Gedeihstörung – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Pathogenese einer Gedeihstörung ist abhängig von deren Ursache, d. h. von der Grunderkrankung.

Ursachen können sein:

  • unzureichende Nahrungsaufnahme; häufig assoziiert mit:
    • Anorexie (Appetitlosigkeit)
    • chronisches Erbrechen
    • Dysphagie (Schluckstörung) oder Kaustörung
    • Transportstörung des Ösophagus (Speiseröhre)
    • Dyspnoe (Atemnot bei Herz und Lungenerkrankungen)
  • erhöhter Energiebedarf: z. B. chronische Infektion, chronische Inflammation, chronische Organerkrankungen, maligne Erkrankungen [s. u.]
  • gestörte intestinale Aufnahme: Maldigestion/unzureichende Verdauung, Malabsorption/mangelnde Aufnahme (z. B. Zöliakie, CED (chronisch-entzündliche Darmerkrankung), insbesondere Morbus Crohn, Pankreasinsuffizienz/Bauchspeicheldrüsenschwäche) [s. u.]

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern (→ Auswirkung in den ersten beiden Jahren: Baby von kleineren Eltern fallen scheinbar aus den Normbereich heraus)
    • Genetische Erkrankungen
      • (Lippen-)(Kiefer-)Gaumenspalte – genetische Erkrankung, die meist sporadisch auftritt
      • Mikrognathie – genetische Erkrankung, die meist sporadisch auftritt; Fehlbildungen des Gesichtsschädels, die durch eine Hypoplasie des Ober- oder Unterkiefers gekennzeichnet sind
      • Mikrozephalus (Kopf, der eine vergleichsweise geringe Größe aufweist; Kopfumfang ist hierbei drei Standardabweichungen geringer als der Mittelwert für einen Menschen gleichen Alters und Geschlecht) – Schädelfehlbildung, die sowohl sporadisch auftritt als auch einen autosomal-rezessiven Erbgang aufweisen kann
      • Prader-Willi-Syndrom (PWS; Synonyme: Prader-Labhard-Willi-Fanconi-Syndrom, Urban-Syndrom und Urban-Rogers-Meyer-Syndrom) – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang, die bei ca. 1 : 10.000 bis 1 : 20.000 Geburten auftritt; charakteristisch sind u. a. ein ausgeprägtes Übergewicht bei fehlendem Sättigungsgefühl, Minderwuchs und Intelligenzminderung; im Laufe des Lebens treten bedingt durch das Übergewicht Erkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus Typ 2 auf
      • Pylorusstenose (Magenpförtnerverengung) – genetische Erkrankung mit meist autosomal-rezessivem Erbgang
      • Trisomie 21 (Down-Syndrom) – spezielle Genommutation beim Menschen, bei der das gesamte 21. Chromosom oder Teile davon dreifach (Trisomie) vorliegen. Neben für dieses Syndrom als typisch geltenden körperlichen Merkmalen sind in der Regel die kognitiven Fähigkeiten des betroffenen Menschen beeinträchtigt; des Weiteren liegt ein erhöhtes Risiko für eine Leukämie vor.
      • Turner-Syndrom (Synonyme: Ullrich-Turner-Syndrom, UTS) – genetische Erkrankung, die meist sporadisch auftritt; Mädchen/Frauen mit dieser Besonderheit haben lediglich ein funktionsfähiges X-Chromosom statt der üblichen zwei (Monosomie X); u. a. mit Anlagestörung der Aortenklappe (33 % dieser Patienten haben ein Aneurysma/krankhafte Aussackung einer Arterie); sie ist die einzige lebensfähige Monosomie beim Menschen und kommt ungefähr einmal bei 2.500 weiblichen Neugeborenen vor.

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mangel an Nährstoffen (inadäquate oder unangemessene Ernährung)
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) 
  • Genussmittelkonsum in der Schwangerschaft
    • Alkohol
    • Tabak (Rauchen)
  • Drogenkonsum während der Schwangerschaft
    • Amphetamine (indirektes Sympathomimetikum)
    • Kokain
  • Körperliche Aktivität
    • Extremer Leistungssport in der Schwangerschaft
  • Psycho-soziale Situation
    • Emotionale Vernachlässigung
    • Körperliche Vernachlässigung
  • Aufnahme von folgenden Substanzen während der Schwangerschaft
    • Medikamente, nicht näher bezeichnet

Krankheitsbedingte Ursachen

Atmungssystem (J00-J99)

  • Schwere Form des Asthma bronchiale

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Immundefekte, nicht näher bezeichnet

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Angeborene Stoffwechselstörungen, nicht näher bezeichnet
  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Erbrechen (häufig gastroösophagealer Reflux; eher selten: Pylorusstenose/Verengung im Bereich des Magenausganges (Pylorus))
  • Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion)
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Insuffizienz des Hypothalamus/der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse)
  • Kwashiorkor ‒ Zustand der Mangelernährung bei Kleinkindern, die überwiegend in den Entwicklungsländern vorkommt
  • Lactoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit)
  • Marasmus ‒ Form der Mangelernährung
  • Milcheiweißintoleranz
  • Morbus Addison (Nebenniereninsuffizienz)
  • Mukoviszidose (Zystische Fibrose, ZF) ‒ genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die durch die Produktion von zu zähmen Sekret in verschiedenen Organen gekennzeichnet ist.

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Hypotonie ‒ zu niedriger Blutdruck
  • Schwerwiegende Herzerkrankungen, nicht näher bezeichnet

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Chronische Infektionen, nicht näher bezeichnet
  • Häufige Virusinfektionen, nicht näher bezeichnet
  • HIV-Infektion (kongenital)
  • Lambliasis (Durchfallerkrankung, die durch den Parasiten Giardia lamblia ausgelöst wird)
  • Parasiten-Befall, nicht näher bezeichnet
  • Rezidivierende Infektionen, nicht näher bezeichnet (z. B. Harnwegsinfekt (HWI), Gastroenteritis/Magen-Darm-Grippe)
  • Tuberkulose

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Schwerwiegende Lebererkrankungen, nicht näher bezeichnet

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa
  • Gastroösophagealer Reflux (GÖR-Erkrankung) ‒ Rückfluss von Magensaft aus dem Magen in die Speiseröhre
  • Häufige/chronische Gastroenteritis 
  • Malabsorption
  • Mikrognathie ‒ zu kleiner Oberkiefer
  • Transportstörungen des Ösophagus
  • Zöliakie (gluteninduzierte Enteropathie) – chronische Erkrankung der Dünndarmmukosa (Dünndarmschleimhaut), die auf einer Überempfindlichkeit gegen das Getreideeiweiß Gluten beruht

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Bösartige Neubildungen, nicht näher bezeichnet
  • Phäochromozytom ‒ meist gutartiger Tumor, der überwiegend von der Nebenniere ausgeht und zu krisenhaften Blutdruckanstiegen führt
  • Tumoren des zentralen Nervensystems, nicht näher bezeichnet 

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)
  • Alkoholabhängigkeit (Alkoholabusus)
  • Anorexia nervosa (Magersucht)
  • Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht)
  • Depression
  • Drogen-Abhängigkeit
  • Dysphagie (Schluckstörungen)
  • Infantile Zerebralparese (Cerebralparese; von lat. cerebrum „Gehirn“ und griech. parese „Lähmung“; cerebrale Bewegungstörung) ‒ neurologische Störung, deren ursächliche Schädigung des zentralen Nervensystems vor, während oder unmittelbar nach der Geburt auftritt
  • Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom ‒ Form des Münchhausen-Syndroms, bei der anstelle des Erwachsenen dessen Kinder unter Vortäuschung von Symptomen häufig ärztlichen Untersuchungen zugeführt werden; typisch sind häufige Arztbesuche und Untersuchungen ohne Ergebnis und das Wechseln der "Symptome".
  • Schizophrenie

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)

  • Frühgeburt
  • Infektionen der Mutter während der Schwangerschaft
  • Intrauterine Wachstumsverzögerung

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Anorexie (Appetitlosigkeit)
  • Chronische Diarrhoe (Durchfall), u. a. bei Immundefekten
  • Chronisches Erbrechen
  • Dyspnoe (Kurzatmigkeit) aufgrund von Herz- und Lungenerkrankungen

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Häufige/chronische Harnwegsinfektionen (HWI)
  • Schwerwiegende Nierenerkrankungen, nicht näher bezeichnet

Weitere Ursachen

  • Kindesmisshandlung
  • Physiologisch ‒ drei Prozent der gesunden Kinder liegen mit ihrem Gewicht/ihrer Größe unterhalb der dritten Perzentile

Medikamente

  • Medikamente, die bei ADHS eingesetzt werden
  • Zytostatika ‒ Medikamente, die bei der Chemotherapie bei bösartigen Neubildungen eingesetzt werden