Handgelenksfraktur – Einleitung
Bei der Handgelenksfraktur (Bruch im Bereich des Handgelenks) handelt es sich um eine Fraktur im Bereich des Handgelenks, meist unter Beteiligung der distalen Speiche (Radius; Speichenknochen) und/oder der distalen Elle (Ulna; Ellenknochen) sowie angrenzender Karpalknochen (Handwurzelknochen).
Thesaurussynonyma und ICD-10: Distale Radiusfraktur (Bruch der körperfernen Speiche); distale Ulnafraktur (Bruch der körperfernen Elle); Radiusfraktur im Handgelenksbereich; Fractura radii distalis; Fractura ulnae distalis; Colles-Fraktur; Smith-Fraktur; Barton-Fraktur; Chauffeur-Fraktur; Handgelenksbruch; Fraktur der distalen Radiusepiphyse (Bruch der unteren Wachstumszone der Speiche); Fraktur der distalen Ulnaepiphyse (Bruch der unteren Wachstumszone der Elle); intraartikuläre Radiusfraktur (Gelenkbruch der Speiche); extraartikuläre Radiusfraktur (Bruch außerhalb des Gelenks); offene Handgelenksfraktur (Bruch mit Hautverletzung); multiple Frakturen des Handgelenks (mehrere Brüche); ICD-10-GM S52.5-: Fraktur des distalen Radius; ICD-10-GM S52.6-: Fraktur des distalen Radius und der Ulna; ICD-10-GM S62.-: Fraktur auf Höhe des Handgelenks und der Hand
Anatomie
Am Handgelenk (Articulatio radiocarpalis; Handgelenk) lassen sich folgende knöcherne Strukturen unterscheiden:
- Distaler Radius (unteres Ende der Speiche)
- Distale Ulna mit Processus styloideus ulnae (Griffelfortsatz der Elle)
- Karpalknochen der proximalen Reihe: Os scaphoideum (Kahnbein), Os lunatum (Mondbein), Os triquetrum (Dreiecksbein), Os pisiforme (Erbsenbein)
- Gelenkflächen zwischen Radius und proximaler Karpalreihe zur Bildung des Handgelenks
Formen der Handgelenksfraktur
Die Handgelenksfraktur kann je nach Frakturmechanismus, Lokalisation und Fragmentstellung in verschiedene Formen unterteilt werden:
Distale Radiusfraktur
- Häufigste Form der Handgelenksfraktur (ca. 75-85 % aller Handgelenksfrakturen).
- Meistens Folge eines Sturzes auf die ausgestreckte Hand.
Colles-Fraktur
- Extensionstyp der distalen Radiusfraktur mit dorsaler Dislokation (Verschiebung nach hinten).
- Häufigste Unterform der distalen Radiusfraktur (ca. 60-70 % der distalen Radiusfrakturen).
- Typisch bei älteren Patienten.
Smith-Fraktur
- Flexionstyp der distalen Radiusfraktur mit volarer Dislokation (Verschiebung zur Handfläche).
- Deutlich seltener als die Colles-Fraktur (ca. 5-10 % der distalen Radiusfrakturen).
Barton-Fraktur
- Intraartikuläre Fraktur des distalen Radius mit Subluxation des Handgelenks (Teilverrenkung).
- Relativ seltene Form (ca. 1-2 % der distalen Radiusfrakturen).
- Meistens instabil, häufig operative Therapie erforderlich.
Chauffeur-Fraktur
- Fraktur des Processus styloideus radii (Griffelfortsatz der Speiche).
- Seltene Sonderform (unter 1-2 % der distalen Radiusfrakturen).
- Entsteht durch direkte axiale Gewalteinwirkung.
Distale Ulnafraktur
- Tritt häufig in Kombination mit einer distalen Radiusfraktur auf (ca. 20-40 % der Fälle).
- Isolierte distale Ulnafrakturen sind selten.
- Betrifft oft den Processus styloideus ulnae.
Epidemiologie
Die Handgelenksfraktur zählt zu den häufigsten Frakturen des Menschen. Besonders betroffen sind ältere Personen sowie Kinder und Jugendliche bei Sportunfällen.
Geschlechterverhältnis: Frauen sind häufiger betroffen als Männer, insbesondere postmenopausal (nach den Wechseljahren).
Häufigkeitsgipfel: Einerseits bei Kindern und Jugendlichen, andererseits bei älteren Menschen über 60 Jahre.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) beträgt etwa 200-300 Frakturen pro 100.000 Einwohner pro Jahr, mit deutlich steigender Rate im höheren Lebensalter.
Verlauf und Prognose
Verlauf
Bei stabilen, nicht-dislozierten Handgelenksfrakturen ist unter konservativer Therapie (nicht-operative Behandlung) in der Regel ein komplikationsarmer Verlauf zu erwarten. Dislozierte oder intraartikuläre Frakturen erfordern häufig eine operative Stabilisierung.
Eine frühfunktionelle Nachbehandlung ist entscheidend, um Bewegungseinschränkungen und Kraftverlust zu vermeiden.
Prognose
Die Prognose hängt wesentlich von der Frakturform, der Gelenkbeteiligung, der Qualität der Reposition (Wiedereinrichtung der Knochen) sowie vom Alter des Patienten ab. In der Regel ist nach sechs bis acht Wochen eine funktionelle Belastung der Hand wieder möglich.
- Extraartikuläre distale Radiusfraktur: Gute Prognose bei anatomischer Stellung.
- Intraartikuläre Handgelenksfraktur: Erhöhtes Risiko für Bewegungseinschränkungen und posttraumatische Arthrose (Gelenkverschleiß nach Verletzung).
- Kombinierte Radius-Ulna-Fraktur: Abhängig von Stabilität und korrekter Achsenwiederherstellung.
Komplikationen
- Fehlstellung: Kann zu dauerhafter Funktionseinschränkung führen.
- Posttraumatische Arthrose: Insbesondere bei intraartikulären Frakturen.
- Nervenläsionen: Zum Beispiel des Nervus medianus (mittlerer Armnerv).
- Pseudarthrose: Selten, meist bei unzureichender Stabilisierung.
Langzeitmanagement
Das Langzeitmanagement umfasst eine konsequente physiotherapeutische Nachbehandlung zur Wiederherstellung von Beweglichkeit, Kraft und Koordination. Bei verbleibenden Beschwerden kann eine weiterführende handchirurgische Abklärung erforderlich sein.
Literatur
- Mulders MAM, Walenkamp MMJ, van Dieren S, Goslings JC, Schep NWL. Functional outcomes of distal radius fractures: a systematic review and meta-analysis. Journal of Hand Surgery (American Volume). 2023. doi: https://doi.org/10.1016/j.jhsa.2023.01.012
Leitlinien
- S2e-Leitlinie: Distale Radiusfraktur beim Erwachsenen (AWMF-Registernummer: 012-015), Februar 2021 Langfassung