Labordiagnostik für sexuell übertragbare Erkrankungen

Bis zur Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) (Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen) im Jahr 2001 galten gemäß dem damaligen „Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten“ (Bundesgesetz von 1927) lediglich vier Erkrankungen offiziell als meldepflichtige Geschlechtskrankheiten: Syphilis (Lues) (harte Schanker), Gonorrhoe (Tripper) (eitrige Harnröhrenentzündung), Ulcus molle (weicher Schanker) (schmerzhaftes Genitalgeschwür) und Lymphogranuloma venereum (venerische Lymphadenitis) (entzündete Lymphknoten im Genitalbereich). Mit Inkrafttreten des IfSG wurde diese Kategorisierung aufgegeben. Seitdem spricht man allgemein von sexuell übertragbaren Erkrankungen (englisch: sexually transmitted diseases, STDs bzw. sexually transmitted infections, STIs) (durch Geschlechtsverkehr übertragbare Infektionen).

Sexuell übertragbare Erkrankungen umfassen eine heterogene Gruppe infektiöser Erkrankungen, die überwiegend durch sexuellen Kontakt übertragen werden. Ursächlich sind über 30 verschiedene pathogene Erreger, darunter Bakterien, Viren, Protozoen (Einzeller) und in seltenen Fällen Pilze (Sporenbildner). Die Übertragung erfolgt meist über ungeschützten vaginalen, analen oder oralen Geschlechtsverkehr. Einige Erreger können auch durch Schmierinfektion (Kontakt mit infektiösen Körpersekreten), Blutkontakt oder perinatal (während der Schwangerschaft oder Geburt) übertragen werden.

Bakterielle STDs (Auswahl)

  • Chlamydia trachomatis – häufigste bakterielle STD, klinisch u. a. als Zervizitis (Gebärmutterhalsentzündung), Urethritis (Harnröhrenentzündung) oder Salpingitis (Eileiterentzündung).
  • Neisseria gonorrhoeae (Gonorrhoe, Tripper) – eitrige Urogenitalinfektion (Entzündung der Harn- und Geschlechtsorgane) mit potenzieller Systembeteiligung.
  • Treponema pallidum (Syphilis, Lues) – chronisch verlaufende Systemerkrankung (den ganzen Körper betreffende Infektion), diagnostisch u. a. mittels Lues-Suchreaktionen (z. B. TPHA, VDRL).
  • Haemophilus ducreyi (Ulcus molle) – schmerzhaftes Genitalulkus (Geschwür im Genitalbereich) mit Lymphadenopathie (Lymphknotenschwellung).
  • Chlamydia trachomatis Serotypen L1–L3 (Lymphogranuloma venereum) – systemische Verlaufsform mit inguinalen Lymphknotenmanifestationen (geschwollene Leistendrüsen).

Virale STDs (Auswahl)

  • Humanes Papillomavirus (HPV) – verursacht Genitalwarzen (Feigwarzen), zervikale Dysplasien (Gewebeveränderungen am Gebärmutterhals) und ist assoziiert mit Malignomen (bösartigen Tumoren), z. B. Zervixkarzinom (Gebärmutterhalskrebs).
  • Herpes-simplex-Virus Typ 2 (Herpes genitalis) – rezidivierende Ulzera (wiederkehrende schmerzhafte Bläschen oder Geschwüre) und asymptomatische Virusausscheidung (Virusübertragung ohne Beschwerden).
  • Hepatitis-B-Virus (HBV) – sexuell übertragbare Hepatitisform (Leberentzündung) mit chronischem Verlauf und Tumorrisiko (Risiko für Leberkrebs).
  • Humanes Immundefizienz-Virus (HIV) – systemische Immunschwäche (Abwehrschwäche) mit opportunistischen Infektionen (Infektionen durch sonst harmlose Erreger) und Tumoranfälligkeit.

Epidemiologische Relevanz

Sexuell übertragbare Erkrankungen stellen ein erhebliches globales Gesundheitsproblem dar. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) (internationale Gesundheitsbehörde) geht von jährlich über 370 Millionen Neuinfektionen mit behandelbaren STDs (Chlamydien, Gonorrhoe, Syphilis, Trichomoniasis) aus. Insgesamt sind schätzungsweise 300-400 Millionen Menschen weltweit betroffen, vor allem im Alter zwischen 15 und 45 Jahren. Rund 90 % der Betroffenen leben in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, wo der Zugang zu Diagnostik und Therapie häufig eingeschränkt ist.

Klinisches Spektrum

Die klinischen Manifestationen (typischen Krankheitszeichen) sexuell übertragbarer Erkrankungen sind vielfältig und oft nicht auf den Genitaltrakt beschränkt. Mögliche Lokalisationen sind Urogenitaltrakt (Harn- und Geschlechtsorgane), Rektum (Enddarm), Pharynx (Rachen), Haut, ZNS (zentrales Nervensystem) oder systemische Organe (andere Körperorgane). Viele Infektionen verlaufen asymptomatisch (ohne erkennbare Beschwerden) oder mit unspezifischer Symptomatik (unklaren Krankheitszeichen), was das Risiko der unbemerkten Weitergabe erhöht.

Risikofaktoren und Prävention

Das individuelle Infektionsrisiko ist maßgeblich abhängig von sexuellem Risikoverhalten, insbesondere:

  • ungeschütztem Geschlechtsverkehr (ohne Kondom oder andere Barriereverhütungsmittel),
  • häufig wechselnden Sexualpartnern,
  • parallelen sexuellen Beziehungen und sexueller Aktivität unter Einfluss von Drogen (z. B. Alkohol, Ecstasy, Kokain).

Die konsequente Verwendung von Kondomen reduziert das Übertragungsrisiko signifikant, bietet jedoch keinen vollständigen Schutz, insbesondere bei durch Hautkontakt übertragbaren Infektionen wie HPV oder Herpes-simplex-Virus.

Präventionsmaßnahmen wie die HPV- und Hepatitis-B-Impfung, frühzeitige Diagnostik, regelmäßiges Screening (vorsorgliche Labortests) und Aufklärung über sexuelle Gesundheit sind entscheidend zur Reduktion der Infektionsrate und zur Vermeidung langfristiger Komplikationen (z. B. Unfruchtbarkeit, Tumoren, chronische Organerkrankungen).

Übersichtstabelle: Sexuell übertragbare Erkrankungen (STDs)

Erreger / Erkrankung Inkubationszeit Leitsymptome Diagnostik Therapieoptionen
Chlamydia trachomatis (Chlamydien-Infektion) 7-21 Tage Cervicitis, Urethritis, Ausfluss, Dysurie, postkoitale Blutung, asymptomatische Verläufe NAT (PCR) aus Vaginal-, Zervix-, Urethralabstrich oder Erststrahlurin Doxycyclin 100 mg 2×/d für 7 Tage (alternativ: Azithromycin 1 g Einmaldosis)
Neisseria gonorrhoeae (Gonorrhoe) 2-7 Tage Urethritis, eitriger Ausfluss, Zervizitis, Rektitis, Pharyngitis Grampräparat, Kultur, NAT (PCR) Ceftriaxon 1 g i.m. oder i.v. Einmaldosis + Doxycyclin 100 mg 2×/d für 7 Tage
Treponema pallidum (Syphilis) Ø 3 Wochen (9-90 Tage) Primär: schmerzloses Ulkus (Ulcus durum); Sekundär: Exanthem, Lymphadenopathie; Tertiär: Organschäden TPHA, VDRL, FTA-Abs, ggf. PCR aus Ulkusmaterial Benzathin-Penicillin G 2,4 Mio. i.m. Einmaldosis (Frühform); bei Spätform 3 Gaben im Wochenabstand
Haemophilus ducreyi (Ulcus molle) 3-7 Tage Schmerzhafte Ulzera mit weichem Rand, schmerzhafte Lymphadenitis inguinal PCR, Kultur (schwierig), klinische Diagnostik Azithromycin 1 g oral einmalig oder Ceftriaxon 250 mg i.m. einmalig
Chlamydia trachomatis Serovar L1–L3 (Lymphogranuloma venereum) 3-30 Tage Schmerzlose Primärläsion, schmerzhafte Lymphadenopathie (bubo), systemische Symptome PCR aus Lymphknoten oder Abstrichmaterial, Serologie Doxycyclin 100 mg 2×/d für 21 Tage
Humanes Papillomavirus (HPV) Wochen bis Monate Condylomata acuminata (Feigwarzen), zervikale Dysplasie, Karzinom HPV-DNA-Test, Zytologie (PAP), Kolposkopie Lokale Therapie: Podophyllotoxin, Imiquimod, Kryotherapie; Impfprävention (Gardasil®9)
Herpes-simplex-Virus Typ 2 (Herpes genitalis) 2-12 Tage Schmerzhaftes Bläschenstadium, Ulzera, Rezidive, asymptomatische Ausscheidung PCR aus Bläscheninhalt oder Ulkus, Serologie Aciclovir 400 mg 3×/d für 7–10 Tage (Rezidivprophylaxe bei häufigen Schüben)
Hepatitis-B-Virus (HBV) 1-6 Monate Ikterus, Abgeschlagenheit, Übelkeit, ggf. chronischer Verlauf HBsAg, Anti-HBc, Anti-HBs, HBV-DNA Akut: symptomatisch; chronisch: antivirale Therapie (z. B. Tenofovir, Entecavir)
Humanes Immundefizienz-Virus (HIV) 2-6 Wochen (Serokonversion) Primär: grippeähnlich; chronisch: asymptomatisch, Spätstadium: Immundefizienz (AIDS) HIV-Kombinationstest (p24 + Antikörper), Bestätigungstest, HIV-RNA Antiretrovirale Therapie (ART) – Kombinationstherapie lebenslang; frühe Einleitung empfohlen

Hinweise:

  • NAT = Nucleic Acid Amplification Test, i. d. R. PCR
  • Partnerbehandlung (partner notification) und sexuelle Enthaltsamkeit während der Therapie sind bei bakteriellen STDs essenziell.
  • Screening-Empfehlungen bestehen für Chlamydien (bei < 25-Jährigen), HIV (Risikopopulationen), Syphilis (MSM, HIV-Positive) sowie HPV (Cervixabstrich ab 20 J.)