Diagnostik und Therapie

Diagnostik – in Abhängigkeit vom jeweiligen Gifttier

  • Puls- und Atemkontrolle (stündlich)
  • Messung der Schwellung (Durchmesser; bei Extremitäten der Umfang)
  • Inspektion (Betrachtung) der Hautveränderung an der Bissstelle (Blasen, Verfärbung, Geruch)
  • Messung der Urinausscheidung (Menge und Uhrzeit)
  • Beobachtung von Nervenschäden z. B. Augenlidschwäche (Ptosis), Sprach-, Schluck- und Atemschwierigkeiten sowie Erbrechen (insbesondere bei Vipern wie Hornviper, Puffotter, Sandrasselotter).
  • Labordiagnostik:
    • Kleines Blutbild
    • Gerinnungszeit
    • Muskelparameter – Kreatinkinase (CK)
    • Leberparameter – Alanin-Aminotransferase (ALT, GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, GOT), Gamma-Glutamyl-Transferase (γ-GT, Gamma-GT; GGT)
    • Nierenparameter – Harnstoff, Kreatinin
  • Medizingerätediagnostik:
    • Elektrokardiogramm (EKG)

Therapie – in Abhängigkeit vom jeweiligen Gifttier

  • Patienten beruhigen (Aufregung schadet, da dadurch die kardiale Giftwirkung verstärkt werden kann)
  • Bissstelle ruhigstellen (z. B. Schienung; beachten, dass dabei keine Druckstellen entstehen)
  • Entfernung von Armbändern, Ringe, Fußketten wegen der Gefahr der Gewebeschwellung (Prävention einer Durchblutungsstörung)
  • Liegendtransport ins Krankenhaus (Aktivitäten schaden und tragen zur Stimulation der Blutzirkulation bei → schnellere Verteilung des Giftes)
  • Atmung, Puls, Blutdruck kontrollieren, ggf. Betroffenen in Schocklage bringen
  • Kompressions-Immobilisations-Methode statt Abbinden (= venöse Stauung) – dieses verzögert die Verteilung des Giftes → Anlegen eines Kompressionsverbandes mit einem Druck von ca. 55 mmHg (d.h. > als der venöse Druck im Liegen) am liegenden Patienten und Schienung, soweit die Bissstelle im Bereich einer Extremität liegt; Entfernung des Kompressionsverbandes erst wieder im Krankenhaus (wo intensivmedizinische Maßnahmen möglich sind; Antiserum).
    • Indikationen für die Kompressions-Immobilisations-Methode sind Tierbisse mit neuro- (nervenschädigend) und/oder kardiotoxischen (herzschädigend) Giften:
      • Bienen und Wespen bei Bienenallergie
      • bei einigen Elapidae (Giftnattern): z. B. neurotoxische Kobras, Korallenschlangen, Kraits (Bungarus), Mambas, Tigerottern (Notechis)
      • bei einigen maritimen Gifttieren
        • einzelne Kegelschnecken
        • Seeschlangen (Hydrophiinae)
        • Seewespe-Qualle nach Essigbehandlung
    • Kontraindikationen für die Kompressions-Immobilisations-Methode liegen vor für alle Gifttiere, die zu lokalen (örtlichen) Gewebenekrosen (Absterben von Gewebe) führen (betrifft viele der Vipern und Ottern (Viperidae) sowie Grubenottern (Crotalidae), des Weiteren einige Giftnattern (Elapidae), Skorpione und Spinnen)
  • Gabe von Tiergift-Antiseren
    • Giftschlangenbisse von Tieren in Europa benötigen in den meisten Fällen keine Antiserumgabe!
    • Für viele Gifttiere gibt es keine Antiseren; bei vielen Giftbissen ist keine Antiserumgabe erforderlich; die Gabe von Antiserum bei Skorpionen ist nicht immer wirksam!
    • Gabe von Antiserum nur dann, wenn ein etwaiger anaphylaktischer Schock (lebensbedrohlicher Zustand) adäquat behandelt werden kann.
  • Bei jeder Verletzung mit Tieren ist eine Tetanus-Schutzimpfung erforderlich!

Literatur

  1. CRMCRM Handbuch Reisemedizin 2017. Thieme Verlag Stuttgart 2017
  2. Jelinek T: Kursbuch Reisemedizin: Beratung, Prophylaxe, Reisen mit Erkrankungen. Thieme Verlag Stuttgart 2012
  3. Löscher T, Burchard GD: Tropenmedizin in Klinik und Praxis: mit Reise- und Migrationsmedizin. Thieme Verlag  Stuttgart 2010
  4. Stüben U, Graf J: Flugmedizin und ärztliche Hilfe an Bord. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2013