Laboruntersuchungen zur Nebennierendiagnostik

Die Nebennieren (hormonbildende Organe oberhalb der Nieren) sind paarig angelegte, hormonproduzierende Organe des endokrinen Systems, die eine zentrale Rolle in der Regulation von Kreislauf, Wasser-Elektrolyt-Haushalt, Stressantwort und Sexualfunktionen spielen. Die Rinde (äußerer Teil der Nebenniere) produziert Mineralokortikoide (z. B. Aldosteron (Salz- und Blutdruckhormon)), Glukokortikoide (z. B. Cortisol (Stresshormon)) sowie Androgene (männliche Sexualhormone), während das Nebennierenmark (innerer Anteil der Nebenniere) Katecholamine (z. B. Adrenalin (Fluchthormon), Noradrenalin, Dopamin) und deren Abbauprodukte freisetzt.

Eine strukturierte Labordiagnostik (Blut- und Urinuntersuchungen zur Hormonerkennung) ist essenziell zur Abklärung von hormonellen Über- und Unterfunktionen, zur Differenzierung von endogenen und exogenen Ursachen sowie zur Diagnostik endokrin aktiver Tumoren (z. B. Phäochromozytom (Tumor des Nebennierenmarks), adrenales Karzinom (bösartiger Nebennierentumor)). Im Zusammenspiel mit bildgebenden Verfahren ermöglicht sie eine zielgerichtete und differenzialdiagnostisch wertvolle Abklärung.

1. Zentrale Bedeutung der Nebennierendiagnostik

Die Nebennierenfunktion (Hormonaktivität der Nebenniere) beeinflusst Blutdruckregulation, Glukosehomöostase, Immunreaktionen und das elektrolytische Gleichgewicht. Eine Dysfunktion kann sich klinisch vielfältig äußern – von Adynamie (körperlicher Schwäche), Hypotonie (niedrigem Blutdruck) oder Hypertonie (Bluthochdruck) bis zu Hyperpigmentierung (verstärkter Hautbräunung), Hirsutismus (vermehrte Körperbehaarung) oder psychischen Symptomen. Die Labordiagnostik liefert entscheidende Hinweise für die funktionelle Einordnung und Differenzierung endokriner Syndrome wie Morbus Addison (chronische Nebennierenunterfunktion), Cushing-Syndrom (Überproduktion von Cortisol), Conn-Syndrom (Überproduktion von Aldosteron) oder adrenale Insuffizienz (Nebennierenrindenschwäche).

2. Die wichtigsten Laborparameter

2.1. Glukokortikoidachse (Cortisolregulation und Rückkopplung)

  • Cortisol (Stresshormon) – zirkadian reguliertes Stresshormon, Referenz für Glukokortikoidaktivität.
  • Cortisol-Tagesprofil (Verlaufskurve des Cortisolspiegels) – differenzierte Verlaufskurve zur Einschätzung der circadianen Rhythmik.
  • ACTH (adrenokortikotropes Hormon) (Cortisol-freisetzendes Hypophysenhormon) – Hypophysenhormon, stimuliert die Cortisolsekretion.
  • CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) (übergeordnetes Steuerhormon aus dem Hypothalamus) – nur im Stimulationstest klinisch bedeutsam.
  • Dexamethason-Hemmtest (Hemmtest mit künstlichem Cortison) – Funktionsprüfung zur Diagnostik des Cushing-Syndroms.
  • Dexamethason-Kurztest (schneller Cortisol-Hemmtest) – Initialtest zur Abklärung einer Hyperkortisolämie (Cortisolüberschuss).
  • Dexamethason-Langtest (ausgedehnter Hemmtest) – Differenzierung zwischen ACTH-abhängiger und -unabhängiger Cortisolproduktion.
  • 11-Deoxycortisol (Cortisolvorstufe) – erhöht bei 11β-Hydroxylasedefekt (angeborener Enzymmangel).
  • 21-Desoxycortisol (Vorläuferhormon des Cortisols) – erhöht bei 21-Hydroxylase-Mangel (häufigster Enzymdefekt).
  • 17-Hydroxyprogesteron (Steroidzwischenprodukt) – Standardparameter bei Verdacht auf adrenogenitales Syndrom (Enzymdefekt mit Androgenüberschuss).
  • 17-Hydroxypregnenolon (frühes Steroidzwischenprodukt) – Marker zur weiteren Differenzierung von Enzymdefekten.
  • 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (Enzym zur Cortisolaktivierung/inaktivierung) – relevant bei apparenter Mineralokortikoidexzess-Symptomatik (Salzspeicherstörung mit Bluthochdruck).

2.2. Mineralokortikoidachse (Renin-Aldosteron-System)

  • Aldosteron (Salz- und Blutdruckhormon) – erhöht bei primärem Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom), erniedrigt bei Hypoaldosteronismus.
  • Renin (Regulationshormon für Aldosteronfreisetzung) – Gegenspieler des Aldosterons; zur Beurteilung der RAAS-Aktivität.
  • Serum-Aldosteron-Renin-Quotient (ARR) (Verhältnis Aldosteron zu Renin im Blut) – Screening-Parameter für Hyperaldosteronismus.
  • ADH (antidiuretisches Hormon) (Wasserrückhaltehormon) – Steuerung des Wasserhaushalts; relevant bei Differentialdiagnose der Hyponatriämie (Natriummangel im Blut).

2.3. Androgenachse (adrenale Sexualhormone)

2.4. Nebennierenmark / Katecholaminmetabolismus

2.5. Steroidhormonvorstufen / ergänzende Parameter

  • Pregnenolon (gemeinsamer Vorläufer aller Steroidhormone) – relevant bei Enzymdefekten im Steroidaufbau.

3. Indikationen für die Nebennierendiagnostik

  • Klinischer Verdacht auf adrenale Insuffizienz (Nebennierenschwäche mit z. B. niedrigem Blutdruck, Müdigkeit)
  • Verdacht auf Cushing-Syndrom (Überfunktion mit z. B. Stammfettsucht und Muskelschwäche)
  • Verdacht auf Conn-Syndrom (Bluthochdruck mit Kaliummangel)
  • Abklärung eines Phäochromozytoms (Tumor mit Schweißausbrüchen und Hochdruckkrisen)
  • Hirsutismus, Virilisierung oder Zyklusstörungen (z. B. durch Hormonüberschuss)
  • Verlaufsbeurteilung bei bekannten hormonbildenden Tumoren

4. Interpretation und Besonderheiten

  • Die Interpretation erfolgt kontextbezogen, unter Berücksichtigung von Tageszeit, Medikamenteneinnahme, klinischem Zustand und Stresseinflüssen.
  • Funktionstests (z. B. Dexamethason-Test, ACTH-Stimulation) sind essenziell zur Unterscheidung zwischen zentraler und peripherer Ursache.
  • Bei Verdacht auf Enzymdefekte ist die Kombination mehrerer Vorläuferhormone erforderlich.
  • Die Kombination aus Aldosteron, Renin und ARR (s. o.) dient der Diagnose eines Conn-Syndroms.

5. Ergänzende diagnostische Verfahren

  • Bildgebung (CT/MRT der Nebennieren) – zur Darstellung von Raumforderungen
  • Funktionstests (z. B. Dexamethason-Hemmung, ACTH-Stimulation) – zur Funktionsprüfung
  • Genetische Diagnostik – bei familiären Störungen oder Tumorsyndromen

6. Zusammenfassung

Die Labordiagnostik der Nebennieren ermöglicht eine differenzierte Einschätzung hormoneller Störungen der Nebennierenrinde und des Nebennierenmarks. Die Kombination aus Basalwerten und Funktionstests bildet die Grundlage zur Erkennung endokriner Erkrankungen der Nebenniere und hilft bei der Abgrenzung internistischer und hormoneller Ursachen.

 Nebennierendiagnostik: Laborparameter nach Funktionsachsen

Funktionsachse Laborparameter Diagnostische Bedeutung
Glukokortikoidachse (Cortisolregulation) Cortisol Zentraler Parameter zur Beurteilung der Cortisolproduktion
Cortisol-Tagesprofil Beurteilung des zirkadianen Verlaufs
ACTH Differenzierung primärer vs. zentraler Ursachen
CRH Stimulationstest bei zentralem Verdacht
Dexamethason-Kurztest Screeningtest bei Cushing-Verdacht
Dexamethason-Langtest Differenzierung von ACTH-abhängigen Formen
11-Deoxycortisol Marker bei 11β-Hydroxylase-Mangel
21-Desoxycortisol Marker bei 21-Hydroxylase-Mangel
17-Hydroxyprogesteron Screeningparameter bei adrenogenitalem Syndrom
11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase Marker bei apparenter Mineralokortikoidexzess-Symptomatik
Mineralokortikoidachse Aldosteron Screening bei Hypertonie und Hypokaliämie
Renin Gegenspieler von Aldosteron, Bestandteil der RAAS-Diagnostik
Serum-Aldosteron-Renin-Quotient Zentrale Screeninggröße beim Conn-Syndrom
ADH Differenzialdiagnose bei Hyponatriämie
Androgenachse DHEA Adrenaler Androgenvorläufer
DHEAS Langzeitmarker für Androgenproduktion
Androstendion Zwischenprodukt in der Steroidsynthese
Dihydrotestosteron (DHT) Aktivstes Androgen; erhöht bei Hirsutismus und Androgenisierungszeichen
Gesamt-Testosteron Basiswert zur Abklärung von Androgenexzess
Freies Testosteron Beurteilung der aktiven Testosteronfraktion
Nebennierenmark Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin im Plasma oder Urin
Plasmametanephrine/Normetanephrine Sensitivste Marker für Phäochromozytom
Vanillinmandelsäure Verlaufsparameter im Urin
Weitere Vorläuferhormone Pregnenolon Früher Steroidvorläufer bei seltenen Defekten

Nebennierendiagnostik: Diagnostischer Entscheidungsbaum

Fragestellung Laborparameter Mögliche Befunde Weiteres Vorgehen
Cushing-Syndrom Cortisol, Dexamethason-Test Fehlende Suppression → Verdacht bestätigt Bildgebung der Nebenniere oder Hypophyse
Morbus Addison Cortisol, ACTH Niedriges Cortisol, erhöhtes ACTH ACTH-Stimulationstest, Substitution
Conn-Syndrom Aldosteron, Renin, ARR ↑ Aldosteron, ↓ Renin, ARR erhöht CT Abdomen, ggf. Selektive Venenkatheterung
Phäochromozytom Plasmametanephrine Erhöht → hoher Verdacht MRT Abdomen, funktionelle Bildgebung
Androgenexzess DHEAS, Androstendion, Testosteron Erhöhte Werte Bildgebung Ovarien/Nebenniere