Cystatin C
Cystatin C ist ein Protein aus der Gruppe der Cystein‑Protease-Inhibitoren, das in nahezu allen kernhaltigen Zellen produziert wird. Es wird ausschließlich glomerulär filtriert und vom proximalen Tubulusepithel vollständig reabsorbiert, ohne tubuläre Sekretion. Daher spiegelt Cystatin C zuverlässig die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) wider. Seine Produktionsrate ist stabil und wird nicht durch entzündliche oder konsumierende Erkrankungen beeinflusst [1, 2]. Im Gegensatz zu Kreatinin ist Cystatin C unabhängig von Muskelmasse, Geschlecht und Ernährung und eignet sich daher als sensitiver Marker, insbesondere im kreatininblinden Bereich [3].
Synonyme
- Cys-C
- Cysteinprotease-Inhibitor C
Das Verfahren
- Benötigtes Material
- Blutserum
- Vorbereitung des Patienten
- Für die Messung von Cystatin C sind keine speziellen Vorbereitungen wie Nüchternblutabnahme erforderlich.
- Störfaktoren
- Schilddrüsenfunktionsstörungen:
- manifeste Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) → Erhöhung von Cystatin C
- unbehandelte Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) → Erniedrigung von Cystatin C [1, 2]
- Entzündungen (erhöhtes hs-CRP) können Cystatin C moderat erhöhen, unabhängig von der GFR.
- Hochdosierte Glucocorticoidtherapie → Anstieg der Werte.
- BMI (Body-Mass-Index), Diabetes mellitus, Malnutrition (Mangelernährung) können die Konzentration leicht beeinflussen [3].
- Schilddrüsenfunktionsstörungen:
- Methode
- Bestimmung im Blutserum mittels immunologischer Verfahren (z. B. Nephelometrie, Turbidimetrie).
- Berechnung der GFR über validierte Formeln, z. B.:
- glomeruläre Filtrationsrate (ml(min) = 74,835/Cystatin C (mg/l)1,333 – s. u. nierenrechner.de
Normbereiche (je nach Labor)
Kinder
Alter | Referenzbereich (mg/l) |
---|---|
Neugeborene | 1,37-1,89 |
1-12 Monate | 0,73-1,17 |
1 bis < 3 Jahre | 0,68-1,60 |
3 bis < 16 Jahre | 0,51-1,31 |
Erwachsene
Geschlecht | Referenzbereich (mg/l) |
---|---|
Weiblich | 0,55-1,02 |
Männlich | 0,60-1,10 |
Normbereiche sind methoden- und laborabhängig.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Überwachung der Nierenfunktion bei Gabe nephrotoxischer Medikamente
- Verdacht auf Nierenerkrankungen jeglicher Art
- Erkennung toxischer Nierenschädigungen durch Medikamente oder Umweltgifte
- Kontrolluntersuchungen nach Nierentransplantation
- Verlaufskontrolle bei Diabetes mellitus Typ 2
Interpretation
- Erhöhte Werte
- Hinweis auf eingeschränkte glomeruläre Filtrationsrate
- Erniedrigte Werte
- Keine krankheitsrelevante Bedeutung
Praktische Online-Rechner
- eGFR Calculator (Berechnung des eGFR-Wertes aus Cystatin-C
- eGFR Calculator (Berechnung des eGFR-Wertes aus Kreatinin und Cystatin C)
Spezifische Konstellationen
- Cystatin C zeigt im Bereich zwischen 80-40 ml/min (GFR) eine größere Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Tests erkannt wird, d. h. ein positives Testresultat auftritt) und Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden) als Kreatinin im Serum (mehr Licht im "kreatininblinden Bereich").
- Cystatin C ist des Weiteren geeigneter als die Kreatinin-Bestimmung zur Feststellung und Risikoklassifikation chronischer Nierenerkrankungen [3].
- Bei älteren Menschen sollte die glomeruläre Filtrationsrate den Cystatin-C-Wert einschließen. Das Risiko für Tod und andere klinische Endpunkte wird damit besser prognostiziert als bei rein Kreatinin-basierten Werten [4].
Bei Älteren, die im Regelfall eine geringere Muskelmasse aufweisen und daher niedrigere Kreatininwerte zeigen, wird so eine bessere GFR vorgetäuscht.
Fazit: Eine eGFR, die sowohl auf Kreatinin als auch Cystatin-C (eGFR-KC) basiert, ist besser geeignet als ein rein Kreatinin-basierter Wert (eGFR-K). - Nierenfunktionsverlust in der Bevölkerung bei 25- bis 95-jährigen Deutschen: Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) wird typischerweise über Serumkreatinin (eGFRcrea) oder Cystatin C (eGFRcys) geschätzt. Gemäß einer Studie (12.000 Personen, Alter 25-95 Jahre) konnte nachgewiesen werden, dass eGFRcrea über den gesamten Altersbereich bis zum Alter von 60 Jahren ungefähr linear abnimmt; für eGFRcys bis zum Alter von 60 Jahren. Längsschnittlich schätzten lineare gemischte Modelle einen jährlichen eGFRcrea-Rückgang von -0,80 [95 % Konfidenzintervall -0,82, -0,77], -0,79 [-0,83, -0,76] und -1,20 mL/min/1,73 m2 [-1,33, -1,08] für die Allgemeinbevölkerung [5].
Weiterführende Diagnostik
- Ergänzende Laborparameter: Kreatinin, Harnstoff, hs‑CRP
- Bildgebung zur Beurteilung struktureller Nierenschäden
- Nierenbiopsie bei unklarer Nierenfunktionsstörung
Literatur
- Kimmel M, Braun N, Alscher MD: Influence of Thyroid Function on Different Kidney Function Tests. Kidney Blood Press Res 2011; 35: 9-17.
- Ichihara K, Saito K, Itoh Y: Sources of variation and reference intervals for serum cystatin C in a healthy Japanese adult population. Clin Chem Lab Med 2007; 45: 1232-6.
- Shlipak MG, Matsushita K, Ärnlöv J, Inker LA, Katz R, Polkinghorne KR, Rothenbacher D, Sarnak MJ, Astor BC, Coresh J, Levey AS, Gansevoort RT: Cystatin C versus Creatinine in Determining Risk Based on Kidney Function. N Engl J Med 2013; 369:932-943 September 5, 2013. doi: 10.1056/NEJMoa1214234
- Fu EL et al.: Association of Low Glomerular Filtration Rate With Adverse Outcomes at Older Age in a Large Population With Routinely Measured Cystatin C Annals of Internal Medicine 2024;177(3) https://doi.org/10.7326/M23-1138
- Herold JM et al.: Population-based reference values for kidney function and kidney function decline in 25- to 95-year-old Germans without and with diabetes. Kidney Int. 2024 Jul 29 doi: 10.1016/j.kint.2024.06.024.