Spinalkanalstenose – Operative Therapie
Die operative Therapie der Spinalkanalstenose umfasst ein breites Spektrum chirurgischer Verfahren, die bei degenerativen (verschleißbedingten), kongenitalen (angeborenen), posttraumatischen (unfallbedingten), entzündlichen, tumorösen (durch Tumoren bedingten) sowie iatrogenen (durch medizinische Maßnahmen verursachten) Ursachen eingesetzt werden. Eine Operation ist indiziert, wenn eine konservative Behandlung (nicht-operative Behandlung) ausgeschöpft ist, eine progrediente neurologische Symptomatik (Nerven- und Muskelsymptome) vorliegt oder strukturelle Engen eine funktionell relevante Nervenkompression (Druck auf Nervenstrukturen) verursachen. Im Folgenden werden Indikationen, Kontraindikationen, Operationsmethoden, postoperative Nachsorge, mögliche Komplikationen sowie ein strukturierter Methodenvergleich dargestellt.
Indikationen
- Progrediente neurologische Defizite – z. B. motorische Schwäche, sensible Ausfälle, Cauda-equina-Symptomatik (Schädigung des Nervenfaserbündels am Ende des Rückenmarks).
- Therapierefraktäre neurogene Claudicatio (nervenbedingte belastungsabhängige Gehbeschwerden) – belastungsabhängige Symptomatik trotz konservativer Behandlung.
- Strukturell relevante Stenosen unterschiedlicher Genese:
- Degenerative Spinalkanalstenose
- Kongenitale Enge
- Posttraumatische Veränderungen (z. B. Frakturen, kyphotische Fehlstellungen)
- Postoperative/iatrogene Stenosen (z. B. epidurale Fibrosen)
- Entzündliche/infiltrative Ursachen (z. B. Spondylodiszitis (Wirbelkörper- und Bandscheibenentzündung) nach Infektkontrolle)
- Neoplastische Ursachen (z. B. epidurale Metastasen (Tochtergeschwülste von Tumoren), Tumoren)
- Wirbelsäuleninstabilitäten (Instabilität der Wirbelsäule) – z. B. degenerative oder isthmische Spondylolisthesis (Wirbelgleiten).
- Funktionelle Einschränkungen – erheblich reduzierte Mobilität oder Lebensqualität.
Kontraindikationen
- Unkontrollierte systemische Infektionen
- Aktive lokale Infektion im Operationsgebiet
- Schwere, unbehandelte Gerinnungsstörungen
- Deutliche Beeinträchtigung der Allgemeinbelastbarkeit
- Fehlende postoperative Compliance (mangelnde Mitwirkung in der Nachbehandlung)
Operationsverfahren
- Offene oder minimalinvasive Dekompression (Entlastungsoperation) (Laminektomie (operative Entfernung des Wirbelbogens), Hemilaminektomie (einseitige Wirbelbogenentfernung), Laminotomie (operative Eröffnung des Wirbelbogens)) – Entfernung knöcherner und ligamentärer Engen zur Entlastung des Duralsacks und der Nervenwurzeln.
- Mikrochirurgische Dekompression (mikrochirurgische Entlastungsoperation) – unter Einsatz des Operationsmikroskops Entfernung hypertrophierter Strukturen (Ligamentum flavum (gelbes Wirbelband), Osteophyten (Knochensporne), Bandscheibenanteile).
- Interlaminäre Fensterung (Fenestration) – knöcherne Erweiterung mit maximalem Erhalt der Stabilität bei segmentaler Stenose.
- Foraminotomie/Foraminektomie – Erweiterung der Neuroforamina (Seitenaustrittsöffnungen der Nervenwurzeln) bei radikulären Symptomen.
- Laminoplastie (Wirbelbogenaufklappung) (insb. zervikal) – Aufklappen und Offenhalten der Laminae zur Erweiterung des Spinalkanals bei Erhalt der Beweglichkeit.
- Dekompression mit Fusion (Interbody-Fusion (Versteifungsoperation zwischen Wirbelkörpern): PLIF, TLIF, ALIF, LLIF) – indiziert bei Instabilität, Fehlstellung oder hochgradiger Spondylolisthesis.
- PLIF (Posterior Lumbar Interbody Fusion) – dorsaler Zugang, bilateraler Cage (Platzhalterkörper)-Einbau
- TLIF (Transforaminale Lumbale Interkorporelle Fusion) – einseitiger Zugang, geringere Duralsackmanipulation
- ALIF (Anterior Lumbar Interbody Fusion) – ventraler Zugang, große Interbody-Cages zur Lordosekorrektur (Korrektur eines Hohlkreuzes)
- LLIF (Laterale Lumbale Interkorporelle Fusion) – lateraler minimalinvasiver Zugang mit Distraktionsvorteilen
- Tumorchirurgische Verfahren – Dekompression, En-bloc-Resektion (Entfernung eines Tumors im Ganzen) oder zirkuläre Rekonstruktion abhängig von Tumorbiologie.
- Infektbedingte Stenose – Dekompression und Debridement (operative Entfernung von infiziertem Gewebe) nach Infektkontrolle; bei Destruktion ggf. ventrale Rekonstruktion.
Postoperative Nachsorge
- Frühfunktionelle Mobilisation – Vermeidung von Adhäsionen (Verwachsungen), Thrombose (Blutgerinnsel) und Muskelabbau.
- Leitliniengerechte Schmerztherapie – multimodales Analgesiekonzept (kombinierte Schmerzbehandlung).
- Physiotherapie – Mobilisation, Koordinations- und Rumpfstabilitätstraining.
- Belastungssteuerung – graduelle Steigerung; bei Fusion eingeschränkte Belastung über Wochen.
- Thromboseprophylaxe – mechanisch oder pharmakologisch, je nach Risiko.
- Befundkontrollen – klinisch und ggf. bildgebend in Abhängigkeit vom Eingriff.
Mögliche Komplikationen
- Infektionen
- Wundheilungsstörungen
- Durale Läsionen mit Liquorfistel (Verletzung der Rückenmarkshaut mit Austritt von Nervenwasser)
- Nervenverletzungen oder persistierende radikuläre Beschwerden (anhaltende ausstrahlende Nervenschmerzen)
- Postoperative Instabilität
- Pseudarthrose (Falschgelenkbildung) (bei Fusion)
- Epidurale Hämatome (Blutergüsse im Wirbelkanal)
- Rezidiv- oder Adjacent-Segment-Erkrankung (Wiederauftreten bzw. Verschleiß benachbarter Wirbelsäulenabschnitte)
Vergleich der Operationsmethoden
| Methode | Technik | Vorteile | Nachteile |
|---|---|---|---|
| Dekompression | Entfernung knöcherner/ligamentärer Engen | Hohe Erfolgsrate, geringe Komplikationsrate | Bei Instabilität nicht ausreichend |
| Laminoplastie | Aufklappen der Lamina, Offenhalten mittels Platten | Bewegungserhaltend, ideal bei zervikaler Myelopathie (Schädigung des Rückenmarks im Halswirbelsäulenbereich) | Axialschmerzen (Schmerzen entlang der Wirbelsäule) möglich |
| Foraminotomie | Erweiterung des Neuroforamens | Sehr gute radikuläre Besserung | Begrenzt bei kombinierter zentraler Stenose |
| Interbody-Fusion (PLIF/TLIF/ALIF/LLIF) | Cage-Implantation mit Schrauben-Stab-System (Schrauben-Stab-Implantat) | Stabilisierung, Korrektur, starke Dekompression | Höheres OP-Risiko, Pseudarthrose möglich |
| Tumorchirurgie | En-bloc-Resektion oder zirkuläre Rekonstruktion | Gezielte Dekompression bei Neoplasien (Tumorerkrankungen) | Hohe Komplexität, Blutverlust |
| Infektsanierung | Dekompression + Debridement | Essentiell bei neurologischer Bedrohung | Instabilität möglich |
Fazit
Die operative Behandlung der Spinalkanalstenose ist ein differenziertes Therapiefeld mit zahlreichen Verfahren, die individuell nach Ursache, Lokalisation und Ausmaß der Stenose ausgewählt werden müssen. Degenerative, kongenitale, tumoröse, traumatische oder entzündliche Stenosen werden jeweils nach spezifischen Kriterien behandelt. Eine strukturierte postoperative Rehabilitation (Reha-Behandlung) ist entscheidend für das funktionelle Ergebnis.
Literatur
- Katz JN, Zimmerman ZE, Mass H, Makhni MC: Diagnosis and Management of Lumbar Spinal Stenosis. JAMA 2022;327(17):1688–1699. DOI: https://doi.org/10.1001/jama.2022.5921
- Weinstein JN, Tosteson TD, Lurie JD et al.: Surgical vs Nonoperative Treatment for Lumbar Spinal Stenosis. New England Journal of Medicine 2008;358:794–810. DOI: https://doi.org/10.1056/NEJMoa0707136
- Försth P, Ólafsson G, Carlsson T et al.: A Randomized, Controlled Trial of Fusion Surgery for Lumbar Spinal Stenosis. New England Journal of Medicine 2016;374:1413–1423. DOI: https://doi.org/10.1056/NEJMoa1513721