Thrombose – Medikamentöse Therapie
Therapieziele
- Verhinderung einer Lungenembolie (Gefäßverschluss von Lungenarterien) und eines postthrombotischen Syndroms (chronische Venenstauung, die die untere Extremität als Folge einer tiefen Beinvenenthrombose betrifft)
Therapieempfehlungen
- Akuttherapie gemäß Leitlinien: primär mindestens 5 d mit niedermolekularen Heparine (NMH) oder Fondaparinux (Heparin-Analogon) empfohlen, ergänzt um eine möglichst frühe Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA, Cumarine), ab dem 2. Behandlungstag [2].
- Heparin kann abgesetzt werden, wenn INR 2 Tage lang bei 2-3 liegt.
- Thromboseprophylaxe: In der EPCAT-Studie wurde festgestellt, dass in der poststationären Thromboseprophylaxe Acetylsalicylsäure (ASS) Dalteparin nicht unterlegen ist (Thromboseprophylaxe nach orthopädischen Eingriffen; Zeitraum innerhalb drei Monate nach Operation) [1]
Einnahme von ASS gegen 22.00 Uhr führt zu einer ausgeprägteren Thrombozytenhemmung in den kardiovaskulär kritischen Morgenstunden. - Beachte: Bei einer Oberflächenthrombose muss eine Antikoagulation mindestens über 4-6 Wochen durchgeführt werden.
- Thrombolyse nur bei:
- tiefer Bein- bzw. Beckenvenenthrombose und Gefahr des drohenden Gangräns.
- akutem arteriellen Verschluss (thromboembolisch) und drohendem Extremitätenverlust.
- tiefer Bein- bzw. Beckenvenenthrombose und Gefahr des drohenden Gangräns.
- Sekundärprophylaxe: Cumarine (Vitamin K-Antagonisten, VKA); direkte orale Antikoagulantien, kurz DOAK
- Therapie unter Berücksichtigung von Nebenindikationen:
- Gefäßrekanalisierende Maßnahmen: unfraktioniertes Heparin (UFH)
- HIT II (Heparin-induzierte Thrombozytopenie): Argatroban, Dabigatran, Danaparoid, Lepirudin
- "Thromboseprophylaxe bei Kniearthroskopie und Gips" (s. u.)
- "Thromboseprophylaxe bei Tumorpatienten" (s. u.)
- Siehe auch unter "Weitere Therapie" wg. Kompressionstherapie, Mobilisierung und Stuhlregulierung.
Risiko einer venösen Thromboembolie (VTE) postoperativ [11]
- 47,1 % dieser Komplikationen traten in der ersten Woche
- 26,9 in der zweiten Woche
- 15,8 % in der dritten Woche
- 10,1 % in der vierten Woche
Ergebnisse beruhen auf 22 Studien, die das Auftreten von VTE nach allgemeinchirurgischen (11 Studien), urologischen (5), gemischten (4) und orthopädischen (2) Operationen erfassten.
Fazit: Prophylaxe über 28 Tage, besser 35 Tage.
Akute Therapie
Wirkstoffe (Hauptindikation)
Niedermolekulare Heparine (NMH; engl. low molecular weight heparin, LMWH)
Wirkstoffe | Präparat | Prophylaxe | Therapie | |
Dosierung |
Anfangsdosis | Erhaltungsdosis | ||
Certoparin | Mono-Embolex® | 3.000 I.E./d s.c. | 8.000 IE 2‑mal/Tag s. c. | 8.000 IE 2‑mal/Tag s. c. |
Dalteparin* | Fragmin® |
2.500-5.000 I.E./d s.c. |
100 IE/kg KG 2‑mal/Tag s. c. bzw. 200 IE/kg KG 1‑mal/Tag s. c. |
100 IE/kg KG 2‑mal/Tag s. c. bzw. 200 IE/kg KG 1‑mal/Tag s. c. |
Enoxaparin | Clexane® |
20-40 mg/kg KG/d s.c. Bei terminaler Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance < 15 ml/min) wird die Anwendung nur zur Prävention einer Thrombusbildung während der Hämodialyse empfohlen. |
|
1,0 mg/kg KG 2‑mal/Tag s. c. |
Nadroparin | Fraxiparine® | 2.850 I.E./d s.c. oder 0,2-0,6 ml/d s.c. (hohes Risiko) |
0,1 ml/10 kg KG 2‑mal/Tag s. c. | 0,1 ml/10 kg KG 2‑mal/Tag s. c. |
Fraxodi® | 0,1 ml/10 kg KG 1‑mal/Tag s. c. | 0,1 ml/10 kg KG 1‑mal/Tag s. c. | ||
Reviparin | Clivarin® | 0,25 ml/d s.c. | 0,6 ml bei KG 45-60 kg 2‑mal/Tag s. c. | 0,6 ml bei KG 45-60 kg 2‑mal/Tag s. c. |
Clivarodi® | 0,6 ml bei KG >60 kg 1‑mal/Tag s. c. | 0,6 ml bei KG > 60 kg 1‑mal/Tag s. | ||
Tinzaparin | Innohep® | 3.500 I.E./d | 175 IE/kg KG 1‑mal/Tag s. c. | 175 IE/kg KG 1‑mal/Tag s. c. |
*In der EPCAT-Studie wurde festgestellt, dass in der poststationären Thromboseprophylaxe ASS Dateparin nicht unterlegen ist (Thromboseprophylaxe nach orthopädischen Eingriffen; Zeitraum innerhalb drei Monate nach Operation) [1]
- Wirkweise: Hemmung von Faktor Xa
- Mittel der ersten Wahl in der Akuttherapie
- Dosierungshinweise: Die Dosierung der Thrombose-Prophylaxe erfolgt nach der Einteilung in geringes, mittleres und hohes thromboembolisches Risiko; Dauer der Antikoagulatientherapie beträgt 3 Monate für Thrombosen und Lungenembolien, die durch vorübergehende Risikosituationen ausgelöst worden sind; Weiteres s. u. "Dauer der Therapie".
- Vor Therapiebeginn sollte die Nierenfunktion (GFR) geprüft werden!
- Bei Niereninsuffizienz und Schwangerschaft Überprüfung der Therapie durch Bestimmung der Anti-Faktor Xa-Aktivität
- Bei Niereninsuffizienz:
- ggf. Dosisanpassung bzw.
- bei schwerer Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance: < 20 ml/min): Gabe von unfraktioniertem Heparin
- Kontraindikationen: bei schwerer Nieren-/ Leberinsuffizienz
- Nebenwirkungen: HIT, Blutungen, Allergie, Transaminasen ↑ (ALT, AST), Osteoporose, Alopecia
- Eine Heparinisierung reduziert das Lungenembolierisiko um ca. 60 %.
Hinweis zur frühen Mobilisation nach NMH (niedermolekulares Heparin)
- Eine frühe Mobilisierung von Patienten mit einer tiefen Beinvenenthrombose (TBVT) erhöht das Risiko von Lungenembolien im Vergleich zur Bettruhe nicht!
- Eine ambulant eingeleitete Therapie mit NHM reduziert im Vergleich zur stationären Therapie die Häufigkeit von Thromboserezidiven und Lungenembolien.
Heparin-Analoga (Pentasaccharide)
Wirkstoffe |
Besonderheiten |
Fondaparinux | KI bei schwerer Niereninsuffizienz Erste Wahl neben NMH |
- Wirkweise: Hemmung von Faktor Xa
- Indikationen: Einsatz als Prophylaxe bei großen orthopädischen Operationen
- Nebenwirkungen: Blutungen
HIT (Heparin-induzierte Thrombozytopenie)
- Häufigste Form der medikamentös induzierten Thrombozytopenie
HIT Typ II |
|
Betroffener Personenkreis | Auch nicht sensibilisierte Patienten |
Häufigkeit | 0,5-3 % (UFH:NMH* = 9:1) |
Mechanismus | Antikörper-induzierte Thrombozytenaktivierung (dosisunabhängig) |
Beginn |
5.-20. Tag nach Beginn der Heparintherapie Bei Reexposition wenige Stunden |
Thrombozyten |
Meist 40-60.000/µl (Abfall > 50 % des Ausgangswertes) |
Komplikationen |
Thromboembolien |
Diagnostik | HIT-Antikörper (dadurch massive Thrombinbildung!) |
Therapie | Heparin bei Verdacht sofort absetzen (dann Normalisierung der Werte) Antikoagulation mit Lepirudin, Danaparoid-Natrium oder Argatroban Patienten dürfen auch in der Zukunft kein Heparin erhalten! |
*UFH: unfraktioniertes Heparin
NMH: niedermolekulares Heparin
Sekundärprophylaxe
Therapieziel
- Sekundärprophylaxe
Therapieempfehlungen
Antikoagulation mit:
- Vitamin K-Antagonisten (Phenprocoumon) bzw.
- Neue orale Antikoagulantien (NOAK/NOAC; direkte orale Antikoagulantien, DOAK): Apixaban, Rivaroxaban
- Siehe auch unter "Weitere Hinweise" (unten) zur Thromboembolie-Prophylaxe mit Acetylsalicylsäure (nicht so wirksam wie die Antikoagulation, aber immer noch deutlich besser als keine Prophylaxe [3])
Dauer der oralen Antikoagulation
Klinische Konstellation |
Dauer |
|
Erste Thromboembolie | ||
Reversible Risikofaktoren | 3 Monate | |
Idiopathisch oder Thrombophilie | 6-12 Monate | |
Kombinierte Thrombophilie (z. B. Faktor V-Mutation + Prothrombin-Mutation) oder Antiphospholidantikörper-Syndrom | 12 Monate | |
chronische Erkrankungen, die zu einer Thrombophilie führen | unbestimmte Zeit | |
Rezidivierende Thromboembolien |
Dauertherapie | |
Aktives Malignom |
Dauertherapie | |
Persistierender Risikofaktor | Dauertherapie |
Kriterien "Pro/Contra" für eine verlängerte Erhaltungstherapie mit Antikoagulantien
Kriterium | Pro | Contra |
Rezidiv (Wiederauftreten einer Thrombose) | ja | nein |
Blutungsrisiko | gering | hoch |
Antikoagulationsqualität, bisherige | gut | schlecht |
Geschlecht | Mann | Frau |
D-Dimere (nach Therapieende) | ↑ | normal |
Residualthrombus (Rest-Thrombos) | vorhanden | fehlend |
Thrombuslokalisation | proximal | distal |
Thrombusausdehnung | langstreckig | kurzstreckig |
Thrombophilie (erhöhte Neigung zur Thrombose), schwere | ja | nein |
Patientenwunsch | dafür | dagegen |
Legende
-
az. B. Antiphospholipid-Syndrom (APS; Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom)
-
bz. B. heterozygote Faktor-V-Leiden oder heterozygote Prothrombin-Mutation (Faktor-II-Mutation)
Konsens zur Prävention und Behandlung von krebsassoziierter Thrombose (CAT) in kontroversen klinischen Situationen
Tumorpatienten mit [9]
- hohem Thromboserisiko (z. B. Pankreaskarzinom/Bauchspeicheldrüsenkrebs) sollten bei niedrigem Blutungsrisiko und unter Berücksichtigung anderer thrombotischer Risikofaktoren eine primär ambulante Thromboseprophylaxe angeboten bekommen.
- intermediärem bis hohem Thromboserisiko (vor allem Patienten mit Bronchialkarzinom/Lungenkrebs und ALK/ROS1-Translokation) sollte über die Möglichkeit einer primär ambulanten Thromboseprophylaxe von Fall zu Fall entschieden werden.
- venösen Thrombosen unter einer antiangiogenen Therapie mit einem Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) oder einem monoklonalen Antikörper (MAB), sollte bei Thrombosegrad 3 sowohl TKI als auch MAB abgesetzt und eine indizierte antithrombotische Therapie begonnen werden.
- platinhaltigen Chemotherapeutika (insb. Cisplatin) kann bei Hochrisikosituationen (z. B. Khorana-Score ≥ 3) eine primäre Thromboseprophylaxe erwogen werden.
- metastasierendem Tumor, aktiver antineoplastischer Therapie, hohem Risiko für rezidivierende Thromboembolien (z. B. Tumor des Gastrointestinaltrakts/Magen-Darm-Trakt, Lungenkarzinom, residueller Thrombus/zurückgebliebene Thrombus) ist eine langfristige Koagulation (Blutgerinnung) über sechs Monate hinaus zu empfehlen, sofern kein erhöhtes Blutungsrisiko besteht und eine gute Medikamentenverträglichkeit vorliegt.
- mit fortgesetzter Antikoagulation, können sowohl niedermolekulare Heparine (NMH) als auch direkte orale Antikoagulantien (DOAK) erhalten. Bei Tumoren mit höherer Blutungsneigung (z. B. Tumoren des Gastrointestinaltrakts/Magen-Darm-Trakt oder des Urogenitaltrakts) muss man mit DOAK vorsichtig sein.
- erneuten Thrombosen trotz Antikoagulation bedarf der Sicherungsstellung, dass die Einnahme der Antikoagulantien regelmäßig erfolgt, der zu Grunde liegende Tumor nicht aktiv ist und keine Heparin-induzierte Thrombozytopenie vorliegt. Wichtig ist, dass die Antikoagulation im Fall von Rezidiven (Wiederauftreten der Erkrankung) so lange aufrechterhalten wird, wie der Tumor aktiv ist.
- hohem Blutungsrisiko:
- Sofern keine Kontraindikation (Gegenanzeige) besteht sollten Patienten mit Hirntumoren und Thrombose die volle NMH-Dosis erhalten.
- Hypervaskularisierte Hirnmetastasen (stark durchblutete Tochtergeschwülste im Gehirn) und hohes Blutungsrisiko: Dosis des Antithrombotikums um bis zu 50 % zu reduzieren.
- Patienten mit Nierenfunktionsstörungen: Bei einer GFR (glomeruläre Filtrationsrate) zwischen 15 und 30 wird eine Anpassung der NMH-Dosis empfohlen, bei Werten unter 15 sollte das Medikament abgesetzt werden.
- Grundsätzlich sollten alle Tumorarten, die mit einem hohem Blutungsrisiko einhergehen, mit NMH statt DOAK behandelt werden.
Wirkstoffe (Hauptindikation) zur Sekundärprophylaxe der Thromboembolie/Lungenembolie
Vitamin-K-Antagonisten
Wirkstoffe | Präparat | Anfangsdosis | Erhaltungsdosis |
Phenprocoumon | Marcumar® | 6 mg am 1. und 2. Tag p. o.; NMH, UFH oder Fondaparinux parallel bis INR ≥ 2,0 | ca. 1,5-4,5 mg 1‑mal/Tag p. o. (Ziel-INR 2-3) |
Falithrom® | |||
Warfarin-Natrium | Coumadin® | 2,5–5 mg/Tag am 1. und 2. Tag; NMH, UFH oder Fondaparinux parallel bis INR ≥ 2,0 | ca. 2,5-10 mg 1‑mal/Tag p. o. (Ziel-INR 2-3) |
Legende
- NMH Niedermolekulare Heparine
- UFH unfraktionierte Heparine
- IE internationale Einheiten
- aPTT aktvierte partielle Thromboplastinzeit,
- INR „international normalized ratio“
- Wirkweise Cumarine: Hemmung der Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X durch kompetitive Hemmung der Epoixdreduktase
- Verzögerter Wirkeintritt nach circa drei Tagen
- Wirkdauer nach Absetzen noch 7-10 Tage
- Aufsättigung mit begleitender Heparintherapie, d. h. parallel Heparin-Therapie bis zwei Tage effektiver INR zur Vermeidung von Cumarin-Nekrosen
- Nebenwirkungen: Blutungen, Haarausfall, Cumarin-Nekrose, Knochenheilungsstörungen (Kallusbildung verzögert)
Direkte orale Antikoagulantien (DOAK) bei tiefer Venenthrombose
Wirkstoffe | Besonderheiten |
Apixaban |
Alternative in der Akuttherapie und Rezidivprophylaxe KI Kreatinin-Clearance: ≤ 15 ml/min; Lebererkrankung mit Koagulopathie |
Dabigatran | KI Kreatinin-Clearance: 15-29 ml/min; Leberinsuffizienz |
Edoxaban | KI Kreatinin-Clearance: ≤ 15 ml/min; Lebererkrankung mit Koagulopathie (schwere Leberfunktionsstörung) |
Rivaroxaban | Ggf. Anpassung bei Niereninsuffizienz KI bei Kreatinin-Clearance: ≤ 15 ml/min; relevantem Blutungsrisiko |
Legende
- NMH Niedermolekulare Heparine
- UFH unfraktionierte Heparine
- Nach 6 Monaten evtl. Dosisreduktion auf Apixaban 2,5 mg (1-0-1) bzw. Rivaroxaban 10 mg (1x1)
- Wirkweise Apixaban: direkter Faktor Xa-Inhibitor
- Nebenwirkungen: Blutungen, Anämie, Leberfunktionsstörungen
- Vorteil: erfordern keine regelmäßigen Gerinnungskontrollen; weniger Medikamenteninteraktionen
- Dabigatran und Edoxaban: Weiteres s. u. in der Tabelle
- Wirkweise Rivaroxaban: direkter Faktor Xa-Inhibitor
- Cave: Das Tuberkulostatikum Isoniazid sowie die Makrolide Clarithromycin und Erytrhomycin hemmen die CPY 3A4 und führen damit zu erhöhten Rivaroxaban-Plasmaspiegeln. Rifampicin kann als starker CYP 3A4 Induktor den Rivaroxaban-Plasmapiegel senken.
- Glykopeptidantibiotika (Vancomycin) und Aminoglykoside können zu Nierenfunktionsstörungen (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min) führen und damit zu erhöhten Rivaroxaban-Plasmaspiegeln führen.
- Nebenwirkungen: Blutungen, Anämie, Leberfunktionsstörungen
- Kann zur Einblutung in den Glaskörper der Augen führen, was nicht unbedingt ein Absetzen des Medikaments erforderlich macht [5].
- Vorteil: erfordern keine regelmäßigen Gerinnungskontrollen; weniger Medikamenteninteraktionen)
Kontraindikationen für DOAK
- Schwangere und stillende Mütter
- Patienten mit sehr hohem Schleimhautblutungsrisiko (insbesondere aktiver Gastritis (Magenentzündung) oder Magenulkus (Magengeschwür) oder Tumoren im Gastrointestinal- oder Harntrakt
- Patienten mit einem Antiphospholipid-Syndrom sollten nicht mit direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) behandelt werden [8].
Pharmakologische Eigenschaften NOAK/direkte orale Antikoagulantien (DOAKs)
Apixaban |
Dabigatran |
Edoxaban | Rivaroxaban |
|
Zielstruktur | Xa | Thrombin IIa | Xa | Xa |
Applikation | 2 TD | (1-) 2 TD | 1 TD | 1 (-2) TD |
Bioverfügbarkeit [%] | 66 | 7 | 50 | 80 |
Zeit bis Spitzenspiegel [h] | 3-3,5 | 1,5-3 | 1-3 | 2-4 |
Halbwertszeit [h] | 8-14 | 14-17 | 9-11 | 7-11 |
Elimination |
|
|
|
|
Bei Niereninsuffizienz |
kontraind. Kreatinin-Clearance: < 15 ml/min |
kontraind. Kreatinin-Clearance: < 30 ml/min | kontraind. Kreatinin-Clearance: < 30 ml/min | kontraind. Kreatinin-Clearance: < 15 ml/min |
Interaktion | CYP3A4 | starker P-GP-Inhibitor Rifampicin, Amiodaron, PP! |
CYP3A4 | CYP3A4-Inhibitor |
Weitere Hinweise
- Wird nach einem thromboembolischen ersten venösen Ereignis die Antikoagulantientherapie beendet, besteht ein erhöhtes Rezidivrisiko.
- Die WARFASA-Studie und eine weitere Studie [4] belegen, dass auch Acetylsalicylsäure (ASS) eine relevante Wirkung bei der Prävention von venösen Thromboembolien-Rezidiven hat (Risikoreduktion der Ereignisrate um ca. 33 % versus 90 % bei der Gabe von Vitamin-K-Antagonisten); Die Gabe von ASS nach Absetzen der oralen Antikoagulation ist eine Option bei Vorliegen kardiovaskulärer Risikofaktoren.
- Therapieempfehlungen zu DOAK bei Adipositas [9]:
- Körpergewicht ≤ 120 kg oder einem BMI ≤ 40 kg /m2 keine Dosisanpassungen
- BMI > 40 kg /m2 oder Körpergewicht > 120 kg sollten VKA (s. o.) zum Einsatz kommen oder Tal- und Peakspiegelmessungen der DOAK vorgenommen werden
- Falls Spiegelmessungen in die zu erwartenden Bereiche fallen, kann die jeweilige Dosierung belassen werden.
- Falls die Spiegelmessungen unterhalb der zu erwartenden Bereiche liegen, sollte eher ein VKA eingesetzt werden.
Wirkstoffe (unter Berücksichtigung von Nebenindikationen)
Gefäßrekanalisierende Maßnahmen
Wirkstoffe | Besonderheiten |
Unfraktioniertes Heparin (UFH) | KI bei schwerer Nieren-/ Leberinsuffizienz |
- Wirkweise: Inaktivierung von Thrombin, IXa, Xa, XIa, XIIa → Antithrombin III (AT-III) muss vorhanden sein
- Nebenwirkungen: Blutungen, Thrombozytopenie, Transaminasen ↑, allergische Reaktionen, Haarausfall, Osteoporose
HIT II (Heparin-induzierte Thrombozytopenie)
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Besonderheiten |
Direkter Thrombininhibitor (DTI) | Argatroban | Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz KI bei schwerer Niereninsuffizienz |
Thrombininhibitor | Dabigatran | Antidot: Idarucizumab kann die Wirkung des oralen Antkoagulans Dabigatran innerhalb von vier Stunden vollständig aufheben (gemessen an der verdünnten Thrombinzeit (dTT) und Ecarin Clotting Time (ECT)) |
Thrombininhibitor | Lepirudin | Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz |
Heparinoide | Danaparoid | Ant-Xa-Spiegel-Kontrolle KI bei schwerer Nieren-/ Leberinsuffizienz, wenn Alternativtherapie verfügbar |
- Niereninsuffizienz
Unfraktioniertes Heparin (UHF; Therapiekontrolle mittels PTT!): s.o.
Wirkungsweise
- Heparine
- Heparin-ATIII-Komplex inaktiviert Thrombin, Faktoren Xa, XIIa, XIa, IXa
- Heparin hemmt Thrombozytenfunktion
- Niedermolekulare Heparine: Selektive Hemmung von Faktor Xa
- Wirkweise Argatroban: Direkte reversible Inhibition von löslichem als auch gerinnselgebundenem Thrombin (Einsatz bei HIT II)
- Wirkweise Dabigatran: selektiver Thrombininhibitor
- Wirkweise Lepirudin: Direkte Thrombinhemmung (Einsatz bei HIT II)
Thromboseprophylaxe bei Kniearthroskopie und Gips
In den Studien POT-KAST und POT-CAST führte die Antikoagulation zu keinem Rückgang von symptomatischen venösen Thromboembolien (VTE).
Fazit: "Die routinemäßige Thromboseprophylaxe mit einem Standardregime nach Kniearthroskopie oder Gipsimmobilisierung des Unterschenkels ist nicht wirksam" [6].
Für den Misserfolg wird eine zu geringe Dosis bzw. zu kurze Dauer der Antikoagulation diskutiert.
Thromboseprophylaxe bei Tumorpatienten
- Niedermolekulare Heparine (engl. low molecular weight heparin, LMWH) sollten bevorzugt werden; neue orale Antikoagulantien sollten nicht eingesetzt werden.
- Eine US-amerikanische Kosten-Wirksamkeits-Analyse kommt zu gegenteiligen Meinung: direkte orale Antikoagulantien (DOAK) sind bei der Behandlung Krebs-assoziierter Thrombosen sowohl wirksamer als auch kosteneffektiver als LMWH [10].
- Je nach individuellen Risiko benötigen auch ambulante Patienten eine Thromboseprophylaxe.
- Die Risiko-Einschätzung sollte nach dem Khorana-Score erfolgen.
- Bei Tumorpatienten, die eine venöse Thromboembolie (VTE) entwickeln, ist eine Rezidivprophylaxe mit direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) über 6 Monate von vergleichbarer Wirksamkeit wie niedermolekulares Heparin (randomisierte klinische Studie) [12].
Khorana-Score
Charakteristika | Punkte |
Tumorlokalisation Hirntumor (primär), Magen, Pankreas |
2 |
Tumorlokalisation Blase, Hoden, Lunge, Niere, gynäkologische Tumoren, Lymphom |
1 |
Thrombozyten (vor Chemotherapie) ≥ 350.000/μl |
1 |
Hb < 10 g/dl oder Gabe von Erythropoese-stimulierenden Wirkstoffen |
1 |
BMI ≥ 35 kg/m² |
1 |
Interpretation
- ≥ 3 Punkte – hohes Thromboembolie-Risiko
- 1-2 Punkte – mittleres Thromboembolie-Risiko
- 0 Punkte – niedriges Thromboembolie-Risiko
Literatur
- Anderson DR et al.: Aspirin versus low-molecular-weight heparin for extended venous thromboembolism prophylaxis after total hip arthroplasty: a randomized trial. Ann Intern Med. 2013;158:800-6
- S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie. (AWMF-Registernummer: 065-002), Februar 2023 Kurzfassung Langfassung
- Simes J, Becattini C, Agnelli G et al.: Aspirin for the prevention of recurrent venous thromboembolism. The INSPIRE collaboration.Circulation 2014, online 25. August 2014
- Becattini C, Agnelli G, Schnenone A et al.: Aspirin for preventing the recurrence of venous thromboembolism. NJEM 2012; 366:1959-67
- Jun JH et al.: Association of Rivaroxaban Anticoagulation and Spontaneous Vitreous Hemorrhage. JAMA Ophthalmol. Published online June 25, 2015. doi:10.1001/jamaophthalmol.2015.2069
- van Adrichem RA et al.: Thromboprophylaxis after Knee Arthroscopy and Lower-Leg Casting. December 3, 2016 doi: 10.1056/NEJMoa1613303.
- Martin K et al.: Use of the direct oral anticoagulants in obese patients: guidance from the SSC of the ISTH. J Thromb Haemost. 2016 Jun;14(6):1308-13. doi: 10.1111/jth.13323. Epub 2016 Apr 27.
- Rote-Hand-Brief zu Eliquis®, Pradaxa®, Lixiana®/Roteas® und Xarelto®: Die Anwendung bei Patienten mit Antiphospholipid-Syndrom wird nicht empfohlen. BfArM 23.05.2019
- Jiménez-Fonseca P et al.: Consensus on prevention and treatment of cancer-associated thrombosis (CAT) in controversial clinical situations with low levels of evidence. European Journal of Internal Medicine 2022; https://doi.org/10.1016/j.ejim.2022.02.020
- Gulati S, Eckman MH: Anticoagulant Therapy for Cancer-Associated Thrombosis A Cost-Effectiveness Analysis Annals of Internal Medicine 27 December 2022 https://doi.org/10.7326/M22-1258
- Singh T et al.: Timing of symptomatic venous thromboembolism after surgery: meta-analysis. Br J Surg 2023; https://doi.org/10.1093/bjs/znad035
- Schrag D et al.: Direct Oral Anticoagulants vs Low-Molecular-Weight Heparin and Recurrent VTE in Patients With Cancer A Randomized Clinical Trial JAMA. 2023;329(22):1924-1933. doi:10.1001/jama.2023.7843
Leitlinien
- Farge D et al.: 2019 international clinical practice guidelines for the treatment and prophylaxis of venous thromboembolism in patients with cancer, Lancet Oncol. 2019 Oct;20(10):e566-e581 doi:https://doi.org/10.1016/S1470-2045(19)30336-5
- S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie. (AWMF-Registernummer: 065-002), Februar 2023 Kurzfassung Langfassung