Perkutane koronare Intervention (PCI)

Bei der perkutanen koronaren Intervention bzw. perkutane Koronarintervention (Abkürzung PCI; Synonym: Perkutane transluminale koronare Angioplastie, PTCA; engl.: percutaneous transluminal coronary angioplasty) handelt es sich um ein therapeutisches Verfahren der Kardiologie (Lehre vom Herzen). Es dient der Erweiterung von stenosierten (verengten) oder vollständig verschlossenen Koronarien (Arterien, die kranzförmig das Herz umgeben und den Herzmuskel mit Blut versorgen) (= Revaskularisation; Revaskularisierung).

Das Verfahren ist beim akuten Myokardinfarkt erste Therapieoption [11] und kann des Weiteren zur Behandlung des instabilen akuten Koronarsyndrom eingesetzt werden. Das akute Koronarsyndrom stellt das Spektrum lebensbedrohlicher Herzerkrankungen von der instabilen Angina pectoris ("Brustenge"; plötzlich auftretender Schmerz in der Herzgegend; hier: Form der Angina pectoris, deren Symptomatik nicht konstant ist, sondern sich ändert) bis zum Myokardinfarkt (Herzinfarkt) dar. Die Behandlung von Patienten mit einem stabilen Koronarsyndrom wird heute zwar regelhaft invasiv mittels PCI durchgeführt, allerdings zeigt die Studienlage in diesem Fall keinen eindeutigen Vorteil im Vergleich zur medikamentösen Therapie. Bei Einbeziehung der qualitativ hochwertigen Studien ließ sich kein Vorteil für die PCI erkennen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Chronische koronare Herzkrankheit (KHK)

  • Eingefäßerkrankung*Bei erkennbarer klinischer Symptomatik oder einem diagnostischen Nachweis einer Ischämie (Minderdurchblutung) stellt die PCI bei einer oder mehreren hochgradigen Stenosen (Verengung) eines Koronargefäße (Herzkranzgefäß) im Vergleich zu anderen Methoden die Methode der Wahl dar. Bei fehlender Symptomatik oder dem Fehlen einer Ischämie ist die PCI nicht anzuwenden.
  • Mehrgefäßerkrankung*Auch bei Symptomlosigkeit ist bei einer Stenose* von mindestens zwei Koronargefäßen die PCI anwendbar. Allerdings ist die PCI einer Bypassoperation nicht überlegen.
  • StentstenoseBei einer erneuten Stenosierung (Verengung) eines Stents kann die PCI eingesetzt werden. Das Risiko für eine Stenosierung eines Stents beträgt ca. 30 % [1].
  • Venöse Bypass-Eröffnung − 10 % aller durchgeführten PCIs erfolgen an venösen Bypassgefäßen. Das Risiko einer Stenosierung eines Bypassgefäßes ist deutlich größer als das einer Koronararterie (Herzkranzgefäß).

*Bei klinisch stabilen Patienten mit koronarer 1- oder 2-Gefäßerkrankung, mit und ohne RIVA-Stenose wird der PCI grundsätzliche eine Klasse-1-Empfehlung zugesprochen [2018 ESC/EACTS Guidelines].

Beachte: Bei einer stabilen KHK ist eine perkutane koronare Intervention nur dann gerechtfertigt, wenn entweder eine höchstgradige Stenose (> 90 %) oder ein regionaler Ischämienachweis (in der Regel durch Messung der fraktionellen Flussreserve, FFR) vorliegen.
Die FFR gibt das Verhältnis des mittleren Blutdrucks distal der Stenose zum aortalen Mitteldruck an.

Eine FFR-gesteuerte Koronarintervention scheint die Prognose bei stabiler Koronarer Herzkrankheit (KHK) zu verbessern [28].

Akutes Koronarsyndrom

  • NSTEMI (Myokardinfarkt (Herzinfarkt) ohne ST-Streckenhebung; Nicht-ST-Strecken Hebungsinfarkt; engl. Non-ST-Elevation-Myocardial Infarction) − als NSTEMI wird ein Myokardinfarkt gekennzeichnet, der im EKG keine typische Hebung der ST-Strecke aufweist. Entgegen der früheren Meinung ist die Letalität (Sterblichkeit) eines NSTEMI nach einem Jahr mit der des ST-Strecken-Hebungsinfarkts nahezu identisch.
    Bei NSTEMI-Patienten erfolgt eine evtl. invasive Behandlung in Abhängigkeit von der initialen Risikostratifizierung in vier Risikogruppen: (NSTE-ACS: Non-ST-Elevated Myocardial Infarciation bzw. Nicht-ST-Strecken-Elevations-Myocardinfarkt – Akutes Koronarsyndrom (ACS) [13]):
    • niedriges Risiko: invasive Abklärung optional
    • intermediäres Risiko: Transport in ein PCI-Zentrum zur invasiven Behandlung (innerhalb von 72 Stunden)
    • hohes Risiko (infarktverdächtige Troponin-Veränderungen, dynamische ST- oder T-Wellen-Veränderungen, „Global Registry of Acute Coronary Events“ (GRACE)-Score > 40) → Transport noch am selben Tag in ein PCI-Zentrum und invasive Abklärung früh (< 24 Stunden)
    • sehr hohes Risiko (z. B. weiter bestehendem Thoraxschmerz (Brustschmerzen) trotz Medikation, lebensbedrohlichen Arrhythmien, akuter Herzinsuffizienz (Herzschwäche), hämodynamischer Instabilität/kardiogenem Schock) → Transport in ein PCI-Zentrum zur sofortigen invasiven Behandlung (< 2 Stunden) 
    Des Weiteren sollten Patienten im Rahmen einer Notfallbehandlung mit einer nicht ausreichend behandelbaren Angina pectoris ("Brustenge"; anfallsartig auftretende Brustschmerzen, die durch eine Minderdurchblutung des Herzens ausgelöst wird), aber auch bei vorliegender Instabilität des Patienten der PCI-Behandlung zugeführt werden. Bei Patientengruppen mit Risikofaktoren für einen Myokardinfarkt sollte die PCI innerhalb von 72 Stunden durchgeführt werden. Ein engeres Zeitfenster für den Beginn der PCI hat entgegen der Erwartungen keine Prognoseverbesserung gezeigt.
  • STEMI* (ST-Strecken Hebungsinfarkt; engl. ST-Elevation-Myocardial Infarction) − der STEMI stellt einen Myokardinfarkt (Herzinfarkt) mit erkennbarer ST-Streckenhebung dar, der innerhalb von 90-120 Minuten durch eine PCI (Akut-PCI; Akut-PTCA) behandelt werden sollte, um das Letalitätsrisiko (Sterblichkeitsrisiko) zu senken. Neben der interventionellen Versorgung (gezielter Eingriff) mittels PCI stellt die Thrombolyse (medikamentöse Auflösung des Blutgerinnsels) eine Therapieoption dar. Bis 12 Stunden nach Symptombeginn ist die PCI allerdings der medikamentösen Thrombolyse überlegen.
  • Kardiogener SchockUnter anderem als Folge eines Myokardinfarktes besteht die Möglichkeit, dass die Leistung des Herzens zur Versorgung lebensnotwendiger Organe nicht möglich ist. Eine PCI kann bei kardiogenem Schock durch Myokardinfarkt auch noch nach 36 Stunden zu einer Verbesserung der Überlebenschancen führen.

*Kardiologischen Fachgesellschaften ESC, ACC und AHA empfehlen, im Rahmen einer Akut-PCI bei Patienten mit STEMI nur die Infarktarterie ("Culprit Lesion“) zu behandeln. Mehrere Studien beschreiben jedoch einen Überlebensvorteil, wenn bei einem Myokardinfarkt-Patienten mit Mehrgefäßerkrankung sogleich eine umfassende Koronarreparatur vorgenommen wird [9, 10]. Das wird inzwischen auch von einer Metaanalyse bestätigt, sodass eine routinemäßige Revaskularisation auch von Non-Culprit-Läsionen bei Patienten mit STEMI „in Betracht gezogen werden sollte“ [39]. Siehe dazu auch unter "Weitere Hinweise" unter COMPLETE-Studie.
Beachte: Die CULPRIT-SHOCK-Studie relativiert die Empfehlung: Eine Mehrgefäß-PCI geht im Vergleich zu einer zunächst auf die Infarktarterie beschränkten Revaskularisation mit einer signifikanten Verschlechterung der Prognose einher (Rate für die 30-Tage-Mortalität war – im Vergleich nach kompletter Revaskularisation – absolut um 8,2 Prozentpunkte höher [29].

**Laut den 15-Jahres-Ergebnissen einer randomisierten Studie hat eine invasive Intervention per Herzkatheter keinen prognostischen oder symptomatischen Nutzen bei mittelgradigen Koronarstenosen, die keine Ischämien verursachen [12].

Die Leitlinie zur myokardialen Revaskularisation der European Society of Cardiology und der European Association for Cardio-Thoracic Surgery hat u. a. zehn Revaskularistionsgebote erstellt, die dabei helfen sollen, zusammen mit dem Patienten die jeweils beste Therapie auszuwählen [s. u. Leitlinien]. Besonders zu beachten sind die nachfolgend zitierten Revaskularistionsgebote:  

  • 5. Revaskularistionsgebot: Eine ausgedehnte Koronarkrankheit und Diabetes mellitus zeigen an, dass die koronare Bypass-Chirurgie (engl. coronary artery bypass graft, CABG) einen langfristigen Überlebensvorteil bietet. 
  • 6. Revaskularistionsgebot: Es ist ratsam, den SYNTAX-Score zu verwenden, um die anatomische Komplexität der Koronarerkrankung zu beurteilen.

Typ-II-Herzinfarkt (Myokardinfarkt Typ 2; Typ-2-Myokardinfarkt)

Definiert als sekundärer Myokardinfarkt bei Ischämie (mit Nekrose)/Herzinfarkt mit Minderdurchblutung und Gewebetod wegen erhöhtem Sauerstoffbedarf oder vermindertem -angebot (z. B. koronarendotheliale Dysfunktion, Koronararterienspasmus, Koronarembolie, Tachy-/ Brady-Arrhythmien, Hypotonie und Hypertonie mit oder ohne linksventrikuläre Hypertrophie (LVH), Anämie, respiratorische Insuffizienz).

Je höher die PCI-Rate bei Patienten mit Typ-2-Herzinfarkt, umso geringer ist die Einjahresmortalität/Einjahres-Sterberate (weniger bei der Kliniksterberate) [41].

Beachte: Die Ergebnisse einer internationalen, offenen, randomisierten Nichtunterlegenheitsstudie belegen, dass es sich lohnt auch Nicht-Cuprit-Läsionen bereits bei der ersten Intervention zu behandeln [47]:

  • nach der gestuften Behandlung erlitten 5,3 % der Patienten einen erneuten Myokardinfarkt (Herzinfarkt), dagegen in der Gruppe der einzeitig behandelten nur 2 %.
  • Der primäre Endpunkt bestand aus Tod aus beliebiger Ursache, nicht tödlichem Myokardinfarkt, Apoplex (Schlaganfall), ungeplanter ischämiebedingter Revaskularisation oder Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz. Ein Jahr nach der Randomisierung zeigte sich ebenfalls ein signifikantes geringeres relatives Risiko für das einzeitige Vorgehen (8,5 % versus 16,3 %).

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Bei gegebener Indikation überwiegen die Vorteile die Risiken, weshalb bei einem adäquaten Allgemeinzustand keine Kontraindikationen vorliegen.

Vor der Therapie

Die Maßnahmen, die vor Durchführung der PCI erfolgen sollten, richten sich nach der jeweiligen Indikation.Zur Indikationsstellung reicht allerdings die alleinige angiographische Beurteilung (Darstellung der Arterien mithilfe eines Kontrastmittels) der Koronargefäße (Herzkranzgefäße) in der Regel nicht aus, sondern es muss zudem die hämodynamische Relevanz von Koronarstenosen (Verengung der Herzkranzgefäße) nachgewiesen werden. Dieses ist entweder mittels nicht-invasiver funktioneller Bildgebung (z. B. Stressechokardiographie oder kardiale Magnetresonanztomographie/Kardio-MRT mit Stresstest) oder intrakoronarer hämodynamischer Beurteilung mittels fraktioneller Flussreserve (FFR) möglich.

Bei einer chronischen koronaren Herzkrankheit (KHK) erfolgt der Eingriff ohne notfallartige Notwendigkeit, welches eine bessere Planung und Vorbereitung erlaubt.

Neben Angaben zu den aktuellen Beschwerden, relevanten Vorerkrankung wie einem Diabetes mellitus, zu einem vorhandenen Schrittmacher und Allergien gegenüber Materialien und Kontrastmittel, sollten Informationen über bevorstehende Operationen, ein aktuelles Ruhe-EKG und verschiedene Laborwerte wie der Myokardinfarktmarker Troponin vorliegen. 

Die Zeit bis zur PCI sollte idealerweise weniger als 90 Minuten betragen. Entscheidend dafür ist der Zeitpunkt, an dem anhand der EKG-Befunde die STEMI-Diagnose gestellt wurde.

Da bei rund 20 % aller Patienten mit PCI von einem hohen Blutungsrisiko auszugehen ist, ist es wichtig diese Risikopatienten zu erkennen, um Blutungskomplikationen zu vermeiden. Ein hohes Blutungsrisiko wird wie folgt definiert: Risiko für Blutungen (Typ 3 oder 5 nach BARC-Definition) 4 Prozent oder mehr oder das Risiko für eine intrakranielle Blutung (Hirnblutung) 1 Prozent oder mehr im ersten Jahr nach PCI. Die ARC-HBR-Gruppe hat sich diesbezüglich auf 14 Major- und 6 Minor-Kriterien für ein hohes Blutungsrisiko von PCI-Patienten festgelegt. Major-Kriterien sind Parameter, die allein mit einer Risikoerhöhung einhergehen können, dagegen reichen Minor-Kriterien alleine noch nicht für eine Risikozunahme aus [33].

Das Verfahren

Die perkutane Koronarintervention dient der Erweiterung von stenosierten (verengten) oder vollständig verschlossenen Koronarien (Herzkranzgefäßen). Zur Durchführung des Verfahrens wird entweder über die A. femoralis (Leistenarterie) oder die A. radialis/Speichenarterie (distale A. radialis; engl. distal transradial access, dTRA; Zugang erster Wahl [13]) ein Katheter eingelegt, über den ein Ballonkatheter vorgeschoben werden kann. 

Eine Metaanalyse zeigt die Vorteile des transradialen Zugangs: sowohl die Rate an schwerwiegenden kardialen Ereignissen (MACE; engl. "major adverse cardiac events") (relative Risikoreduktion 16 %) als auch die Gesamtmortalität (Gesamtsterblichkeit) in der radialen Zugangsgruppe (1,55 % vs. 2,22 %, OR =0,71, p = 0,001) war signifikant niedriger als in der femoralen Gruppe [19].

Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat in ihrer Leitlinie zum Management bei akutem ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) die A. radialis als bevorzugender Gefäßzugangsweg bei primärer PCI empfohlen (Klasse-1-Empfehlung) [23].

Der Ballon kann in einer vorliegenden Stenose (Gefäßverengung) expandiert (ausgedehnt) werden, sodass die Verengung erweitert wird und eine Verbesserung des Blutflusses erreicht werden kann. Im Rahmen der Erweiterung der Verengung werden die im Bereich der Ablagerung befindlichen Kalkanteile in die elastische Wand der Koronargefäße (Herzkranzgefäße) gedrückt und können dort verbleiben. Um eine Restenosierung (erneute Verengung des Gefäßes) zu verhindern, wird in der Regel ein Stent (Gefäßstütze) implantiert. Moderne Stents können als "Drug eluting Stents" (DES) Medikamente freisetzen, die eine Restenosierung unwahrscheinlicher machen sollen. 

Die Drug-eluting-Stents (DES) haben in der aktuellen Leitlinie der ESC zum Management bei akutem ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) eine stärkere Klasse-1-Empfehlung (statt zuvor IIa) erhalten und gelten jetzt als überlegene Alternative zu den unbeschichteten Metallstents (bare metal stents, BMS) [23]. Die reinen Metallstents gelten gemäß den aktuellen europäischen Leitlinien zur Myokardrevaskularisation als obsolet [32].

Stents mit "ultradünnen" Stentstreben (Strebendicke < 70 μm) scheinen im Vergleich mit DES das Risiko für Myokardinfarkte (Herzinfarkt; 20 % niedrigeres Risiko; RR=0,80; 95 % KI 0,65-0,99) und Stentthrombosen (RR=0,97; 95 % KI 0,77-1,22) zu verringern [30].

Ein Medikamenten-beschichteter Ballonkatheter (DCB, drug-coated balloon) könnte künftig bei Stenosen der kleinen Koronargefäße (Verengung der kleinen Herzkranzgefäße) als Alternative zur Stent-Implantation in Betracht kommen: Der primäre Studienendpunkt (kardiale Mortalität, nicht tödlicher Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Zielgefäß-Revaskularisation) zeigte 12 Monate nach der initialen Behandlung keinen relevanten Unterschied zwischen Ballon- und Stent-Behandlung (7,5 versus 7, 3 %) [31].

Die Implantation von Koronarstents im Falle sehr stark kalzifizierter Plaques kann durch eine Kalkzertrümmerung mit intrakoronarer Lithotripsie (IVL, intravascular lithotripsy) optimiert werden. Fast bei allen Patienten (99 %) konnte so eine Post-Stent-Dilatation vorgenommen werden. Die 30-Tage-Rate für kardiale Ereignisse betrug 7,8 %, wobei periprozedurale Myokardinfarkte (Herzinfarkte) den Hauptanteil ausmachten [40].

Die Revaskularisation von Nicht-Infarktarterien bei Patienten mit STEMI und Mehrgefäßerkrankung kann „in Betracht gezogen werden kann“ [23]. Somit wird nicht nur allein die "schuldige" Infarktarterie (culprit lesion), sondern es werden auch andere verengte Koronararterien (non culprit vessel) revaskularisiert. 
Beachte: 
Bei Myokardinfarkt-Patienten mit bestehender koronarer Mehrgefäß-Erkrankung und kardiogenem Schock sollte sich die Revaskularisation zunächst nur auf die "schuldige" infarktrelevante Koronarläsion (culprit lesion) konzentrieren. Werden mehr Gefäße behandelt, erhöht sich die Mortalität (Sterberate) [25].

Beachte: Die Strategie der manuellen Katheter-Thrombusaspiration bei STEMI hat eine Abwertung erfahren (Klasse-III-Empfehlung (kein Nutzen)) [23].

Nach der Therapie

Nach einer koronaren Stentimplantation (Einlage von Gefäßstützen (Stent) in Herzkranzgefäße; Bare Metal Stents, BMS) und Indikation für eine orale Antikoagulation wird eine duale Therapie aus oraler Antikoagulation und einem Thrombozytenaggregationshemmer empfohlen. Bei hohem ischämischem Risiko kann zusätzlich Acetylsalicylsäure (ASS) in einer Triple-Therapie erwogen werden.

Gemäß einer randomisierten Studie kann die duale antithrombozytäre Therapie bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko auf 3 Monate verkürzt werden. Die Fortsetzung der Therapie als Monotherapie mit Ticagrelor hat die Rate der Blutungen gesenkt, ohne dass es zu einem Anstieg der koronaren Ereignisse (Kombination aus Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall) kam [35].
Eine einmonatige Therapie mit dualen Thrombozytenaggregationshemmern (engl. dual antiplatelet therapy, DAPT) war der Fortsetzung der Therapie für mindestens zwei weitere Monate in Bezug auf das Auftreten von unerwünschten klinischen Ereignissen und schwerwiegenden unerwünschten kardialen oder zerebralen Ereignissen nicht unterlegen; die verkürzte Therapie führte auch zu einer geringeren Inzidenz schwerer oder klinisch relevanter nicht schwerwiegender Blutungen [43].

Bei Patienten, die wegen NSTEMI eine PCI erhalten sollen, sollte Prasugrel gegenüber Ticagrelor der Vorzug gegeben werden [Leitlinien: ESC Guidelines, 2020].

Clopidogrel schützt nach PCI besser als Acetylsalicylsäure (ASS) unabhängig vom Risiko für weitere kardiovaskuläre Ereignisse und vom Verhältnis von Ischämie- zu Blutungsrisiko besser vor dem Auftreten thrombotischer Komplikationen und/oder Major-Blutungen [38].

Behandlung mit einem Beta-Blocker nach PCI hat in einer randomisierten Studie bei Patienten mit einer erhaltenen Ejektionsfraktion (linksventrikuläre Ejektionsfraktion von über 50 %) nicht vor einem erneuten Myokardinfarkt (Herzinfarkt) oder einem Tod geschützt [49].

Weitere medikamentöse Therapieoptionen und Vorsichtsmaßnahmen müssen individuell zwischen Patient und Arzt abgesprochen werden.

Basis der Nachbehandlung sollte eine optimale Reduktion der koronaren Risikofaktoren (z. B. Rauchen, Blutdruck, Diabetes mellitus, Cholesterin, Triglyceride) sein.

Mögliche Komplikationen

  • Plaque-RissEine vorliegende Stenose oder Plaques in den Koronarien können in Rahmen einer perkutanen koronaren Intervention rupturieren (reißen) und anschließend thrombosieren (zum Verschluss des Gefäßes führen). Um das Ausmaß der Komplikation einzudämmen, besteht die Therapie in der sofortigen Stentimplantation in die rupturierte Stelle. In Abhängigkeit vom Risikoprofil und vom Ausprägungsgrad der Komplikation ist die Gabe von zusätzlichen Antikoagulantien (gerinnungshemmende Medikamente) unabdingbar.
  • KoronarspasmusBei einem Koronarspasmus handelt es sich um ein spontanes Zusammenziehen der glatten Muskulatur der Koronargefäße (Herzkranzgefäße), die in der Regel während einer perkutanen koronaren Intervention auftreten kann. Bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit ist das Risiko für einen Koronarspasmus erhöht.
  • Dissektion − durch einen Einriss der inneren Gefäßwand mit anschließender Einblutung erfolgt eine Trennung der Wandschichten der Koronararterie.
  • Verschluss der StenoseDurch eine Intervention besteht jedoch auch das Risiko, eine Engstelle vollständig zu verschließen. Ein schnelles Eingreifen ist notwendig, um den akuten Durchblutungsstopp des Gefäßes zu korrigieren.
  • Stentfrakturen (Brüche von Gefäßstützen; 12,3 % bei Drug-eluting Stents (DES); in der Studie waren Gesamtmortalität (Gesamtsterberate) und kardiale Mortalität (herzbedingte Sterblichkeit) in den Gruppen mit und ohne Stentfrakturen nicht signifikant unterschiedlich [15])
  • Stentthrombose (akuter thrombotischer Verschluss einer Arterie innerhalb eines implantierten Stents) – bei Patienten mit Drug-Elutung Stents (DES; medikamentenfreisetzender Stents/Gefäßbrücken) gehen frühe Stentthrombosen innerhalb der nächsten 30 Tage nach perkutaner Koronarintervention mit einer Mortalität (Sterberate) von 38, 5 % einher [18].
    Hinweis: Bei den bioresorbierbaren Koronarstents-Thrombosen spricht man von einer Scaffold-Thrombose.
  • ThromboembolieIm Rahmen der Intervention kann sich ein bestehender Thrombus (Blutgerinnsel) ablösen und verschleppt werden. Je nach Lokalisation des Thrombus kann der Verschluss durch eine Thromboembolie (Verschluss eines Blutgefäßes durch abgelösten Thrombus) unterschiedliche Anteile der Blutversorgung des Herzens betreffen. 
  • Vorhofflimmern VHF), postoperativ (0,1 %) [27]
  • Niereninsuffizienz (Prozess, der zu einer langsam fortschreitenden Verringerung der Nierenfunktion führt; wg. Verabreichung von jodhaltigen Kontrastmitteln): tritt häufig auf, insbesondere bei komorbiden Patienten (Patienten mit Begleiterkrankungen), und ist mit einem signifikant erhöhten Morbidität (Krankheitshäufigkeit) und Mortalitätsrisiko (Sterberate) verbunden [46].

Weitere Hinweise

  • FITT-STEMI-Projekt (ca. 20.000 Patienten): Bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt (STEMI) konnte nachgewiesen werden, dass die Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes mittels Herzkatheter innerhalb von 90 Minuten nach medizinischem Erstkontakt die Mortalität (Sterblichkeit) gegenüber längeren Zeitintervallen um zwei Drittel verringerte. Bei reanimierten Infarkt-Patienten ließ sich die Mortalität halbieren [16, 17]
  • In einer Studie wurde untersucht, wie viel Prozent der Männer bzw. Frauen persistierende Beschwerden trotz Stents-Implantation haben: 
    • 1. Jahr: 16,3 % der Frauen und 10,5 % der Männer
    • 2. Jahr: 17,2 % versus 11,1 %
    Die Gesamtraten für die klinischen Ereignisse für Myokardinfarkt, koronare Revaskularisationen (Wiedereröffnung der Gefäße) und Tod waren annähernd gleich (14, 8 % versus 14, 2 %) [14].
  • COMPLETE-Trial: Die präventive Komplettsanierung der Koronarien (Herzkranzgefäße) bei Patienten mit STEMI konnte die Rate eines Reinfarkts (7,8 % versus 10,5 %) oder Herz-Kreislauf-Tods (8,9 % versus 16,7 % signifikant senken im Vergleich zur Gruppe, in der nur die Stenose Gefäßverengungen) versorgt wurde; dabei kam es auch nicht zu einem Anstieg von Blutungen und zu vermehrten Nierenschäden (infolge der Kontrastmittelgabe) [34].
  • Bei dauerhafter oraler Antikoagulation ist nach einer PCI mit mehr Komplikationen (+50 %) zu rechnen. Die Langzeit-Mortalität stieg um 36 % (im Vergleich zu den nicht oral antikoagulierten Patienten) [20].
  • Operation nach Stentoperationenaktuelle Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) empfehlen [21]:
    • elektive (planbare) Operation:
      • Bare-metal-Stent: nach mindestens 4 Wochen 
      • Drug-eluting-Stent (DES): nach 6 Monaten, besser sogar 12 Monaten nach perkutaner Koronarintervention (PCI)
    Eine Studie auf Grundlage des nationalen dänischen Patientenregisters konnte nachweisen, dass jenseits des ersten Monats bereits kein Unterschied im Risiko zu einer Operation bestand, die erst nach 9 bis 12 Monaten nach PCI durchgeführt wurde [22].
  • Biostents (Polymer-Stents aus Milchsäure) sind 2017 wieder vom Markt genommen worden, wg. Einbrüche des Stentgerüsts ins Innere des Gefäßes, zu einem Zeitpunkt, wo diese noch nicht vollständig in die Gefäßwand eingewachsen sind. Dieses kann zu späteren Thrombosen bzw. zu Mypkardinfarkten führen [24].
  • Beachte: KHK-Patienten mit koronarer 1-Gefäß-Erkrankung (Stenosegrad > 70 %) und stabiler koronarer Herzerkrankung erhielten nach Randomisierung eine PCI oder eine Placebo-PCI. Folgende Ergebnisse konnten nachgewiesen werden [26]:
    • Belastungszeit verbesserte sich nur in der PCI-Gruppe signifikant (28,4 vs. 11,8 Sekunden)
    • zwischen den Gruppen mit PCI und Placebo-PCI konnte kein relevanter Unterschied in der Zunahme der Belastungszeit nachgewiesen werden (und dieses trotz dokumentierter deutlich verbesserter koronarer Hämodynamik, nachgewiesen per FFR-Bestimmung) 
  • EXCEL-Studie: Die 5-Jahresdaten zeigen, dass Stent und Bypassoperation bei den untersuchten Patienten gleich gut sein. Primärer Endpunkt der Studie war ein Komposit aus Tod jeglicher Ursache, Myokardinfarkten (Herzinfarkt) und Apoplex (Schlaganfall): Das Endpunktergebnis nach 5 Jahren war 22 % versus 19, 2 %, was allerdings nicht statistisch signifikant war. Der harte Endpunkt Gesamtmortalität (Gesamtsterberate) nach 5 Jahren betrug allerdings 13,0 % (PCI) versus 9,9 % (Operation) [36].
  • Gemäß einer Metaanalyse profitieren folgende Patientengruppen von einer perkutanen Koronarintervention [37]:
    • Gesamtmortalität (Gesamtsterberate): Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Streckenhebung (NSTEACS), die entweder zusätzlich eine invasive oder nur eine konservative Therapie erhielten, profitierten signifikant: Abnahme des Sterberisikos nach PCI (RR 0,84; 95 % KI 0,72-0,97; p = 0,02)
    • Kardiovaskuläre Mortalität (Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen): Patienten mit STEMI und koronarer Mehrgefäßerkrankung als signifikant (RR 0,68; 95 % KI 0,47-0,98; p = 0,04).
    • Myokardinfarkte (Herzinfarkte): Patienten mit instabiler koronarer Herzkrankheit (KHK profitierten mit einer signifikanten relativen Risikoreduktion um 26 % durch PCI (RR 0,74; 95 % KI 0,62-0,90; p = 0,002); des Weiteren STEMI-Patienten mit Mehrgefäßerkrankung (RR 0,66; 95 % KI 0,54-0,80; p < 0,001)
  • ISCHEMIA-Studie: Bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit konnte keine Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen durch eine zusätzliche Strategie mit invasiver Koronarangiographie plus Revaskularisation per Herzkatheter (oder ggf. Bypassoperation) nachgewiesen werden: Nach einer medianen Follow-up-Dauer von 3,3 Jahren waren die Raten für den primären Endpunkt mit 13,3 % (invasive Strategie) und 15,5 % (optimale medikamentöse Therapie) nicht signifikant unterschiedlich (Hazard Ratio [HR] 0,93; 95 % Konfidenzintervall [CI] 0,80-1,08). Der primäre kombinierte Endpunkt war wie folgt definiert: kardiovaskulärer Tod, nichttödlicher Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Reanimation nach Herzstillstand, Klinikeinweisungen wegen instabiler Angina pectoris (liegt vor, wenn Beschwerden gegenüber den vorausgegangenen Angina pectoris-Anfällen in ihrer Intensität oder Dauer zugenommen haben) oder wegen Herzinsuffizienz (Herzschwäche) [38].
  • 80-jährige Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit: Patienten mit zusätzlich Stent oder Bypass zur medikamentösen Therapie zeigten in der Nachbeobachtungszeit von 3,5 Jahren im Vergleich zur Vergleichsgruppe kein signifikant besseres Endergebnis im Hinblick auf Mortalität und nicht tödliche Myokardinfarkte. Bei Patienten im Alter ab 90 war die invasive Therapie mit einer reduzierten Mortalität assoziiert [42].
  • Patienten mit chronischem Koronarsyndrom  (CCS) ohne Beschwerden: Patienten haben mehr periprozedurale Komplikationen und, unabhängig von bekannten Risikofaktoren, eine höhere Fünf-Jahres-Mortalität (Fünf-Jahres-Sterberate) [44].
  • PCI und Bewusstlosigkeit: Patienten mit einem Herzstillstand außerhalb der Klinik (OHCA), die bewusstlos in der Klinik angekommen sind und die eine PCI erhalten haben, haben ein dreifach erhöhtes Mortalitätsrisiko (Sterberisiko; adjustierte Hazard Ratio: 3,27; p ˂ 0,001) [45].

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Leitlinien

  1. Roffi M, Patrono C, Collet JP et al.: 2015 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation: Task Force for the Management of Acute Coronary Syndromes in Patients Presenting without Persistent ST-Segment Elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J. 2015 Aug 29. doi: 10.1093/eurheartj/ehv320
  2. Schächinger V. et al.: Arbeitsanweisung in Herzkatheterlabor und Hybridoperationssaal. Kardiologe 2015 · 9:29–34. doi 10.1007/s12181-014-0632-6
  3. Ibanez B., James S. et al.: 2017 ESC Guidelines for  the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. The Task Force for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). European Heart Journal (2017) 00, 1-66. doi:10.1093/eurheartj/ehx393
  4. 2018 ESC/EACTS Guidelines on Myocardial Revascularization – The Task Force on myocardial revascularization of the European Society of Cardiology (ESC) and European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS), European Heart Journal (2018) 00, 1-96 doi:10.1093/eurheartj/ehy394
  5. Neumann FJ et al.: 2018 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization. European Heart Journal 2019;40:87-165. doi.org/10.1093/eurheartj/ehy394
  6. 2020 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation: The Task Force for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). European Heart Journal 2020, online 29. August 2020 https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaa575
  7. ESC Guidelines: 2022 ESC Guidelines on cardiovascular assessment and management of patients undergoing non-cardiac surgery: Developed by the task force for cardiovascular assessment and management of patients undergoing non-cardiac surgery of the European Society of Cardiology (ESC) Endorsed by the European Society of Anaesthesiology and Intensive Care (ESAIC). European Heart Journal August 2022.
  8. Byrne R A et al.: 2022 Joint ESC/EACTS review of the 2018 guideline recommendations on the revascularization of left main coronary artery disease in patients at low surgical risk and anatomy suitable for PCI or CABG. European Heart Journal, August 2023. doi.org/10.1093/eurheartj/ehad476