Zytologie aus dem Liquor (Liquorzytologie)
Die Liquorzytologie ist ein Verfahren zur zellulären Untersuchung des Liquor cerebrospinalis (Nervenwasser), das den Subarachnoidalraum im Gehirn und Rückenmark durchfließt. Sie dient dem Nachweis und der Differenzierung von entzündlichen, infektiösen, neoplastischen oder degenerativen Prozessen des zentralen Nervensystems (ZNS) (Gehirn und Rückenmark).
Synonyme
- Liquorzellbild
- Zytologische Liquordiagnostik
- Liquorzellzahl und Zelldifferenzierung
Das Verfahren
- Benötigtes Material
- Liquor cerebrospinalis (Nervenwasser), meist durch Lumbalpunktion (Rückenmarkspunktion) gewonnen
- Parallel: Serum (Blutflüssigkeit ohne Zellen) zur Liquor-Serum-Vergleichsanalyse (Vergleich der Eiweiße im Nervenwasser und Blut)
- Vorbereitung des Patienten
- Aufklärung über das Risiko der Lumbalpunktion – Kopfschmerzen, Nachblutung, Infektion
- In Einzelfällen vorherige Bildgebung (z. B. Computertomographie oder Magnetresonanztomographie)
- Störfaktoren
- Hämorrhagische Liquorkontamination (Blutbeimengung durch verletzte Gefäße bei der Punktion)
- Verzögerte Verarbeitung – Zellzerfall (Abbau der Zellen) bei längerer Lagerung
- Vorbestehende Therapie (z. B. Antibiotika, Kortisonpräparate)
- Methode
- Zellzählung in Zählkammer (Gesamtzellzahl)
- Zytospin-Zentrifugation (Verfahren zur Herstellung von Zellpräparaten)
- Färbung (z. B. Pappenheim, May-Grünwald-Giemsa) zum Sichtbarmachen der Zellen
- Ggf. ergänzend: Immunzytochemie (Nachweis spezifischer Zellmerkmale), Durchflusszytometrie (Analyse einzelner Zellen mit Laserlicht)
Normbereiche (je nach Labor)
Zelltyp / Alter | Referenzbereich |
---|---|
Gesamtzellzahl (Erwachsene) | 0-4 Zellen/μl |
Gesamtzellzahl (Neugeborene) | bis 30 Zellen/μl |
Granulozytenanteil | < 10 % |
Lymphozyten / Monozyten | > 90 % der Zellen |
Erythrozyten | 0/μl (jede Erythrozytennachweis bedarf Differenzierung zwischen Blutbeimengung und intrathealer Blutung) |
Normbereiche sind methoden- und laborabhängig
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Diagnostik bei Verdacht auf Meningitis (Hirnhautentzündung)
- Abklärung entzündlicher ZNS-Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose)
- Nachweis von malignen Zellen (Krebszellen) bei ZNS-Metastasen oder primären ZNS-Tumoren
- Verlaufskontrolle bei neuroinflammatorischen (entzündlichen Nerven-) oder malignen ZNS-Erkrankungen
- Diagnostik bei idiopathischen Liquorveränderungen (unbekannter Ursache) oder neu auftretenden neurologischen Symptomen
Interpretation
- Erhöhte Zellzahlen
- Neutrophilen-Pleozytose (vermehrte neutrophile Zellen) – z. B. bakterielle Hirnhautentzündung
- Lymphozytäre Pleozytose (vermehrte Lymphozyten) – z. B. virale Meningitis, Borreliose, Tuberkulose, Multiple Sklerose
- Eosinophile oder basophile Zellen (bestimmte Abwehrzellen) – z. B. Parasiten, Allergien, Medikamente
- Maligne Zellen (Krebszellen) – z. B. bei Hirnhautmetastasen oder Tumoren
- Normozytärer Liquor mit pathologischen Zellen
- Einzelne maligne Zellen oder atypische Lymphozyten (Abwehrzellen) – z. B. Lymphom
- Plasmazellen (antikörperbildende Zellen) bei chronischen Entzündungen
- Erythrozyten (rote Blutkörperchen) im Liquor
- gleichmäßig in allen Röhrchen – Hinweis auf Einblutung (z. B. Subarachnoidalblutung)
- abnehmend über Röhrchen 1-3 – Hinweis auf traumatische Punktion (Verletzung bei Entnahme)
Weiterführende Diagnostik
- Liquorproteindiagnostik (Bestimmung der Eiweiße im Nervenwasser) – z. B. Gesamtprotein, Albuminquotient, IgG-Index, oligoklonale Banden
- Erregernachweis (z. B. Viren, Bakterien) – PCR, Kultur, Antigennachweise
- Bildgebung (Darstellung von Gehirn und Rückenmark) – Magnetresonanztomographie (MRT)
- Spezifische Serologien (Bluttests auf bestimmte Erreger) – z. B. Borrelien, Lues, HIV, CMV, EBV, HSV
- Immunzytochemie und Molekulardiagnostik (genetische Untersuchungen) – z. B. bei Tumorverdacht