Sinustachykardie – Einleitung

Die Sinustachykardie ist eine Herzrhythmusstörung, bei der die Herzfrequenz aufgrund einer erhöhten Aktivität des Sinusknotens auf über 100 Schläge pro Minute ansteigt. Sie stellt eine physiologische oder pathologische Reaktion des Herzens dar, die über die altersübliche normale Herzfrequenz hinausgeht. Umgangssprachlich wird sie oft als "Herzrasen" bezeichnet. Die Sinustachykardie kann sowohl in Ruhe als auch unter Belastung auftreten und kann unterschiedliche Ursachen haben, die von harmlosen bis zu ernsthaften gesundheitlichen Zuständen reichen.

Synonyme und ICd-10: beschleunigte Herzfrequenz; Sinus tachycardia; ICD-10-GM R00.0: Tachykardie, nicht näher bezeichnet

Definition und Pathophysiologie

Die Sinustachykardie ist eine Herzrhythmusstörung, die zur Gruppe der Reizbildungsstörungen gehört. Die Erregungsbildung geht vom Sinusknoten aus und durchläuft das Erregungsleitungssystem des Herzens regulär (orthotope Tachykardie). Der Sinusknoten (Nodus sinuatrialis; Synonyme: Sinuatrial-Knoten (SA-Knoten) oder Keith-Flack-Knoten) ist das primäre Schrittmacherzentrum des Herzens (Sinusrhythmus). Er befindet sich im Bereich des rechten Herzohrs in der Nähe des Sulcus terminalis (Vertiefung zwischen dem Ansatz der Vena cava superior und der Vena cava inferior).

Eine Sinustachykardie wird bei Säuglingen, Kleinkindern, körperlichen und seelischen Belastungen, emotionalen Reaktionen sowie Schmerzen als physiologisch angesehen. Im EKG (Elektrokardiogramm) weist die Sinustachykardie einen schmalen Kammerkomplex (QRS-Breite ≤ 120 ms) auf und wird daher als Schmalkomplextachykardie bezeichnet.

Pathologische Ursachen

Eine Sinustachykardie ist pathologisch (krankhaft) bei:

  • Extrakardialer Genese (Bedarfstachykardie)
    • Fieber (pro 1 °C Temperaturanstieg um ca. 10 Schläge/Minute)
    • Anämie (Blutarmut)
    • Hypoxie (Sauerstoffmangel)
    • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
    • Hypovolämie (vermindertes Blutvolumen)
    • Hypotonie (niedriger Blutdruck)
    • Infektion
    • Lungenembolie
    • Schock
  • Kardialer Genese
    • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
    • Myokardinfarkt (Herzinfarkt)

Zur Beurteilung der Tachykardie muss das Leistungsvermögen des Herzens sowie das Lebensalter berücksichtigt werden. Eine kritische Grenze liegt bei einer Herzfrequenz, die einem Wert von 220 minus Lebensalter entspricht.

Ein Sinustachykardie kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").

Epidemiologie 

Allgemeine Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Sinustachykardie ist eine häufige Herzrhythmusstörung und kann in verschiedenen Bevölkerungsgruppen auftreten. Da sie oft durch physiologische Reaktionen wie körperliche Anstrengung oder Stress ausgelöst wird, sind genaue Prävalenzdaten schwierig zu ermitteln.

Geschlechterverhältnis

  • Geschlechterverhältnis: Sinustachykardie kann bei beiden Geschlechtern auftreten, jedoch gibt es Unterschiede in den zugrunde liegenden Ursachen.
    • Frauen sind häufiger von hyperthyreosebedingter Sinustachykardie betroffen, da Schilddrüsenerkrankungen bei Frauen häufiger vorkommen.
    • Männer sind häufiger von kardialen Ursachen betroffen, insbesondere von Myokardinfarkten (Herzinfarkten), die eine Sinustachykardie auslösen können.

Altersverteilung

  • Kinder und Jugendliche: Bei Kindern und Jugendlichen ist Sinustachykardie oft physiologisch und tritt in Situationen wie Fieber, Angst oder körperlicher Aktivität auf.
  • Erwachsene: In der erwachsenen Bevölkerung kann die Sinustachykardie sowohl physiologische als auch pathologische Ursachen haben. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, dass kardiale Ursachen wie Herzinsuffizienz (Herzschwäche) oder Myokardinfarkt zugrunde liegen.
  • Ältere Menschen: Bei älteren Menschen ist die Prävalenz von Herzinsuffizienz und anderen kardialen Ursachen höher, was zu einer erhöhten Inzidenz von Sinustachykardie führen kann.

Spezifische Prävalenzraten

  • Physiologische Sinustachykardie: Sehr häufig, insbesondere bei jungen, gesunden Menschen unter Belastung oder Stress.
  • Pathologische Sinustachykardie:
    • Hyperthyreose: In populationsbasierten Studien wurde festgestellt, dass bis zu 10 % der Patienten mit Hyperthyreose Sinustachykardie entwickeln.
    • Anämie (Blutarmut): Bei Patienten mit schwerer Anämie kann die Prävalenz der Sinustachykardie 20-30 % betragen.
    • Herzinsuffizienz: Bei Patienten mit Herzinsuffizienz (Herzschwäche) wird Sinustachykardie häufig als Kompensationsmechanismus beobachtet, insbesondere in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Der Verlauf der Sinustachykardie hängt stark von der zugrunde liegenden Ursache ab. Hier sind einige typische Verläufe, basierend auf unterschiedlichen Ursachen:

  • Physiologische Sinustachykardie: Tritt bei körperlicher oder seelischer Belastung, emotionalen Reaktionen oder Schmerzen auf. Diese Form der Tachykardie ist meist vorübergehend und verschwindet, sobald der auslösende Faktor beseitigt ist.
  • Pathologische Sinustachykardie: Kann durch verschiedene extrakardiale (außerhalb des Herzens) oder kardiale (Herz betreffende) Ursachen ausgelöst werden. Hier sind einige Beispiele:
    • Extrakardiale Ursachen:
      • Fieber: Pro 1 °C Temperaturanstieg erhöht sich die Herzfrequenz um etwa 10 Schläge pro Minute.
      • Anämie (Blutarmut): Der Körper kompensiert den Sauerstoffmangel durch eine erhöhte Herzfrequenz.
      • Hypoxie: Sauerstoffmangel führt zu einer gesteigerten Herzfrequenz, um den Sauerstofftransport zu verbessern.
      • Hyperthyreose: Eine Überfunktion der Schilddrüse erhöht den Stoffwechsel und damit die Herzfrequenz.
      • Hypovolämie: Ein vermindertes Blutvolumen erfordert eine höhere Herzfrequenz, um den Blutdruck aufrechtzuerhalten.
      • Infektion und Schock: Beide Zustände können eine Sinustachykardie auslösen.
    • Kardiale Ursachen:
      • Herzinsuffizienz (Herzschwäche): Das Herz versucht, durch eine gesteigerte Frequenz die unzureichende Pumpleistung zu kompensieren.
      • Myokardinfarkt (Herzinfarkt): Eine Schädigung des Herzmuskels kann eine erhöhte Herzfrequenz zur Folge haben.

Prognose

Die Prognose der Sinustachykardie hängt ebenfalls stark von der zugrunde liegenden Ursache und deren Behandlung ab. Hier sind einige allgemeine Prognosefaktoren:

  • Gute Prognose
    • Bei einer physiologischen Sinustachykardie, die durch vorübergehende Zustände wie körperliche Anstrengung oder emotionale Belastung ausgelöst wird, ist die Prognose sehr gut. Die Herzfrequenz normalisiert sich in der Regel schnell, sobald der Auslöser entfernt wird.
    • Auch bei gut behandelbaren extrakardialen Ursachen wie Fieber, Anämie oder Hypoxie kann die Herzfrequenz nach erfolgreicher Behandlung der Grunderkrankung wieder normal werden.
  • Schlechte Prognose
    • Bei chronischen oder schwer zu behandelnden Ursachen wie Herzinsuffizienz oder Myokardinfarkt kann die Sinustachykardie ein Zeichen für eine schlechte Herzfunktion und ein erhöhtes Risiko für Komplikationen sein.
    • Eine unerkannte oder unbehandelte Hyperthyreose kann langfristig zu Herzproblemen führen.

Wichtige Hinweise

  • Behandlung der Grunderkrankung: Im Vordergrund steht immer die Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung. Eine erfolgreiche Behandlung der Ursache führt oft zur Normalisierung der Herzfrequenz.
  • Lebensstiländerungen: Bei Patienten mit chronischer Sinustachykardie aufgrund von Herzinsuffizienz oder anderen Herzproblemen können Lebensstiländerungen wie Gewichtsreduktion, regelmäßige körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung helfen, die Herzfrequenz zu kontrollieren.
  • Medikamentöse Therapie: In einigen Fällen kann die Verordnung von Medikamenten notwendig sein, um die Herzfrequenz zu kontrollieren, insbesondere wenn die Sinustachykardie durch eine chronische Erkrankung wie Herzinsuffizienz verursacht wird.

Die Prognose ist stark abhängig von der frühzeitigen Erkennung und effektiven Behandlung der Grunderkrankung sowie der konsequenten Nachsorge und Anpassung des Lebensstils.