Prolaktin (PRL)
Beim Prolaktin (PRL) handelt es sich um ein Hormon aus dem Hypophysenvorderlappen (vorderer Teil der Hirnanhangsdrüse), welches auf die Brustdrüse (Brust) wirkt und bei Frauen nach einer Schwangerschaft die Milchproduktion (Milchbildung) steuert.
Das Prolaktin selbst wird durch den Prolactin Inhibiting Factor (PIF), der im Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns) gebildet wird, gehemmt. Dieser ist mit dem Dopamin (Botenstoff) identisch.
Das Prolaktin zeigt Schwankungen im Tagesverlauf und wird pulsatil ausgeschüttet. Nachts ist die Ausschüttung erhöht (Anstieg um 60-80 % während der späten Schlafphasen).
Synonyme
- PRL
- Prolactin
- Laktotropes Hormon (LTH)
- Laktotropin
ICD-10 (Auswahl)
- E22.1 – Hyperprolaktinämie (zu hoher Prolaktinwert)
- D35.2 – Gutartige Neubildung der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) (z. B. Prolaktinom (Prolaktin-bildender Tumor))
Charakteristische Laborbefunde
- Hyperprolaktinämie: persistierend erhöhte PRL-Konzentration, häufig kontextabhängig (Stress (Belastung), Medikamente (Arzneimittel), Schwangerschaft/Laktation (Stillzeit), Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion), Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)).
- Prolaktinom: typischerweise deutlich erhöhte PRL-Konzentrationen; sehr hohe Werte sprechen stark für ein Prolaktinom, sind jedoch präanalytisch/analytisch abzusichern (z. B. Hook-Effekt (Messartefakt bei sehr hohen Werten) bei sehr hohen Konzentrationen, Makroprolaktin (große Prolaktin-Form)).
- Makroprolaktinämie: erhöhte gemessene PRL-Werte bei geringer/fehlender klinischer Symptomatik (Beschwerden); laborchemische Abklärung (z. B. Polyethylenglykol-Präzipitation (PEG-Fällung)) empfohlen.
Sekretionsstimulus:
- Hypoglykämie (Unterzuckerung)
- hohe Östrogen- und Progesteronkonzentrationen (Schwangerschaft)
- Stimulation der Mamillen (Brustwarzen) (z. B. beim Stillen)
- Medikamente (s. u.)
Hemmender Sekretionseffekt:
- Dopaminrezeptor-Agonisten (dopaminähnliche Medikamente) (z. B. Bromocriptin, L-Dopa)
Das Verfahren
Benötigtes Material
- Blutserum (flüssiger Blutanteil)
Vorbereitung des Patienten
- Die Blutentnahme sollte circa 4 Stunden nach dem Aufstehen durchgeführt werden.
- Präanalytisch sinnvoll: vor der Blutentnahme 15-30 Minuten körperliche Ruhe, Vermeidung akuter Stressoren und vorausgehende Mamillen-/Bruststimulation.
- Vor der Blutentnahme sollten Medikamente, die zu einer Hyperprolaktinämie führen können, möglichst eine Woche vorher abgesetzt werden – siehe dazu unter „Weitere Hinweise“.
- Bei milder/asymptomatischer Hyperprolaktinämie wird leitliniengerecht eine Bestätigung durch Wiederholungsmessung empfohlen (typisch nach 2-4 Wochen, unter standardisierten Bedingungen).
Störfaktoren
- Akute Stresssituationen
- Blutentnahme zu sehr frühen Tageszeiten in den Wintermonaten
- Vorausgehende Bruststimulation
- Siehe unter Vorbereitung des Patienten
- Makroprolaktin als Ursache einer Pseudohyperprolaktinämie (scheinbar zu hoher Prolaktinwert)
- Sehr hohe Prolaktinkonzentrationen: mögliches Risiko eines Hook-Effekts in Immunoassays (Labortestverfahren) (Abklärung durch Messung in Verdünnung, v. a. bei Diskrepanz zwischen Tumorgröße und PRL-Höhe)
Methode
- Immunoassay (Antikörpertest) (methodenabhängig, z. B. Chemilumineszenz-/Elektrochemilumineszenz-Immunoassays).
- Makroprolaktin-Diagnostik: Polyethylenglykol(PEG)-Präzipitation bzw. laborinternes Makroprolaktin-Screening nach Standardvorgehen.
- Bei Verdacht auf Hook-Effekt: Messung nach serieller Verdünnung.
Normbereiche (je nach Labor)
Normwerte Kinder
| Alter | Normwerte in µg/l |
| 5. Lebenstag (LT) | 102-496 |
| 2.-12. Lebensmonat (LM) | 5,3-63,3 |
| 2.-3. Lebensjahr (LJ) | 4,4-29,7 |
| 4.-11- Lebensjahr | 2,6-21,0 |
Normwerte Mädchen/Frauen
| Alter | Normwerte in µg/l |
| 12.-13. LJ | 2,5-16,9 |
| 14.-18. LJ | 4,2-39,0 |
| > 18. LJ | 3,8-23,2 |
| Schwangerschaft, 1. Trimenon (Schwangerschaftsdrittel) |
< 75,0 |
| Schwangerschaft, 2. Trimenon |
< 150 |
| Schwangerschaft, 3. Trimenon |
< 300 |
| Postmenopausal (nach den Wechseljahren) | < 16,0 |
Normwerte Jungen/Männer
| Alter | Normwerte in µg/l |
| 12.-13. LJ | 2,8-24,0 |
| 14.-18. LJ | 2,8-16,1 |
| > 18. LJ | 3,0-14,7 |
Umrechungsfaktor: 1 µg/l = 24 mIU/ml
- Hinweis: Umrechnungsfaktoren sind abhängig vom verwendeten internationalen Standard und assay-spezifisch; im Zweifel laborinternen Umrechnungsfaktor verwenden.
Indikationen
Frauen
- Galaktorrhoe (Milchabsonderung aus der Brust) – einseitig oder beidseitig
- Mastodynie (Brustschmerzen)
- Zyklusstörungen (Regelstörungen) (Oligomenorrhoe (seltene Regelblutung), Corpus-luteum-Insuffizienz (Gelbkörperschwäche), Anovulation (kein Eisprung), Amenorrhoe (Ausbleiben der Regelblutung))
- Akne (Pickel) (z. B. Acne vulgaris)
- Hirsutismus (männliche Behaarung bei Frauen)
- Libidostörungen (vermindertes sexuelles Verlangen)
- PCO-Syndrom (Polyzystisches-Ovar-Syndrom) (polyzystisches Eierstocksyndrom)
- Verdacht auf Prolaktinom
Männer
- Hypogonadismus (Testosteronmangel)
- Galaktorrhoe (spontanes Austreten von Milch oder milchähnlicher Flüssigkeit aus der Brust außerhalb von Schwangerschaft und Stillzeit)
- Gynäkomastie (Brustdrüsenvergrößerung)
- Libido- und Potenzstörungen (Erektionsstörungen)
Interpretation
Interpretation erhöhter Werte
- Prolaktinom (Prolatinspiegel meist > 40 ng/ml) – Prolaktin produzierender Tumor, der sich in der Hypophyse befindet
- Mangel an Prolaktin-inhibitorischem Faktor (PIF) = Dopamin
- Hypophysentumoren, die zu einem Mangel an Prolactin Inhibiting Factor (PIF) führen
- Verletzungen der Hypophyse wie eine Durchtrennung des Hypophysenstiels (Verbindungsstiel zur Hirnanhangsdrüse)
- Funktionelle Hyperprolaktinämie (Prolaktinspiegel < 40 ng/ml)
- Kein Nachweis eines Hypophysentumors
- Seelische Belastung
- Stress
- Gravidität (Schwangerschaft)
- Laktationsphase (Stillzeit)
- Höhergradige Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) (Prolaktin wird vermindert renal ausgeschieden und akkumuliert)
- Hypothyreose bzw. latente (subklinische) Hypothyreose (latente Schilddrüsenunterfunktion) – Prolaktinspiegel selten > 40 ng/ml
- Körperlicher oder seelischer Stress
- Medikamente, die eine Hyperprolaktinämie induzieren können (Dopaminantagonisten: siehe unter „Weitere Hinweise“)
- Makroprolaktinämie als Differenzialdiagnose (v. a. bei milder/asymptomatischer Hyperprolaktinämie)
Interpretation erniedrigter Werte
- Hypophyseninsuffizienz (Unterfunktion der Hirnanhangsdrüse)
- Medikamente, die zur Therapie einer Hyperprolaktinämie eingesetzt werden (Dopaminagonisten: Bromocriptin; Lisurid; Pramipexol; Ropinirol)
- Menopause (Wechseljahre)
Weitere Hinweise
- Werte über 200 ng/ml (= µg/L) sind für ein Prolaktinom fast immer beweisend; erhöhte Prolaktinspiegel bis zu 200 ng/ml können u. a. durch ein Mikroadenom (kleiner Tumor) bedingt sein.
- Prolaktin-Spiegel im hoch-normalen und niedrigen hyperprolaktinämischen Bereich sollen mit metabolischer Gesundheit (Stoffwechselgesundheit) assoziiert sein: Die vorteilhaften Wirkungen von PRL treten bei hohen Werten innerhalb normaler zirkulierender Werte und oberhalb der herkömmlichen Hyperprolaktinämie-Schwelle (25 µg/l) auf. Im Gegensatz dazu sind niedrige PRL-Werte mit Stoffwechselerkrankungen (Stoffwechselkrankheiten) assoziiert [4].
Die nachfolgend genannten Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen können eine Hyperprolaktinämie [1-3] auslösen und damit bei der Frau zu Follikelreifungsstörungen (Eizellreifungsstörungen) und beim Mann zu Libido- und Potenzstörungen führen:
- Antiarrhythmika (Mittel gegen Herzrhythmusstörungen) (Verapamil)
- Antidepressiva (Mittel gegen Depressionen)
- Monoaminoxidasehemmer (MAO-Hemmer) – Moclobemid, Rasagilin, Selegilin, Tranylcypromin
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Selective Serotonin Reuptake Inhibitor, SSRI) – Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin
- Tetrazyklische Antidepressiva (Maprotilin)
- Trizyklische Antidepressiva (TZA) – Amitryptilin, Amitriptylinoxid, Clomipramin, Desipramin, Doxepin, Imipramin, Nortriptylin, Opipramol, Trimipramin)
- Antiemetika (Mittel gegen Übelkeit/Erbrechen) (Domperidon, Metoclopramid)
- Antihistaminika (Allergiemittel) (Synonyme: Histamin-Rezeptorblocker oder Histamin-Rezeptorantagonisten)
- Antihypertensiva (Blutdrucksenker) (Clonidin, Methyldopa)
- Calciumkanalblocker (Amlodipin, Dilitiazem, Nifedipin)
- Antipsychotika (Neuroleptika) (Mittel gegen Psychosen)
- Konventionelle (Klassische) Antipsychotika (Neuroleptika)
- Butyrophenone – Benperidon, Fluspirilen, Haloperidol, Melperon, Pipamperon
- Trizyklische Neuroleptika
- Phenothiazine (Chlorpromazin, Fluphenazin, Levomepromazin, Perazin, Perphenazin, Promethazin, Thioridazin)
- Thioxanthene (Chlorprothixen, Flupentixol, Zuclopenthixol)
- Atypische Antipsychotika (Neuroleptika)
- Benzamide – Sulpirid
- Benzisoxazolpiperidin – Risperidon
- Dibenzodiazepine – Olanzapin, Quetiapin
- Dopamin-Rezeptor-Antagonist – Aripiprazol, Ziprasidon
- Konventionelle (Klassische) Antipsychotika (Neuroleptika)
- Antisympathotonika (Mittel, die den Sympathikus dämpfen) (Reserpin)
- Endogene Opiate (körpereigene Opiate) (Endorphine)
- Endorphin
- Hormone (Botenstoffe)
- Adrenalin (Epinephrin)
- Angiotensin II
- Antiandrogene (Mittel gegen männliche Hormone) (Cyproteronacetat)
- GnRH
- Melatonin
- Oxytocin
- Östrogene
- TRH
- TSH-Releasing-Hormon (Synonyme: Thyroid-Stimulating Hormone, Thyrotropin)
- Vasopressin
- H2-Rezeptorenblocker (Magensäureblocker) (Cimetidin, Ranitidin)
- Indirekte Dopaminantagonisten (dopaminhemmende Mittel)
- Naltrexon
- Tetrabenzin
- Opioide (starke Schmerzmittel) (Hydromorphon, Morphin)
- Prokinetika (Mittel zur Förderung der Magen-Darm-Bewegung)
- Domperidon
- Metoclopramid
- Alizaprid
- Psychopharmaka (Medikamente für die Psyche) (Phenothiazine, Thioxanthene)
- Serotonin
Weiterführende Diagnostik
- Bestätigung: Wiederholungsmessung unter standardisierten Bedingungen (bei milder/asymptomatischer Konstellation typischerweise nach 2-4 Wochen).
- Makroprolaktin: Abklärung auf Makroprolaktinämie, insbesondere bei milder/asymptomatischer Hyperprolaktinämie.
- Schwangerschaft: Schwangerschaftstest bei Frauen im reproduktiven Alter (klinische Konstellation beachten).
- Endokrinologische Basisabklärung: TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) und fT4 bei Verdacht auf (subklinische) Hypothyreose; weitere Achsen nach Klinik.
- Organfunktion: Nierenfunktion (z. B. Kreatinin, geschätzte glomeruläre Filtrationsrate), ggf. Leberwerte nach Klinik.
- Medikamentenanamnese: gezielte Prüfung prolaktinerhöhender Substanzen; wenn möglich Auslassversuch und Kontrollmessung (zeitnah, praxisnah häufig nach wenigen Tagen) gemäß klinischer Situation.
- Bildgebung: Hypophysen-Magnetresonanztomographie (MRT) (Kernspintomographie) bei persistierender Hyperprolaktinämie ohne reversible Ursache, bei deutlich erhöhten Werten oder bei Symptomen eines Hypophysenprozesses (z. B. Kopfschmerzen, Visus-/Gesichtsfeldausfälle (Sehfeldausfälle)).
- Ophthalmologie: Gesichtsfelduntersuchung bei (para)sellärer Raumforderung (Raumforderung im Bereich der Hirnanhangsdrüse) oder klinischem Verdacht.
- Analytik bei Diskrepanzen: Verdünnungsmessung (Hook-Effekt) bei sehr hohen Werten und/ oder Diskrepanz zwischen PRL-Höhe und Tumorgröße.
Literatur
- Stauber M, Weyerstahl T. Gynäkologie und Geburtshilfe. Georg Thieme Verlag; 2005.
- Karow T, Lang-Roth R. Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Thomas Karow Verlag; 25. Auflage; 2017.
- Fauci AS, Braunwald E, Kasper DL, Hauser SL, Longo DL, Jameson JL, Loscalzo J. Harrisons Innere Medizin. 17. Auflage. ABW Wissenschaftsverlag; 2009.
- Macotela Y, et al. Time for a New Perspective on Prolactin in Metabolism. Trends Endocrinol Metab. 2020;31(3):276-286. https://doi.org/10.1016/j.tem.2020.01.004
- Petersenn S, Fleseriu M, Casanueva FF, et al. Diagnosis and management of prolactin-secreting pituitary adenomas: a Pituitary Society international Consensus Statement. Nat Rev Endocrinol. 2023;19:722-740. https://doi.org/10.1038/s41574-023-00886-5
- Mann JA, Bereznicki C, Lithgow K. Workup of hyperprolactinemia. CMAJ. 2025;197(14):E390-E391. https://doi.org/10.1503/cmaj.241710
- Glezer A, et al. Position statement on macroprolactinemia from the Department of Neuroendocrinology of the Brazilian Society of Endocrinology and Metabolism (SBEM) and the Brazilian Society of Clinical Pathology/Laboratory Medicine (SBPC/ML). Arch Endocrinol Metab. 2025. https://doi.org/10.20945/2359-4292-2025-0152