Mangelernährung im Alter – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Mangelernährung im Alter dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie Erkrankungen, die im Alter gehäuft auftreten und das Ernährungsverhalten beeinflussen können (z. B. Demenz, Apoplex (Schlaganfall), Herzinsuffizienz (Herzschwäche))?
Sozialanamnese
- Leben Sie allein oder mit Angehörigen bzw. in einer Pflegeeinrichtung?
- Haben Sie eine häusliche Unterstützung (z. B. durch ambulante Pflege, Essen auf Rädern)?
- Fühlen Sie sich häufig einsam oder isoliert?
- Haben sich Ihre sozialen Kontakte in letzter Zeit verändert?
- Haben Sie finanzielle Schwierigkeiten, die Ihre Ernährung beeinflussen könnten?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Fühlen Sie sich häufig müde oder antriebslos?
- Haben Sie das Gefühl, körperlich weniger belastbar zu sein als früher?
- Leiden Sie unter Konzentrationsschwäche oder geistiger Verlangsamung?
- Haben Sie depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit oder Antriebsmangel bemerkt?
- Sind Ihnen Veränderungen der Haut (z. B. trockene, schuppige oder pergamentartige Haut), Haare (Haarausfall, dünnes Haar) oder Nägel (brüchig, rillenförmig) aufgefallen?
- Haben Sie Veränderungen beim Geschmacks- oder Geruchssinn bemerkt?
- Haben Sie Schluckbeschwerden oder Kauprobleme (z. B. durch Zahnverlust, schlecht sitzende Prothese)?
- Haben Sie Schluckauf oder häufiges Verschlucken bemerkt?
- Wie ist Ihre Verdauung (regelmäßiger Stuhlgang, Verstopfung, Durchfall)?
- Haben Sie Probleme beim Wasserlassen?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Hat sich Ihr Appetit verändert? Haben Sie weniger Lust zu essen?
- Ist Ihnen ungewollter Gewichtsverlust aufgefallen? Falls ja: Wie viel Kilogramm in welchem Zeitraum? Geben Sie bitte uns Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
- Haben Sie ein Sättigungsgefühl bereits nach kleinen Mahlzeiten?
- Haben Sie ein Hungergefühl? Oder essen Sie eher „aus Pflicht“?
- Wie viele Mahlzeiten essen Sie täglich?
- Wer bereitet Ihre Mahlzeiten zu? (Sie selbst, Angehörige, Pflegedienst, Essen auf Rädern?)
- Wie würden Sie Ihre Ernährung beschreiben (ausgewogen, einseitig, kalorienreich, fettarm etc.)?
- Welche Lebensmittel essen Sie regelmäßig? Gibt es Lebensmittel, die Sie bewusst meiden?
- Haben Sie Lebensmittelunverträglichkeiten?
- Trinken Sie täglich ausreichend Flüssigkeit? Wie viel und was trinken Sie täglich?
- Haben Sie in letzter Zeit weniger Durst oder vergessen Sie zu trinken?
- Bewegen Sie sich regelmäßig im Alltag? (z. B. Spaziergänge, Haushaltsaktivitäten)
- Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
Eigenanamnese
- Vorerkrankungen:
- Hatten Sie in der Vergangenheit eine Essstörung (Bulimie, Magersucht)?
- Bestehen bei Ihnen chronische Erkrankungen, die mit Mangelernährung assoziiert sein können (z. B. Tumorerkrankungen, Herzinsuffizienz (Herzschwäche), chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Demenz, Morbus Parkinson, Apoplex (Schlaganfall))?
- Bestehen psychische Erkrankungen (z. B. Depression, Angststörung)?
- Haben Sie Erkrankungen, die die Aufnahme von Nährstoffen beeinträchtigen (z. B. Malabsorptionssyndrome, Kurzdarmsyndrom)?
- Haben Sie in letzter Zeit häufig Infekte oder Infektanfälligkeit bemerkt?
Medikamentenanamnese
- Antibiotika
- Anticholinergika
- Antidepressiva
- Antihistaminika
- Antihypertensiva
- Anti-Parkinson-Medikamente
- Antipsychotika (Neuroleptika)
- Appetitzügler
- Benzodiazepine
- Bisphosphate
- Codein
- Digitalis
- Diuretika (u. a. Schleifendiuretika)
- Donezepil
- Eisenpräparate, orale
- Herzglykoside
- Glucocorticoidtherapie
- Memantine
- Nicht-Steroidale-Antirheumatika (NSAR)
- Opiate
- Probenecid
- Sedativa
- Zytostatika
Umweltanamnese
- Sind Sie in Ihrer Wohnung ausreichend versorgt (Heizung, Wasser, Licht, Kochmöglichkeit)?
- Gibt es Barrieren oder Einschränkungen in Ihrem häuslichen Umfeld, die eine ausreichende Ernährung oder Flüssigkeitszufuhr erschweren könnten (z. B. beschwerlicher Einkauf, kein Herd vorhanden)?
Mangelernährungs-Test
Durch die Beantwortung der folgenden sieben Fragen lässt sich häufig schon eine gute Aussage über die Ernährungssituation erreichen:
- Ist ein ungewollter Gewichtsverlust festzustellen?
- Wird das Essen oft nicht aufgegessen?
- Fällt das Kauen und Schlucken schwer?
- Wird weniger als 1,5 l Flüssigkeit pro Tag getrunken?
- Kommt es häufig zu Durchfall (mehr als dreimal pro Woche)?
- Liegen Wundheilungsstörungen vor?
- Liegt der Body-Mass Index (BMI) unterhalb der Definition des altersabhängigen wünschenswerten BMI?
Wenn bei keiner Frage mit JA geantwortet wurde, liegt kein Risiko für eine Mangelernährung vor.
Wenn bei einer Frage mit JA geantwortet wurde, so sollte der Verlauf genau beobachtet werden, Wunschkost bereitgestellt und/oder eine Diätberatung durchgeführt werden.
Wenn zweimal mit JA geantwortet wurde, so besteht die Gefahr der Mangelernährung. Es sollte eine gezielte Hilfe zur Nahrungsaufnahme gegeben und/oder Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden
Wenn drei- oder mehrmals mit JA geantwortet wurde, so liegt eine Mangelernährung vor.
Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.