Lipoprotein (a)
Lipoprotein(a) (Lp(a)) ist ein Lipid-Proteinkomplex, der strukturell mit dem Low Density Lipoprotein (LDL) verwandt ist und zu einem großen Teil Bestandteil des LDL-Cholesterins ist. Zusätzlich weist es eine ausgeprägte Ähnlichkeit mit der Struktur des Plasminogens auf.
Lp(a) wird in der Leber synthetisiert und enthält die Apolipoproteine Apo(a) und ApoB-100, die über eine Disulfidbrücke kovalent miteinander verbunden sind. Die Produktionsmenge wird durch das Apo(a)-Gen bestimmt und bleibt im Lebensverlauf weitgehend konstant. Bei Männern steigt der Lp(a)-Spiegel mit zunehmendem Alter nur unwesentlich an, sodass eine einmalige Bestimmung in der Regel ausreicht. Bei Frauen hingegen sollte die Untersuchung sowohl vor als auch nach der Menopause erfolgen, da die Lp(a)-Konzentrationen in dieser Phase deutlich zunehmen können.
Pathophysiologisch wirkt Lp(a) als Gegenspieler des Plasminogens – der inaktiven Vorstufe des Fibrin-abbauenden Enzyms Plasmin. Es verdrängt Plasminogen von seinen Bindungsstellen an Endothelzellen und Fibrin, hemmt dadurch die Fibrinolyse (Auflösung eines Blutgerinnsels durch das Enzym Plasmin) und fördert gleichzeitig die Ablagerung cholesterinreicher Partikel in der Gefäßwand. Somit trägt Lp(a) sowohl zur Atherogenese (Arterienverkalkung) als auch zur Thrombogenese (Prozess der Bildung eines Thrombus (Blutgerinnsels) im Blutgefäßsystem) bei.
Beachte: Nach aktuellen Studien scheint die genetisch bedingte lebenslange Exposition gegenüber hohen Lp(a)-Konzentrationen das Risiko für venöse thromboembolische Ereignisse nicht zu erhöhen [4].
Lp(a) gilt als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer Atherosklerose sowie der koronaren Herzkrankheit (KHK; Herzkrankzgefäßerkrankung) und kann in der Folge zu Myokardinfarkt (Herzinfarkt) oder Apoplex (Schlaganfall) führen.
- Die ESC/EAS-Leitlinie empfiehlt die Lp(a)-Bestimmung mindestens einmal im Leben.
- Grundsätzlich ist Lp(a) genetisch determiniert und lebenslang weitgehend stabil.
- Bei Frauen nach der Menopause zeigen mehrere Studien, dass die Lp(a)-Konzentrationen deutlich ansteigen können – teils um bis zu 20–30 %. Ursache ist wahrscheinlich der Rückgang der Östrogenwirkung, da Östrogene einen Lp(a)-senkenden Effekt haben.
- Klinisch kann es deshalb sinnvoll sein, die Lp(a)-Bestimmung nach Eintritt in die Menopause (Wechseljahre der Frau) zu wiederholen, insbesondere wenn zusätzliche Risikofaktoren für Atherosklerose bestehen oder eine erste Messung im Graubereich lag.
Das Verfahren
Die Konzentration des Lipoprotein (a) kann mittels einer labordiagnostischen Untersuchung aus Ihrem Blutserum ermittelt werden.
Benötigtes Material
- Blutserum
- oder Plasma
Normalwerte für Lipoprotein (a)
Tabelle mit den Lp(a)-Cut-offs in nmol/L als Referenz, mit Umrechnungsangaben in mg/dL (nur als grobe Orientierung) und einer klinischen Bewertung:
Bereich | nmol/L | mg/dL (nur grobe Orientierung) | Bewertung |
---|---|---|---|
Niedrig | < 75 | < ~30 | kein erhöhtes Risiko |
Graubereich | 75–125 | ~30-50 | unklare Risikorelevanz, individuelle Abklärung sinnvoll |
Erhöht | ≥ 125 | ≥ ~50 | klinisch relevant, mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko assoziiert |
Sehr hoch | ≥ 430 | ≥ ~180 | sehr hohes Risiko, Hochrisikokonstellation mit deutlicher Steigerung des kardiovaskulären Risikos |
Hinweis: Die Bestimmung von Lipoprotein(a) sollte vorzugsweise in nmol/L erfolgen, da die Protein-Isoformgrößen stark variieren. Dadurch ist die Umrechnung in mg/dL ungenau und nur als Näherung geeignet. Leitlinien (ESC/EAS 2019, EAS Consensus 2022) empfehlen deshalb, ausschließlich nmol/L für die klinische Beurteilung zu verwenden.
Indikationen
Die Lipoprotein (a)-Bestimmung wird empfohlen bei folgenden Gesundheitsrisiken beziehungsweise Erkrankungen:
- Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörung) – besonders bei ungünstigem LDL/HDL-Verhältnis
- Atherosklerose bzw. Folgekrankheit(en) in der Familienanamnese
- Verdacht auf koronare Herzerkrankung (Erkrankung der Herzkranzgefäße) ohne erkennbares Risiko
- Vorsorgeuntersuchung zur Ermittlung des individuellen, genetisch bedingten Risikos, das heißt Früherkennung eines Atherosklerose-Risikos
Interpretation
Interpretation erhöhter Werte
- Akut-Phase-Zustände (z. B. Infektionen, Myokardinfarkt/Herzinfarkt)
- Nephrotischem Syndrom – klinischer Symptomenkomplex einhergehend mit Proteinurie (Eiweißausscheidung im Harn):
- Hypo- und Dysproteinämie (Abweichungen im Verhältnis der Eiweißkörper des Blutplasmas)
- Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörung)
- Hypocalcämie (Calciummangel)
- Beschleunigte BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit)
- Ödembildung (Wassereinlagerungen)
- Niereninsuffizienz (Nierenschwäche; Erhöhung der Konzentration von harnpflichtigen Substanzen (Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure) im Blut)
- Urämikern unter Dialyse – Patienten mit "Harnvergiftung", das heißt einem Anstieg der harnpflichtigen Substanzen im Blutserum unter der Behandlung mittels Blutwäsche
- Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus
- Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
Interpretation erniedrigter Werte
- Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
- Therapie mit Östrogenen, Niacin und Neomycin
Alles klar – wenn sich die weiterführende Diagnostik ausschließlich auf Laboruntersuchungen beziehen soll, kann man das wie folgt strukturieren:
Weiterführende Labordiagnostik bei erhöhtem Lipoprotein(a)
- Erweiterte Lipid- und Atherosklerosediagnostik
- Gesamtcholesterin
- LDL-Cholesterin
- HDL-Cholesterin
- Triglyceride
- Apolipoprotein B
- Lipoprotein-Elektrophorese oder NMR-Spektroskopie (falls verfügbar)
- Atherosklerose-assoziierte Risikomarker
- Homocystein
- Lipoprotein-assoziierte Phospholipase A2 (Lp-PLA2) – nur bei spezifischer Fragestellung
- Entzündungsparameter
- hsCRP (hoch-sensitives C-reaktives Protein)
- Diabetes-Screening
- HbA1c
- Nüchternglucose
- ggf. oraler Glukosetoleranztest (oGTT)
- Nierenparameter
- Kreatinin
- Cystatin C
- eGFR (abgeleitet)
- Leberparameter (wichtig vor Beginn lipidsenkender Therapie)
- Alanin-Aminotransferase (ALT, GPT)
- Aspartat-Aminotransferase (AST, GOT)
- Gamma-Glutamyl-Transferase (Gamma-GT, GGT)
- Bilirubin
Weitere Hinweise
- Liegt das Lipoprotein (a) über 30 mg/dl steigt Ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf das 2,5-fache an.
Finden sich gleichzeitig erhöhte LDL-Cholesterin-Werte über 3.9 mmol/L (150 mg/dl), wird das Risiko einer Erkrankung des Herzkreislaufsystems auf das 6-fache erhöht. - Südeuropäer sind von einer genetischen Belastung des LPA-Gens häufiger betroffen als Nordeuropäer (Lp(a)-Spiegel: Median 10,9 mg/dl; 4,9 mg/dl) [2].
- Genetisch vorhergesagte Lp(a)-Konzentrationen auf Grundlage einer multivariablen Mendelschen Randomisierung waren mit einem erhöhten Prostatakarzinomrisiko verbunden [3]. Fazit: Erhöhtes Lp(a) könnte eine potentiell wichtige Rolle bei der Erhöhung des Prostatakarzinomrisikos spielen.
- Lipoprotein (a) ist ein unabhängiger Prädiktor für die Schwere der Koronaren Herzkrankheit (KHK) für Personen mit Typ-2-Diabetes [1].
- Bei einem deutlich erhöhten Lp(a)-Spiegel (> 60 mg/dl) trotz optimaler Einstellung aller anderen Risikofaktoren über ein Jahr und dem Nachweis einer progredienten Arterioskleroseerkrankung ist eine Apheresetherapie erforderlich.
Literatur
- Chen J et al.: Role of lipoprotein(a) in predicting the severity of new on-set coronary artery disease in type 2 diabetics: A Gensini score evaluation. Diab Vasc Dis Res. 2015 Apr 10. pii: 1479164115579004.
- Waldeyer C, Makarova N, Zeller T: Lipoprotein(a) and the risk of cardiovascular disease in the European population: results from the BiomarCaRE consortium. European Heart Journal (2017) 00, 1-9. doi:10.1093/eurheartj/ehx166
- Ioannidou A et al.: The relationship between lipoprotein A and other lipids with prostate cancer risk: A multivariable Mendelian randomisation study PLoS Med January 27, 2022 https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1003859
- Kronenberg F, Mora S, Stroes ESG et al.: Lipoprotein(a) in atherosclerotic cardiovascular disease and aortic stenosis: a European Atherosclerosis Society consensus statement. Eur Heart J. 2022 Oct 14;43(39):3925-46.
Leitlinien
- Mach F, Baigent C, Catapano AL, Koskinas K, Casula M, Badimon L et al.: 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. Eur Heart J. 2020;41(1):111-188. doi: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz455
- Kronenberg F, Mora S, Stroes ESG, Ference BA, Arsenault BJ, Berglund L, Dweck MR et al.: Lipoprotein(a) in atherosclerotic cardiovascular disease and aortic stenosis: a European Atherosclerosis Society consensus statement. Eur Heart J. 2022;43(39):3925-3946. doi: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac361