Immunadsorption

Bei der Immunadsorption (IAS) handelt es sich um ein therapeutisches Verfahren der Nephrologie zur Entfernung toxischer und allgemein pathogener (krankheitsauslösender) Substanzen aus dem Blut unter Verwendung eines Adsorptionssystems. Die Adsorption beschreibt die Anreicherung von Substanzen aus Gasen oder Flüssigkeiten an der Oberfläche eines Festkörpers.

Der Vorteil der Immunadsorption im Vergleich zu weiteren Blutreinigungsverfahren ist die Möglichkeit, die humanpathogen wirkenden Substanzen spezifisch aus der Blutzirkulation zu entfernen, sodass es durch die Elimination nicht erforderlich wird, dem betroffenen Patienten Plasma zu verabreichen. Resultat dieses Verfahrens ist somit, dass deutlich größere Plasmavolumina im extrakorporalen (außerhalb des Körpers) Kreislauf therapierbar sind. Des Weiteren sind drastischere Absenkungsraten der Immunglobuline (Antikörper) vom Typ G (IgG) und der Autoantikörper-Spiegel möglich. Aufgrund dessen spielt das Verfahren nicht nur eine wichtige Rolle in der Nephrologie, sondern beispielsweise auch in der Rheumatologie. Auch in der Therapie der familiären Hypercholesterinämie (genetisch bedingter Überfluss von Cholesterin im Organismus) wurde das Verfahren eingesetzt.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Gesicherte Behandlungsindikationen

  • Akute humorale Transplantatabstoßung – die Immunadsorption kann nicht nur präventiv eingesetzt werden, sondern auch bei einer akuten Abstoßungsreaktion.
  • Dilatative Kardiomyopathie (DCM) – Krankhafte Vergrößerung (Dilatation) des Herzmuskels, die zu einer Herzschwäche führt; der Einsatz der Immunadsorption ist zwar evidenzbasiert, allerdings ist diese Evidenz nur bei Autoantikörper-positiven Patienten gesichert. Die dilatative Kardiomyopathie stellt eine krankhafte Erweiterung des Herzmuskels dar.
  • Hemmkörperhämophilie – Autoantikörper gegen Faktor VIII oder Faktor IX sind zwar selten, aber mit hohem Blutungsrisiko und damit einer hohen Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der an der Krankheit Erkrankten) verbunden. Diese als erworbene Hemmkörperhämophilie bezeichnete Erkrankung kommt bei beiden Geschlechtern gleich häufig vor und tritt gehäuft im hohen Lebensalter auf.
  • Nierentransplantatempfänger – der Einsatz des Verfahrens ist besonders bei sensiblen potentiellen Empfängern einer Spenderniere angezeigt. Durch das Verfahren kann das Abstoßungsrisiko signifikant und relevant gesenkt werden.

Mögliche Behandlungsindikationen

  • Glomerulosklerose – autoimmunbedingte Nierenerkrankungen wie beispielsweise die fokal-sklerosierende Glomerulosklerose oder eine rapid progrediente Glomerulonephritis können möglicherweise in ihrem Voranschreiten verlangsamt werden.
  • Guillain-Barré-Syndrom (GBS; Synonyme: Idiopathische Polyradikuloneuritis, Landry-Guillain-Barré-Strohl-Syndrom); zwei Verlaufsformen: akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie bzw. chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (Erkrankung des peripheren Nervensystems); idiopathische Polyneuritis (Erkrankungen mehrerer Nerven) der spinalen Nervenwurzeln und peripheren Nerven mit aufsteigenden Lähmungen und Schmerzen; kann beispielsweise nach einem bakteriellen Infekt mit Campylobacter pylori auftreten und durch Endotoxine (Lipopolysaccharide) zur Schädigung der Ganglioside des zentralen Nervensystems beitragen. Der Erfolg der Adsorption der Autoimmun-Antikörper konnte bisher nicht ausreichend bewiesen werden.
  • Rheumatoide Arthritis – diese durch Autoantikörper ausgelöste Erkrankung kann bei nicht ausreichender Therapie zu starken Schädigungen der Organe und des Skelettsystems führen. Die Immunadsorption könnte als weitere Therapieoption dienen.
  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE) – beim generalisierten Lupus erythematodes handelt es sich um eine generalisierte Autoimmunerkrankung, die in ihrem chronischen Verlauf alle Organe betreffen kann und besonders an Haut, Gelenken und Nieren zu massiven Schädigungen führt. Sie ist durch das Auftreten von Autoantikörpern gekennzeichnet, die gegen Zellkernkomponenten (antinukleäre Antikörper, ANA), doppelsträngige DNA (Anti-ds-DNA-Antikörper) oder Histone (Anti-Histon-Antikörper) gerichtet sind. Durch den Einsatz der Immunadsorption kann gegebenenfalls das Auftreten von Symptomen reduziert werden.
  • Thrombotisch thrombozytopenische Purpura – bei der TTP, die auch als Maschcowitz-Syndrom bezeichnet wird, das durch Fieber, hämolytische Anämie (Blutarmut, die durch den vorzeitigen Abbau bzw. Zerfall der roten Blutkörperchen bedingt ist) und Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) gekennzeichnet ist, kann die Immunadsorption die Therapie mit von-Willebrand-Protease-Substitution unterstützen.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Unkontrollierte Blutungsneigung: Patienten mit einer schweren oder unkontrollierten Blutungsneigung, da das Verfahren eine Antikoagulation erfordert.
  • Schwere Infektionen: Akute oder nicht kontrollierte Infektionen stellen ein erhöhtes Risiko dar.
  • Instabile Kreislaufverhältnisse: Patienten mit instabilen Kreislaufverhältnissen oder schwerer Herzinsuffizienz (Herzschwäche).
  • Unbehandelte Allergien: Bekannte Allergien gegen die im Adsorptionsprozess verwendeten Substanzen oder Materialien.
  • Schwere Immunmangelzustände: Patienten mit schweren Immunmangelzuständen, bei denen das Verfahren zu weiteren Komplikationen führen könnte.
  • Schwangerschaft: Aus Vorsichtgründen wird die Immunadsorption bei schwangeren Patientinnen vermieden.
  • Schwere Leber- oder Nierenfunktionsstörungen: Diese Zustände können das Risiko von Komplikationen erhöhen.

Vor der Immunadsorption (IAS)

  • Patientenevaluation: Sorgfältige Untersuchung des Patienten, um die Eignung für die IAS zu bestimmen und mögliche Kontraindikationen auszuschließen.
  • Laboruntersuchungen: Durchführung relevanter Bluttests, einschließlich der Bestimmung von Immunglobulin-Spiegeln und anderen relevanten Biomarkern.
  • Medikamentenüberprüfung: Anpassung oder Pausierung bestimmter Medikamente, die die Immunadsorption beeinflussen könnten.
  • Vorbereitung des Adsorptionssystems: Überprüfung und Vorbereitung des spezifischen Adsorptionssystems und der Apherese-Säulen.
  • Patientenaufklärung: Informieren des Patienten über das Verfahren, mögliche Risiken und den erwarteten Behandlungsverlauf.
  • Antikoagulation: Planung der Antikoagulationstherapie zur Vermeidung von Blutgerinnseln während der Therapie.
  • Venöser Zugang: Einrichtung eines sicheren venösen Zugangs für die Blutentnahme und -rückführung.
  • Klinische Überwachung: Einrichtung einer kontinuierlichen Überwachung zur Erfassung von Vitalparametern während des Verfahrens.

Das Verfahren

Durchführung der Immunadsorption

  • Zu Beginn der Durchführung des therapeutischen Verfahrens erfolgt eine Plasmaseparation. Bei der Separation des Plasmas von den anderen Blutbestanteilen ist darauf zu achten, dass eine adäquate Plasmaqualität beibehalten werden kann. Dies wird durch eine Zentrifugierung möglich. Im Vergleich zu weiteren Separationsverfahren stellt die Zentrifugierung eine besonders zeiteffektive Methode dar.
  • Durch eine spezifische Adsorptionsmaschine wird das vorliegende Plasma des Patienten über besondere Apherese-Säulen geleitet. Die Apherese-Säulen stellen ein wichtiges Mittel zur Detoxikation des Blutes dar. An den vorliegenden Säulen erfolgt nun eine relativ feste Bindung der im Plasma vorliegenden Antikörper. Die Plasmabestandteile, die sich nicht an den Säulen binden konnten, werden nachfolgend mit den korpuskulären Blutbestandteilen (Blutzellen) in Verbindung gebracht. Ist dieser Schritt erfolgt, so wird eine Rückinfusion des jetzt im Vollblut vorliegenden Plasmas in den Patienten durchgeführt.
  • Das extrakorporale Volumen überschreitet in der Regel 200-300 ml nicht und ist somit mit anderen Detoxikationsverfahren wie zum Beispiel dem Plasmaaustauch vergleichbar. Über einen ZVK (zentral venöser Katheter) oder über periphere Venen erfolgt die notwendige Blutabnahme. Insgesamt wird ein Blutfluss von 50-80 ml pro Minute erreicht. Nach der Plasmaseparation fließen dann noch 30 ml pro Minute an den Apherese-Säulen entlang. Zur Funktion des Adsorptionsgerätes müssen Puffer und eine Spüllösung hinzugefügt werden.
  • Um die Effektivität des Verfahrens zu erhalten, ist es notwendig, dass die Säulenqualität optimal ist. Des Weiteren ist es von entscheidender Bedeutung, dass eine extrakorporale Koagulation (Blutgerinnung) verhindert wird, da dies die Effektivität der Immunadsorption weiter reduzieren kann. Als Resultat dieser Erkenntnis werden heutzutage bei der Immunadsorption kombinierte Antikoagulationen mit Citrat und Heparin durchgeführt. Da jedoch auch eine Behandlung von blutungsgefährdeten Patienten erfolgen muss, wird zur Gerinnungshemmung eine sogenannte extrakorporale Antikoagulation verwendet. Die Besonderheit dieser Behandlungsstrategie ist die Antagonisierung (Aktivierung des Gegenspielers) von Heparin durch Protamin vor der Rückinfusion in den Blutkreislauf des Patienten. Protamin kann die Wirkung von Heparin in einer Salzbildungsreaktion reduzieren.

Seit der Entwicklung der Immunadsorption haben sich verschiedene Systeme durchgesetzt, die mehrheitlich über Zwei-Säulen-Systeme immunologisch aktive Peptide (kleine Proteine) binden. Bei den Zwei-Säulen-Systemen ist abwechselnd eine Säule beladen, während die zweite Säule regeneriert wird.

Adsorption der immunologisch aktiven Substanzen

  • Die Adsorption der Immunglobuline erfolgt je nach System über unterschiedliche Mechanismen und Methoden. Beispielsweise können Schaf-Antikörper gegen humanes Immunglobulin eingesetzt werden, die dann auf einer speziellen Matrix gebunden werden. Je nach System und Hersteller variiert die Spezifität für die Immunglobulin-Subklassen.
  • Eine weitere Möglichkeit der Immunadsorption ist die Verwendung von Staphylokokken-Proteinen als Liganden für die Antikörper. Hierdurch können spezifisch IgG-Antikörper gebunden werden.

Nach der Immunadsorption

  • Medizinische Überwachung: Engmaschige Überwachung des Patienten auf mögliche Komplikationen nach der Behandlung.
  • Laboruntersuchungen: Folgeuntersuchungen zur Beurteilung des Effekts der Immunadsorption auf die Immunglobulin-Spiegel und andere relevante Biomarker.
  • Beurteilung des klinischen Ansprechens: Bewertung des Ansprechens des Patienten auf die Therapie hinsichtlich der zugrundeliegenden Erkrankung.
  • Anpassung der Therapie: Gegebenenfalls Anpassung der begleitenden medikamentösen Therapie basierend auf den Ergebnissen der Immunadsorption.
  • Patientenberatung: Beratung und Unterstützung des Patienten bei der Verwaltung der posttherapeutischen Phase und bei der Einhaltung von Nachsorgeempfehlungen.
  • Planung weiterer Sitzungen: Falls erforderlich, Planung weiterer Immunadsorptionssitzungen.

Mögliche Komplikationen

Frühkomplikationen

  • Blutungen: Aufgrund der Antikoagulationstherapie können Blutungen an der Punktionsstelle auftreten.
  • Infektionen: Risiko einer Infektion an der Einstichstelle oder systemische Infektionen.
  • Allergische Reaktionen: Gegen die verwendeten Adsorptionsmaterialien oder andere Behandlungskomponenten.
  • Hypotonie: Blutdruckabfall während des Verfahrens, möglicherweise durch Volumenschwankungen.
  • Luftembolie: Risiko durch Eintritt von Luft in das extrakorporale System.

Spätkomplikationen

  • Elektrolytstörungen: Langfristige Veränderungen im Elektrolythaushalt aufgrund wiederholter Behandlungen.
  • Venöse Thrombosen: Entwicklung von Blutgerinnseln an den Kathetereintrittsstellen über einen längeren Zeitraum.
  • Chronische Infektionen: Bei wiederholter Anwendung können Infektionen entlang des Katheters oder im Adsorptionssystem entstehen.
  • Immunsystemveränderungen: Mögliche langfristige Auswirkungen auf das Immunsystem durch wiederholte Entfernung von Immunsubstanzen.
  • Vaskuläre Komplikationen: Beschädigung von Blutgefäßen durch wiederholte Katheterisierung.

Literatur

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  6. Keller C: Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 2010
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  8. Hahn H: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer Verlag 2008

     
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