehandlung versus Orthese nach operativ versorgter distaler Radiusfraktur Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 445-51; doi: 10.3238/arztebl.2020.0445
  5. Löw S et al.: The requirement for closed reduction of dorsally displaced unstable distal radius fractures before operative treatment—a randomized controlled study Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 783-9; doi: 10.3238/arztebl.2020.0783
  6. Costa ML et al.: Surgical fixation with K-wires versus casting in adults with fracture of distal radius: DRAFFT2 multicentre randomised clinical trial. BMJ 2022;376:e068041
  7. Jayaram M et al.: Comparison of Distal Radius Fracture Outcomes in Older Adults Stratified by Chronologic vs Physiologic Age Managed With Casting vs Surgery JAMA Netw Open. 2023;6(2):e2255786. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.55786
  8. Yalin M et al.: The ageless approach: Nonoperative mastery competes head-on with surgery for elderly distal radius fractures Journal of Orthopaedic Research 23 August 2023 https://doi.org/10.1002/jor.25665
     
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