Können Formulardiäten Typ 2-Diabetikern beim Abnehmen helfen?

Beim Diabetes mellitus Typ 2 („Altersdiabetes“) liegt eine Störung des Glucosestoffwechsels vor. Diese äußert sich in einer Hyperglykämie (erhöhte Blutzuckerwerte), bedingt durch eine periphere Insulinresistenz (verminderte oder aufgehobene Wirkung des Hormons Insulin) und eine Störung der Insulinsekretion (= Insulinresistenz mit relativem Insulinmangel).

Die Ursachen des Diabetes mellitus Typ 2 sind schon lange bekannt. Sie beruhen im Wesentlichen auf einer hyperkalorischen und fettreichen Ernährung. Hinzu kommt eine geringe körperliche Aktivität der Erkrankten.

Der Typ-2-Diabetes kann jahrelang unerkannt bleiben und wird häufig bei einer Routineuntersuchung entdeckt. Meist liegen dann bereits Folgeerkrankungen wie eine diabetische Retinopathie (Netzhauterkrankung mit Verschlechterung der Sehfähigkeit bis hin zur Erblindung, bedingt durch die hohen Blutzuckerwerte) oder eine diabetische Nephropathie (Nierenerkrankung, bedingt durch die hohen Blutzuckerwerte) vor. Begleitet wird die Erkrankung oft von Hypertonie (Bluthochdruck), Hypertriglyzeridämie (erhöhte Triglyceride im Blut), niedrigem HDL-Cholesterin und erhöhten Nüchternblutzucker-Werten.

Da ca. 80-85 % der Typ-2-Diabetiker übergewichtig sind, besteht die Therapie vorrangig aus einer Gewichtsreduktion – durch Kalorienrestriktion und kohlenhydratarmer bzw. -bewusster Ernährung sowie regelmäßiger Bewegung – und der Gabe oraler Antidiabetika (Metformin, Medikament der ersten Wahl). Bei Erschöpfung der endogenen Insulinreserve ist eine Insulinsubstitution erforderlich.

Leider schaffen es die meisten Patienten trotz Schulung nicht, ihr Ernährungs- und Bewegungsverhalten nachhaltig zu modifizieren. Stattdessen verlassen sie sich auf die medikamentöse Therapie. Dabei könnte durch eine Optimierung des Lebensstils, vor allem bei kurzer Erkrankungsdauer, bereits großer Einfluss auf den Blutglucosespiegel bzw. den Verlauf der Diabetes-Erkrankung genommen werden. Im besten Fall lassen sich sogar die Anzahl verordneter Medikamente und/oder die Insulindosierungen reduzieren.

Eine geeignete Maßnahme, um die Kalorienzufuhr für einen definierten Zeitraum effektiv zu reduzieren und so Einfluss auf die Diabetes-Erkrankung zu nehmen, sind Formulardiäten [1-7]. Sie sind einfach in der Umsetzung und Erfolge stellen sich schnell ein. Dadurch ist der Patient motivierter, seinen Lebensstil dauerhaft zu verändern.

Im Rahmen strukturierter Formulardiätprogramme werden „normale“ Mahlzeiten durch diätetische Lebensmittel (Trinknahrung), die energiereduziert, proteinreich und kohlenhydratarm sind, ersetzt. Anschließend werden schrittweise wieder konventionelle Nahrungsmittel eingeführt.

In einer aktuellen Studie nahmen Typ-2-Diabetiker an einem radikalen Gewichtsreduktionsprogramm, das sich über 12 Monate erstreckte, teil. In den ersten drei bis fünf Monaten wurden die normalen Mahlzeiten im Rahmen einer Formulardiät durch Trinknahrungen ersetzt. Anschließend wurden über zwei bis acht Wochen wieder normale Lebensmittel eingeführt. Bis zum Ende der Studiendauer sollten die Teilnehmer dann selbstständig eine gesunde Ernährung fortsetzen. Es zeigte sich, dass der Therapieerfolg proportional zur Gewichtsabnahme war: Bei einer Reduktion des Körpergewichtes von mindestens 10 kg erreichten mehr als 50 % der Teilnehmer eine Diabetes-Remission (Verschwinden der Krankheitssymptome). Bei einer Gewichtsabnahme von mehr als 15 kg waren es sogar 86 % der Patienten. Ein Nebeneffekt war zudem eine Verbesserung des Blutdrucks [8].

In einer anderen Studie nahmen die Teilnehmer in der ersten Studienwoche drei Mahlzeiten einer Formulardiät zu sich und in den nachfolgenden drei Wochen zwei Mahlzeiten plus eine proteinreiche und kohlenhydratarme normale Mittagsmahlzeit. Von Woche 5 bis 12 wurde nur noch das Abendessen durch ein diätetisches Lebensmittel ausgetauscht. Schon nach wenigen Tagen sank der Insulinbedarf und im weiteren Verlauf signifikant auch der HbA1c-Wert. Zudem reduzierte sich das Körpergewicht [9, 10].

Bei der Durchführung einer Formulardiät über acht Wochen erreichten 87 % der Studienteilnehmer mit kurzer Diabetesdauer (< 4 Jahre) und 50 % der Erkrankten mit langer Diabetesdauer (> 8 Jahre) nicht-diabetische Nüchternglucosewerte [11].

Fazit: Bereits nach kurzzeitiger Durchführung einer Formulardiät verbessert sich die postprandiale (nach dem Essen) Insulinsekretion [12]. Eine Formulardiät scheint eine geeignete Methode zu sein, ein erhöhtes Körpergewicht zu reduzieren, die Insulin-Sensibilität zu verbessern und letztlich die Blutglucosewerte sowie den Glykämie-Langzeitparameter HbA1c bei Typ-2-Diabetikern zu senken.

Literatur

  1. Henry RR, Wiest-Kent TA, Scheaffer L, Kolterman OG, Olefsky JM (1986): Metabolic consequences of very-low-calorie diet therapy in obesenon-insulin-dependent diabetic and nondiabetic subjects. Diabetes 35: 155-164
  2. Amatruda JM, Richeson JF, Welle SL, Brodows RG, Lockwood DH (1988): The safety and efficacy of a controlled low-energy (‘very-low-calorie’) diet in the treatment of non-insulin-dependent diabetes and obesity. Arch Intern Med 148: 873-877
  3. Rotella CM, Cresci B, Mannucci E, Rizzello SM, Colzi G, Galli G, Giannini S, Messeri G, Piani F, Vannini R (1994): Short cycles of very low calorie diet in the therapy of obese type II diabetes mellitus. J Endocrinol Invest 17 (3): 171-179
  4. Wing RR, Marcus MD, Salata R, Epstein LH, Miaskiewicz S, Blair EH (1991): Effects of a very-low-calorie diet on long-term glycemic control in obese type 2 diabetic subjects. Arch Intern Med 151: 1334-1340
  5. Dhindsa P, Scott AR, Donnelly R (2003): Metabolic and cardio vascular effects of very-low-calorie diet therapy in obese patients with Type 2 diabetes in secondary failure: outcomes after 1 year. Diabet Med 20 (4): 319-324
  6. Jazet IM, de Craen AJ, van Schie EM, Meinders AE (2007): Sustained beneficial metabolic effects 18 months after a 30-day very low calorie diet in severely obese, insulin-treated patients with type 2 diabetes. Diabetes Res Clin Pract 77 (1): 70-76
  7. Leslie WS, Taylor R, Harris L, Lean ME (2017): Weight losses with low-energy formula diets in obese patients with and without type 2 diabetes: systematic review and meta-analysis. J Obes 41 (1): 96-101
  8. Lean ME, Leslie WS, Barnes AC, Brosnahan N, Thom G, McCombie L, Peters C, Zhyzhneuskaya S, Al-Mrabeh A, Hollingsworth KG, Rodrigues AM, Rehackova L, Adamson AJ, Sniehotta FF, Mathers JC, Ross HM, McIlvenna Y, Stefanetti R, Trenell M, Welsh P, Kean S, Ford I, McConnachie A, Sattar N, Taylor R: Primary care-led weight management for remission of type 2 diabetes (DiRECT): an open-label, cluster-randomised trial. Lancet. 2018 Feb 10; 391 (10120): 541-551
  9. Kempf K, Schloot NC, Gärtner B, Keil R, Martin S (2014): Meal replacement reduces insulin requirement, HbA1c and weight long-term in type 2 diabetes patients with > 100 U insulin per day. J Hum Nutr Diet 27 (Suppl 2): 21-27
  10. Martin S, Kempf K (2014): Formula diets as baseline therapy for type 2 diabetes. Dtsch Med Wochenschr 139 (21): 1106-1108
  11. Steven S, Taylor R (2015): Restoring normoglycaemia by use of a very low calorie diet in long- and short-duration Type 2 diabetes. Diabet Med 32 (9): 1149-1155
  12. Malandrucco I, Pasqualetti P, Giordani I, Manfellotto D, De Marco F, Alegiani F, Sidoti AM, Picconi F, Di Flaviani A, Frajese G, Bonadonna RC, Frontoni S (2012): Very-low-calorie diet: a quick therapeutic tool to improve β cell function in morbidly obese patients with type 2 diabetes. Am J Clin Nutr 95: 609-613