Klinikwahl vor der Geburt: Welche Geburtsklinik passt zu mir und wann sollte ich mich anmelden?

Die Entscheidung, in welcher Klinik eine Geburt stattfinden soll, ist eine der zentralen Fragen in der Schwangerschaftsvorsorge. Werdende Eltern sollten dazu kompetent beraten werden – nicht nur medizinisch, sondern auch hinsichtlich Qualität, Sicherheit, Komfort und persönlichen Präferenzen. Die Wahl der Geburtsklinik beeinflusst sowohl das Geburtserlebnis als auch das medizinische Outcome für Mutter und Kind.

In Deutschland besteht grundsätzlich freie Krankenhauswahl. Dennoch gibt es regionale und strukturelle Einschränkungen, etwa durch Klinikschließungen oder unterschiedliche Versorgungsniveaus. Studien zeigen, dass Distanz und Risikoprofil maßgeblich beeinflussen, ob eine Frau ein Perinatalzentrum oder eine kleinere Geburtsabteilung wählt. So war die Wahrscheinlichkeit, dass Risikoschwangere in einem Perinatalzentrum entbinden, signifikant erhöht [3].

Auch die zunehmende Zentralisierung der Geburtshilfe führt zu einer geringeren Klinikdichte, wodurch die Erreichbarkeit geburtshilflicher Einrichtungen insbesondere im ländlichen Raum abnimmt [4].

Kriterien für die Wahl der Geburtsklinik

Medizinische Sicherheit und Versorgungsniveau

  • Perinatalzentren und Level-System: Kliniken werden in Deutschland nach Versorgungsstufen (Level I-IV) klassifiziert. Level I verfügt über Neonatologie und Intensivversorgung für Frühgeborene, während Level IV nur einfache Geburten betreut. Frauen mit Risikoschwangerschaften (z. B. Mehrlinge, Präeklampsie (Blutdruckanstieg und vermehrte Eiweißausscheidung im Urin (Proteinurie)), Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes)) sollten sich in einem Zentrum mit Neonatologie anmelden.
  • Geburtenzahlen: Eine höhere Geburtenfrequenz korreliert mit einer geringeren Komplikationsrate, da Routine und interdisziplinäre Abläufe eingespielt sind [5].
  • Fachdisziplinäre Anbindung: Eine gute Kooperation mit Anästhesie, Kinderklinik und ggf. internistischen Diensten ist entscheidend für das Notfallmanagement.
  • 24-Stunden-Versorgung: Permanente Verfügbarkeit von Ärzten, Hebammen und Operationsbereitschaft ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal.

Erreichbarkeit und Distanz

Bei Einsetzen der Wehen oder Komplikationen ist eine kurze Fahrtzeit zur Klinik ein Sicherheitsfaktor. Dennoch zeigt eine Studie, dass Frauen bereit sind, längere Anfahrtswege in Kauf zu nehmen, wenn sie dadurch eine höhere Versorgungsqualität erwarten [3].

Zudem sind Anfahrtsbedingungen (Verkehr, Wetter, Infrastruktur) und alternative Transportmöglichkeiten wichtige praktische Kriterien.

Ausstattung und Komfortfaktoren

Neben der medizinischen Sicherheit spielen Betreuungskonzepte und Atmosphäre eine große Rolle für das Geburtserlebnis:

  • Möglichkeit zur Wassergeburt, Periduralanästhesie (PDA), Hebammenkreißsaal oder ambulanter Geburt
  • Familienzimmer und Rooming-in
  • Angebot von Geburtsvorbereitungskursen, Stillberatung und Nachsorge
  • Kulturelle Sensibilität und mehrsprachige Betreuung
  • Positive Patientenerfahrungen und Weiterempfehlungen – laut einer Untersuchung orientieren sich viele Frauen an der wahrgenommenen Betreuungsqualität und nicht allein an objektiven Qualitätsindikatoren [1].

Kapazität und Verfügbarkeit

Beliebte Kliniken mit besonderen Angeboten (z. B. Wassergeburten, Familienzimmer) sind oft frühzeitig ausgebucht. Eine rechtzeitige Anmeldung sichert den gewünschten Geburtsort.

Persönliche Präferenzen und Risikoprofil

Die Klinik sollte den individuellen Wünschen entsprechen, gleichzeitig aber dem medizinischen Risiko angepasst sein.
Beispiele:

  • Wunsch nach natürlicher Geburt ohne Intervention → Hebammenkreißsaal
  • Zustand nach Kaiserschnitt → Klinik mit OP- und Intensivbereitschaft
  • Schwangerschaftsdiabetes oder Präeklampsie → Perinatalzentrum Level I-II

Praktische Tipps zur Entscheidungsfindung

  1. Frühzeitig informieren: Ab der 20.-24. Schwangerschaftswoche ist es sinnvoll, Informationen über Kliniken einzuholen.
  2. Checkliste zur Klinikwahl:
    • Gibt es eine Neonatologie?
    • Welche Schmerztherapien werden angeboten?
    • Wie ist die Betreuung durch Hebammen organisiert?
    • Wie weit ist die Klinik entfernt?
    • Gibt es Familienzimmer?
  3. Kreißsaalführung nutzen: Viele Kliniken bieten Informationsabende oder Führungen an – persönlich oder virtuell. Das hilft, sich ein realistisches Bild von Räumen und Abläufen zu machen.
  4. Risikoprofil regelmäßig evaluieren: Entwickeln sich Komplikationen, sollte ggf. ein Wechsel in eine höherstufige Klinik erfolgen.
  5. Plan B vorbereiten: Auch wenn die Wunschklinik feststeht, sollte eine alternative Einrichtung bekannt sein.
  6. Unterlagen vorbereiten: Mutterpass, Befunde, Überweisungen und ggf. OP-Berichte rechtzeitig bereithalten.

Wann sollte die Anmeldung erfolgen?

Der optimale Zeitpunkt liegt zwischen der 28. und 32. Schwangerschaftswoche. Selbstverständlich gilt: Bei Einsetzen der Wehen oder Komplikationen muss jede Geburtsklinik eine Schwangere aufnehmen – unabhängig von der Anmeldung.

Ablauf der Anmeldung

  1. Terminvereinbarung – telefonisch oder online
  2. Anamnesebogen – Erfassung von Vorerkrankungen, Schwangerschaftsverlauf, besonderen Wünschen
  3. Hebammengespräch – Klärung individueller Vorstellungen zur Geburt (z. B. Schmerzmittel, Gebärposition)
  4. Ärztliches Gespräch – Beurteilung möglicher Risiken, ggf. ergänzende Diagnostik (Ultraschall, Dopplersonographie)
  5. Besichtigung des Kreißsaals – häufig integriert oder separat angeboten
  6. Dokumentation – alle Befunde werden digital oder in der Kreißsaalakte hinterlegt

Fazit

Die Klinikwahl ist eine individuelle, aber auch medizinisch bedeutsame Entscheidung. Neben der Nähe und Ausstattung der Klinik sind insbesondere das Versorgungsniveau, die Notfallkapazitäten und die persönliche Betreuung ausschlaggebend.
Eine Anmeldung zwischen der 28. und 32. SSW ist ideal, um alle organisatorischen und medizinischen Aspekte rechtzeitig zu klären. Eine gute ärztliche Beratung und strukturierte Planung tragen entscheidend zu einer sicheren und positiven Geburtserfahrung bei.

Literatur

  1. Salampessy BH, Calsbeek H, Sixma HJ et al.: Do patients’ preferences prevail in hospital selection? BMC Health Services Research. 2022;22:1549. doi: 10.1186/s12913-022-08403-6.
  2. de Cruppé W, Geraedts M: Hospital choice in Germany from the patient's perspective: a cross-sectional study. BMC Health Services Research. 2017;17:720. doi: 10.1186/s12913-017-2712-3.
  3. Koller D, Köninger A, Hauner H et al.: Choosing a maternity hospital: a matter of travel distance or quality of care? Z Geburtsh Neonatol. 2024. doi: 10.1007/s43999-024-00041-1.
  4. Hoffmann J, Dresbach T, Hagenbeck C, Scholten N: Factors associated with the closure of obstetric units in German hospitals and its effects on accessibility. BMC Health Services Research. 2023;23:342. doi: 10.1186/s12913-023-09204-1.
  5. Stöcker A, Böcker W, Schaub F et al.: Exploring the influence of medical staffing and birth volume on outcomes in German obstetric departments. Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement. 2025. doi: 10.1007/s10198-024-01749-0.