Urethralsyndrom – Medikamentöse Therapie
Therapieziele
- Verbesserung der Beschwerden, insbesondere Verringerung des starken Harndrangs (Urgency) und des häufigen Wasserlassens (Pollakisurie).
- Linderung von Schmerzen im Bereich der Harnröhre und des Beckens.
- Steigerung der Lebensqualität durch Reduktion der Belastung im Alltag.
Therapieempfehlungen
Die Behandlung des Urethralsyndroms erfolgt in mehreren Schritten und wird an die Stärke der Beschwerden angepasst.
- Verhaltenstherapeutische Maßnahmen
- Blasentraining zur Verlängerung der Abstände zwischen den Toilettengängen.
- Vermeidung von Faktoren, die die Beschwerden verstärken können (Koffein, Nikotin, Alkohol).
- Stressabbau und, falls notwendig, psychologische Unterstützung.
- Medikamentöse Therapie
- Spasmolytika (z. B. Butylscopolamin) können die Reizbarkeit der Blase vermindern.
- Trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) helfen bei chronischen Schmerzen und vegetativer Überaktivität.
- Antikonvulsiva (z. B. Pregabalin, Gabapentin) werden nur bei nachgewiesenen nervlich bedingten Schmerzen eingesetzt.
- Schmerzmittel (z. B. Paracetamol, entzündungshemmende Mittel) bei akuten Schmerzphasen.
- Intravesikale Therapien
- Instillation (Einbringen) von schmerzlindernden oder entzündungshemmenden Substanzen (z. B. Lidocain, Hyaluronsäure) kann bei hartnäckigen Beschwerden helfen.
- Botulinumtoxin A wird für das Urethralsyndrom nicht routinemäßig empfohlen, sondern nur in speziellen Fällen in spezialisierten Zentren eingesetzt.
- Lokale Östrogentherapie
- Bei atrophischen Veränderungen der Urethra (Gewebeveränderungen der Harnröhre und Scheide nach den Wechseljahren) und Vaginalschleimhaut (postmenopausal) kann eine niedrig dosierte Östrioltherapie sinnvoll sein – nach initialer Aufbauphase ist bei persistierenden Beschwerden auch eine Dauertherapie in Erhaltungsdosierung möglich, unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle.
- Bei persistierenden (anhaltenden) atrophischen Beschwerden wie Dyspareunie (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr), rezidivierenden Harnwegsinfekten oder Beschwerden der Urethra (Harnröhre) ist eine dauerhafte Anwendung in der niedrigsten wirksamen Dosis zu empfehlen, häufig nach initialer Aufbauphase (tägliche Anwendung für 2-3 Wochen) mit anschließender Erhaltungstherapie (z. B. 1-2 x pro Woche).
- Beachte bei hochdosierten Estradiol-haltige Vaginalcremes: Die europäische Arzneimittel-Agentur empfiehlt nach erneuter Prüfung der Risiken, hochdosierte Estradiol-haltige Vaginalcremes (mit 100 Mikrogramm Estradiol pro Gramm Creme (0,01 %)) nur einmalig und maximal 4 Wochen zu verwenden. Die Arzneimittelagentur verweist dabei auf Nebenwirkungen wie eine Hormonersatztherapie, d. h. Endometriumkarzinome (Gebärmutterschleimhautkrebs), Mammakarzinome (Brustkrebs), venöse Thromboembolien (Entstehen eines Blutgerinnsels (Thrombus) im venösen System) und Schlaganfälle [1].
- Bei atrophischen Veränderungen der Urethra (Gewebeveränderungen der Harnröhre und Scheide nach den Wechseljahren) und Vaginalschleimhaut (postmenopausal) kann eine niedrig dosierte Östrioltherapie sinnvoll sein – nach initialer Aufbauphase ist bei persistierenden Beschwerden auch eine Dauertherapie in Erhaltungsdosierung möglich, unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle.
Wirkstoffe (Hauptindikation)
Spasmolytika
Wirkstoffgruppe | Wirkstoff | Dosierung | Besonderheiten |
---|---|---|---|
Spasmolytika | Butylscopolamin | 3 x 10-20 mg/d | Anticholinerge Nebenwirkungen |
Trizyklische Antidepressiva und Antikonvulsiva
- Amitriptylin – zur Reduktion neuropathischer Schmerzen und zur Verbesserung des Harndranges.
- Gabapentin, Pregabalin – nur bei gesicherter neuropathischer Schmerzkomponente, Nutzen beim Urethralsyndrom begrenzt.
Schmerztherapie des chronischen Beckenschmerzsyndroms (CPPS) (modifiziert nach [Leitlinien: EAU-Leitlinie])
Wirkstoff | Schmerzart | Evidenzlevel* | Empfehlungsgrad* |
Paracetamol | somatischer Schmerz | 1a | A |
Nichtsteroidale Antirheumatika | Beckenschmerzen mit entzündlichem Prozess (z. B. Dysmenorrhoe/Regelschmerzen) | 1a | A |
Antidepressiva (inkl. trizyklische Antidepressiva, Duloxetin, Venlafaxin) | Neuropathischer Schmerz (Nervenschmerzen) | 1a | A |
Antikonvulsiva (Gabapentin**, Pregabalin) | Neuropathischer Schmerz, Fibromyalgie | 1a | A |
Gabapentin | Frauen mit CPPS (s. o) | 2b | B |
Capsaicin (topisch) | Neuropathischer Schmerz | 1a | A |
Opioide | Chronischer, nicht-maligner Schmerz | 1a | A |
*Evidenzlevel und Empfehlungsgrad gemäß „Oxford Centre for Evidence-based Medicine Levels of Evidence“.
**Gabapentin hat in einer randomisierten Studie die chronischen Unterbauchschmerzen von Frauen („chronic pelvic pain syndrome“) im gebärfähigen Alter nicht stärker gelindert als ein Placebo [3].
Literatur
- EMA-Pressemitteilung: PRAC confirms four-week limit for use of high-strength estradiol creams. 17.01.2020.
- Horne AW et al.: Gabapentin for chronic pelvic pain in women (GaPP2): a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2020;369,(10255):909-917 doi:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)31693-7
Leitlinien
- Engeler D, Baranowski AP, Borovicka J et al.: Chronic pelvic pain. European association of urology guidelines. 2015