Checkliste Reisemedizin – Reiseapotheke

Vor Antritt der Reise sollte eine individuelle Reiseapotheke sorgfältig zusammengestellt werden. Sie stellt einen zentralen Bestandteil der reisemedizinischen Vorsorge (medizinische Vorbereitung auf Reisen) dar und dient der Selbsthilfe bei leichten Beschwerden sowie der Erstversorgung bis zum Erreichen ärztlicher Hilfe.

Eine vollständige Reiseapotheke gliedert sich in zwei Hauptbereiche:

  • Grundausstattung der Hausapotheke – Basisversorgung für häufig auftretende Beschwerden
  • Bedarfsmedikation nach individueller Konstitution – gezielte Erweiterung nach Vorerkrankungen, Reiseziel und Risikoprofil (Risikoeinschätzung)

Grundausstattung der Hausapotheke

Diese umfasst Arzneimittel und Hilfsmittel zur Selbstbehandlung häufiger Erkrankungen oder Verletzungen während der Reise:

  • Analgetika (Schmerzmittel): Paracetamol 500 mg; alternativ nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) (entzündungshemmende Schmerzmittel) wie Diclofenac, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure (ASS)
  • Antihistaminsalbe (Allergiesalbe), ggf. kombiniert mit Hydrocortison (Kortison) – bei Insektenstichen oder Sonnenbrand
  • Augentropfen – bei Konjunktivitis (Bindehautentzündung)
    • Befeuchtend: Natriumhyaluronat, Polyvidon
    • Antiallergisch: Olopatadin
    • Abschwellend: Tetryzolin
  • Hypnotika (Schlafmittel) – zur kurzzeitigen Unterstützung des Schlafrhythmus bei Jetlag
  • Insektenschutzmittel:
    • Diethyltoluamid (DEET) (Wirkstoff in Mückenschutzmitteln) – Goldstandard; z. B. enthalten in 30-50%-iger Konzentration in Anti Brumm Forte, Care Plus, Nobite (Schutz 5-8 h gegen tag- und nachtaktive Mücken sowie Malariaüberträger)
    • Icaridin (Wirkstoff in Mückenschutzmitteln) – z. B. enthalten in Autan, Azaron, Ballistol, Parazeet (fast ebenso wirksam, besser hautverträglich)
    • Pflanzliche Basis (ätherische Öle, Fettsäuren) – Mischungen aus Kokosvorläuferfettsäuren und ätherischen Ölen; kürzere Wirkdauer
  • Antidiarrhoika (Durchfallmittel):
    • Elektrolytpulver (Salz-Zucker-Lösung) zur Rehydratation
    • ggf. Rifaximin (Antibiotikum; z. B. Xifaxan®)
  • Medikamente gegen Magenbeschwerden: Metoclopramid (Mittel gegen Übelkeit/Erbrechen; Antiemetikum)
  • Medikamente bei Prellungen/Zerrungen: Diclofenac-Gel (NSAR-Gel)
  • Antivertiginosa (Mittel gegen Schwindel/Reisekrankheit): Dimenhydrinat oder Meclozin
  • Ohrentropfen: gegen Otitis externa (Gehörgangsentzündung)
  • Sedativa (Beruhigungsmittel): leichte pflanzliche Präparate (z. B. Baldrian)
  • Spasmolytika (krampflösende Mittel): N-Butylscopolamin (bei krampfartigen Bauchbeschwerden)
  • Mittel zur Wundbehandlung:
    • Antiseptische (keimabtötende) Wundsalbe oder -lösung; ggf. Desinfektionsspray
    • Verbandsmaterial: Mullbinden (8 cm), sterile Kompressen (7,5 × 7,5 cm), Pflaster, elastische Binden, Heftpflaster
    • Schere, Pinzette, Einmalhandschuhe
  • Desinfektionsmittel (Händedesinfektion) für Hände/Gegenstände
  • Fieberthermometer
  • Zeckenzange
  • Sonnenbrille und Sonnenschutzmittel (UV-Schutz)
  • Ersatzbrille für Brillenträger
  • Individuelle Dauermedikation (regelmäßig benötigte Arzneimittel) in ausreichender Menge; Attest (ärztliche Bescheinigung) ratsam (s. rechtliche Hinweise unten)

Bedarfsmedikation nach individueller Konstitution

Diese richtet sich nach Vorerkrankungen, Alter, Reisestil, Reisedauer und Zielregion. Je abgelegener das Reiseziel und je schwieriger die medizinische Versorgung, desto umfassender sollte der Umfang sein.

  • Laxantien (Abführmittel): zur Behandlung obstipativer Tendenzen (Verstopfung) bei ungewohnter Ernährung
    • Macrogol-haltige Präparate – gut verträglich bei festerem Stuhl durch ungewohnte Kost.
    • Glycerin-Zäpfchen – schnelle Hilfe bei akuter Obstipation nach langen Reisezeiten.
    • Bisacodyl – geeignet bei ausgeprägter Darmträgheit im Urlaub.
  • Loperamid (Peristaltikhemmer; Durchfallmittel): zur symptomatischen Behandlung akuter Diarrhoe (nicht bei fieberhaft-blutigem Durchfall)
  • Thromboseprophylaxe (Vorbeugung gegen Blutgerinnsel): niedermolekulares Heparin (Blutverdünner; z. B. Enoxaparin, Certoparin) bei Langstreckenflügen, Immobilität oder erhöhtem Risiko
  • Malariaprophylaxe oder Stand-by-Medikation (Notfallmedikation): nach vorheriger reisemedizinischer Aufklärung und individueller Risikoabwägung (z. B. Atovaquon/Proguanil, Doxycyclin, Mefloquin)
  • Antibiotika (Bakterienmittel): z. B. Azithromycin oder Ciprofloxacin bei ärztlich verordneter Indikation (nur nach Risikoabwägung)
  • Steriles Material für Notfälle: Einmalspritzen, Einmalkanülen, Nahtmaterial (insbesondere bei Reisen in Regionen mit unsicherer Hygiene)
  • Notfallsets:
    • Zahnbehandlungsset (provisorische Zahnversorgung)
    • Set zur Erstbehandlung von Schlangen- oder Insektenbissen
    • ggf. Adrenalin-Autoinjektor (Notfallpen) bei bekannter Anaphylaxie (schwere Allergie)

Hinweis: In tropischen und subtropischen Ländern empfiehlt sich ein erhöhter Vorrat an fiebersenkenden Medikamenten (Antipyretika) und Elektrolytlösungen.

Regionale Anpassung der Reiseapotheke

Europa

  • FSME-Impfstatus
  • Sonnenschutz, Feuchtigkeitsschutz
  • Höhenmedizin: Acetazolamid (bei individueller Indikation)

Südamerika

  • Malariamedikation
  • Gelbfieberimpfung
  • Repellents mit DEET
  • ORS – Oral Rehydration Solution

Afrika

  • Malariamedikation
  • Steriles Notfallmaterial
  • ORS – Oral Rehydration Solution
  • Tollwutpräexpositionsimpfung (individuell)

Asien

  • Dengue-/Zikaprophylaxe: DEET oder Icaridin
  • Atemschutzmasken (Feinstaub)
  • ORS – Oral Rehydration Solution

Ozeanien

  • Intensiver UV-Schutz
  • Essiglösung gegen Quallenstiche
  • Notfallmaterial für abgelegene Gebiete

Besondere Empfehlungen für chronisch Kranke

Diabetiker (Menschen mit Zuckerkrankheit):

  • Glukagon-Notfallset (Gegenmittel bei Unterzuckerung) oder schnell resorbierbare Kohlenhydrate (Gels, Traubenzucker) im Handgepäck.
  • Regelmäßige Blutzuckerkontrolle (alle 3 h) während längerer Reisen.
  • Ausreichend Mineralwasser und Elektrolyte (Salze) zur Exsikkose-Prophylaxe (Austrocknungsvorbeugung).
  • Mitführen des 2- bis 3-fachen Bedarfs an Insulin, Pens, Pumpenzubehör, Spritzen, Teststreifen.
  • Mehrsprachiger Diabetikerausweis (Medikamentenliste) erforderlich.
  • Ärztliche Bescheinigung (Attest) über die Notwendigkeit des Mitführens von Insulinspritzen/Medikamenten beifügen.

Lagerung und Transport von Arzneimitteln

  • Temperatur: Medikamente idealerweise zwischen +8 °C und +25 °C lagern (Raumtemperaturbereich).
  • UV-Strahlung: vermeiden, da Sonnenlicht bestimmte Wirkstoffe (z. B. Nifedipin, Nitroglycerin, Theophyllin, Insulin) inaktivieren kann.
  • Flugreisen: Medikamente stets im Handgepäck transportieren (Temperaturschwankungen im Frachtraum vermeiden).

Rechtliche Hinweise

In vielen Ländern (z. B. Indonesien/Bali, Vereinigte Arabische Emirate, Singapur) unterliegt die Einfuhr von Medikamenten – auch rezeptpflichtiger Dauermedikation (regelmäßig eingenommene Arzneimittel) – strengen Bestimmungen.
Deshalb gilt:

  • Ärztliche Bescheinigung (Medical Certificate) (Attest): notwendig für alle Dauermedikamente, insbesondere bei Psychopharmaka, Schmerzmitteln, Hormonen oder Insulinpräparaten.
  • Mehrsprachige Fassung (Englisch): erforderlich; Inhalt: Name, Dosierung, Handelsname, medizinische Indikation (Grund der Verordnung).
  • Originalverpackung: Medikamente stets in Originalverpackung mit Beipackzettel mitführen.
  • Mengenbegrenzung: meist auf Eigenbedarf für 30 Tage limitiert.

Fazit

Eine sorgfältig zusammengestellte Reiseapotheke ist wesentlicher Bestandteil der Reisevorbereitung.
Sie muss sowohl die Grundausstattung der Hausapotheke (Basisbedarf) für häufige Beschwerden als auch eine individuelle Bedarfsmedikation berücksichtigen, die sich an Konstitution, Reiseziel und medizinischem Risiko orientiert.
Reisende mit chronischen Erkrankungen benötigen zudem eine ärztliche Bestätigung über ihre Dauermedikation, um Schwierigkeiten bei Zollkontrollen – insbesondere in Ländern wie Indonesien (Bali) oder den Vereinigten Arabischen Emiraten – zu vermeiden.

Literatur

  1. Terry AC, Kozarsky PE, Connor BA. The traveler’s medical kit is an essential tool for international travel. Med Clin North Am. 2016;100(2):437-448. doi:10.1016/j.mcna.2015.09.007
  2. Goodyer L. Medical supplies for travelers to developing countries. J Travel Med. 2004;11(4):208-212. doi:10.2310/7060.2004.19003
  3. Charan S, Prakash A, Medhi B. Travel medicine – A comprehensive guide to safe world travel. Indian J Pharmacol. 2023;55(6):351-355. doi:10.4103/ijp.ijp_532_23